Bad Salzuflen. Montag, kurz nach 11 Uhr: Der Verkehrsversuch ist in vollem Gange – die Taxis fahren ihre neuen Standorte an, die neuen Schilder rund um die Bad Salzufler Innenstadt stehen. Den ein oder anderen Autofahrer scheint das allerdings wenig zu interessieren: Trotz beidseitiger Fußgängerzonen-Beschilderung an der Ecke Osterstraße/Grabenstraße wird hier weiter munter Richtung Innenstadt gefahren.
„Trotzdem habe ich schon das Gefühl, dass die Autos weniger werden", sagt Corinna Klassen von der Buchhandlung Maschke in der Osterstraße. Sie sieht den Verkehrsversuch durchweg positiv: „Denn sobald hier weniger Autos durchfahren, bleiben auch viel mehr Menschen vor meinem Schaufenster stehen", fügt sie an.
Rückmeldung
Das bestätigt auch Ingrid Mildner-Biesemeier vom Fachgeschäft Foto Biesemeier: „Wenn der Durchgangsverkehr eingedämmt würde, das wäre toll. Denn dann merkt man den Leuten sofort an, dass sie entspannter sind, eher in unser Schaufenster gucken und dann auch häufig in den Laden kommen. Die Menschen sind dann weniger gestresst", sagt sie. Positiv sieht sie darüber hinaus die Umverteilung der Taxis: „Jetzt stehen die Fahrzeuge da, wo sie gerade gebraucht werden und nicht alle an einem Fleck."
Das soll vor allem den Fußgängern und älteren Menschen zugute kommen. Doch tut es das auch? „Dass sich die Taxis aufteilen, ist an und für sich kein Problem. Es müssen nur weiterhin ausreichend Fahrzeuge am Salzhof stehen", meinen zwei Bad Salzuflerinnen, die namentlich nicht genannt werden möchten. „Gerade samstags kaufen viele Menschen in der Stadt oder auf dem Wochenmarkt ein. Dann könnte es am Salzhof knapp werden. Und mit meinem Rollator kann ich nicht alle Einkäufe überall hinbringen", sagt eine der älteren Damen. Beide sind sich einig: Dass die Autos aus der Innenstadt größtenteils verbannt werden, ist positiv – für ältere oder behinderte Menschen müsste aber gerade bei den Taxis nachgebessert werden.
Für Schuhmachermeister Marco Gräfe und seinen Laden in der Straße Am Markt ist es mit Nachbesserungen derweil nicht getan. Er stemmt sich vehement gegen der Verkehrsversuch: „Natürlich kann man die Auswirkungen jetzt noch nicht abschätzen. Aber ich rechne damit, dass es sich für uns negativ auswirken wird." Er bemängelt zudem, dass der Versuch nicht repräsentativ sei: „Schließlich findet er in der Urlaubszeit statt, und anstelle von Pollern und Barken lediglich mit Schildern zu arbeiten, macht wenig Sinn." Er hofft, dass nach dem Versuch wieder alles zum Alten zurückkehrt: „Die Anliegerregelung war gut. Würde man sie durch mehr Überwachung durch Polizei und Ordnungsamt ergänzen, wäre das meiner Meinung nach eine gute Lösung." Als Kompromiss könne er sich auch vorstellen, die Innenstadt erst ab den Abendstunden zu sperren. „Dann könnten auch die Gastronomen profitieren."
Dass alles nach dem Versuch wieder zurückgedreht wird, kann sich Lars Wolfmeier, Sachbearbeiter der Straßenverkehrsbehörde der Stadt, allerdings kaum vorstellen: „Fest steht: Der Durchgangsverkehr muss weniger und die Osterstraße entlastet werden." Ob eine Verkehrsberuhigung ausreicht oder doch eine Sperrung her muss, das werde der Versuch zeigen. „Es wird nicht einfach werden", sagt er.
Seiner Meinung nach kann der Versuch jetzt laufen – die Schilder stehen, auch wenn an einigen Stellen noch ein wenig nachgebessert werden muss. „Wir werden noch kleinere Änderungen im Taxiverkehr vornehmen und weitere Hinweisschilder aufstellen", sagt er. Er habe bislang viel positives Feedback erhalten, spüre aber auch Unsicherheit bei Autofahrern. „Das ist ganz normal – man muss sich erst an die neuen Regelungen gewöhnen." Dabei wird in den kommenden Monaten vor allem auf Kontrollen durch Polizei und Ordnungsamt gesetzt: „Künftig wird dann auch mit Bußgeldern geahndet werden", sagt Wolfmeier.
