Alte Musik im Diskurs der Gegenwart in Detmold

Detmold. Die &bdquo;Tage Alter und Neuer Musik“ haben unter Leitung von Flóra Fábri, Professorin für historisch informierte Aufführungspraxis, und Kompositionsprofessor Mark Barden in zwei Konzerten ein facettenreiches Programm geboten. Im Abschlusskonzert des Meisterkurses für barocke Kammermusik mit Fagottistin Györgyi Farkas haben Studierende die Klangwelt des Hochbarocks zum Leben erweckt.

Zwei Sonaten des Dresdner Hofkomponisten Jan Dismas Zelenka (1679-1745) eröffneten den Abend. Elegische Melodiebögen der Oboen paarten sich virtuos mit erdenden Fagottklängen. Flóra Fábri, eine feste Größe im Continuospiel, begleitet mit inspirierender Klarheit am Cembalo jedes Ensemble. Die 1. Sonate interpretierten Zhihuang Zhang und Alexey Savinkov (Oboen) sowie Louisa Sieveke (Fagott), während die Sonate Nr. 6 Rinko Masuda und Daniel Morandini-Gut (Oboe), Marlene Karla Naumann (Fagott) und Artur Kuban (Kontrabass) in großer Spielfreude zu Gehör brachten.

Mit der Sonate für Fagott von Antoine Dard (1715-1784) unternahmen Jhong-Siang Lan einen Ausflug in die Rokokozeit und ließ ihr Fagott gesanglich leuchten. Ein Höhepunkt war die Sonata a 3 für Cembalo, 2 Oboen und Fagott des Dresdner Hofkapellmeisters Johann David Heinichen (1683-1729). Das hochvirtuose Zusammenspiel der Oboisten Masuda und Savinkov und des Fagottisten Georg Matti Nestler wirkte wie aus einem Guss. Die Bearbeitung von Vivaldis Concerto in d-Moll RV 535 für vier Oboen, Fagott (Daniel Henri Raß) und Cembalo entfachte ein Holzbläser-Feuerwerk, das zum zweiten Konzert unter dem Titel &bdquo;Vivaldis vier Jahreszeiten im Klimawandel“ überleitete.

Carlo Tosato (*1998), der bei Barden studiert hat, brachte mit seiner Neudeutung &bdquo;L’Inverno“ (2022) eine introvertierte Version des &bdquo;Winters“ zu Gehör. Frostig heulende Klänge mit verfremdeten Spielweisen paarten sich mit Originalpassagen aus Vivaldis &bdquo;Winter“, denen Sologeigerin Sarah Saviét viel Glanz schenkte. Sie entlockte ihrer Violine auch fragile Klänge, während das Ensemble &bdquo;Earquake“ unter Leitung von Florian Ludwig mit kargen Klangflächen und eruptiven Einwürfen eine Atmosphäre des Zerfalls schuf. Eine weitere künstlerische Reflexion über den Klimawandel zeigte die Neukomposition &bdquo;Summer Distortion“ (2022), in der sich Mark Barden mit Vivaldis &bdquo;Sommer“ auseinandersetzt. Anklänge der Originalkomposition brechen immer wieder auseinander. Der Sommer kommt aus den Fugen. Stehende Hitze wechselt mit chaotischen Ausbrüchen und die Angst vor dem Klimawandel wird hörbar. Bardens Musik wirkt wie ein akustischer Klimareport: flirrend, flammend, verstörend.

Die zeitgenössischen Neuinterpretationen wurden mit Vivaldis Originalen kontrastiert. Dem &bdquo;Frühling“ verlieh Sologeigerin Rebecca Raimondi eine federnde Leichtigkeit. Sie stand im schönsten Dialog mit dem fein artikulierenden Ensemble für Alte Musik unter Leitung von Flóra Fábri am Cembalo. Die programmatischen Bezüge wurden akzentuiert. Der &bdquo;Herbst“ erklang mit einem melancholischen Unterton. Der individuelle Ausdruck der Soli paarte sich gelungen mit den wiederkehrenden Ritornellen. Zwischen den musikalischen Blöcken lasen Rebecca Raimondi und Carlo Tosato die italienischen Sonette Vivaldis. Alte Musik wurde nicht museal präsentiert, sondern eindrucksvoll in den Diskurs der Gegenwart eingebunden.

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