Das sagen die Radfahrer
Ein völlig neues Radfahrgefühl in der Stadt löst bei ihnen Freude aus: Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), die Wanderfreunde Bad Salzuflen und die Walkinggruppe des LC Bad Salzuflen haben gestern zu einer ersten Tour durch die Innenstadt eingeladen. Im vergangenen Februar hatten sie sich auf Initiative des ADFC an einer Unterschriftenaktion zur Öffnung der Innenstadt für Radfahrer beteiligt.

Mit rund 40 Teilnehmern ging es gestern vom Markt aus über die Steege, die Millau-Promenade, entlang der Bleich- und Parkstraße bis zur Bismarckstraße, durch die Brüderstraße und vom Herforder Tor wieder zurück zur Steege.
„Wir sind sehr zufrieden mit dieser vorübergehenden Regelung und hoffen, dass das neue Konzept auch langfristig Bestand hat", sagt Wolfgang Buschkamp, Sprecher der Ortsgruppe Bad Salzuflen im ADFC. Im März hatte er gemeinsam mit seinen Mitstreitern die Unterschriftenliste an Bürgermeister Dr. Roland Thomas übergeben. Knapp 300 Radfahrer hatten sich daran beteiligt. Jetzt freut sich die Gruppe, dass die Umwege zumindest vorerst ein Ende haben.
„Wir hoffen natürlich, dass auch nach Ende des Versuchs die Innenstadt für Radler geöffnet bleibt", sagt Buschkamp. Das könne allerdings nur funktionieren, wenn sich alle an die neuen Regelungen halten. Bislang mussten Räder durch weite Teile der Innenstadt geschoben werden. Während Autos derzeit also weitgehend verbannt werden, haben Radler nun freie Fahrt – allerdings gilt Schritttempo. Bis zum 30. September muss sich zeigen, ob sich Fußgänger und Radfahrer auf den Wegen in die Quere kommen oder ob das neue Konzept eine Zukunftschance hat.
Das sagen die Taxifahrer
Den Veränderungen kritisch gegenüber stehen Bad Salzufler Taxifahrer. Diese bekommen die Auswirkungen des Konzeptes „Autoarme Innenstadt" seit gestern unmittelbar zu spüren. Denn: Am Salzhof dürfen gleichzeitig nur noch maximal vier gelbe Wagen stehen – einer von jedem der vier Taxi-Unternehmen in der Kurstadt.

„Ich bin jetzt schon genervt", sagt Fahrer Hendrik Quent von der Firma Heidbreder. „Ständig muss man nun mit den Kollegen über Funk sprechen, ob am Salzhof schon jemand vom eigenen Unternehmen steht."
Nachdem bereits der Donnerstag als Markttag weggefallen ist, befürchte der Taxifahrer weitere Einbußen durch fehlende Einkaufsfahrten. Hinzu kämen zahlreiche Baustellen, die die jeweiligen Fahrten unnötig verlängern würden. „Oft ist es schwierig, den Fahrgästen dann zu erklären, warum die Fahrt plötzlich statt wie sonst 6,80 Euro plötzlich 12 Euro kostet", sagt Taxifahrer Quent.
Seiner Ansicht nach führe die neue Regelung dazu, dass ältere Menschen der Stadt künftig fern bleiben. Viele von ihnen seien Stammkunden eines Taxi-Unternehmens und müssten unnötig lange warten, bis das von ihnen bevorzugte Fahrzeug vor Ort sei. Schon vor Beginn des Versuchs seien viele Fahrgäste verunsichert gewesen.
Amran Khalaf vom Taxiunternehmen Hiltergerke schätzt die Situation ähnlich ein: „Wir befördern zu 90 Prozent ältere Menschen. Für die ist es schwierig, gerade nach dem Wochenmarkt ihre Einkäufe erst durch die halbe Stadt zu tragen." Der Salzhof sei ein wichtiger Haltepunkt, um genau solche Situationen zu vermeiden. Er sei gespannt, wie sich die Situation in den kommenden Wochen entwickelt, befürchte aber, dass die Fahrgäste zu den Stoßzeiten unnötige Wartezeiten oder längere Fußwege in Kauf nehmen müssten.