Tomatenwürfe auf Minister: Der lange Weg zur autofreien Innenstadt in Bad Salzuflen

Bad Salzuflen. Die Fußgängerzone wird 50 Jahre alt. Dass dort im Wesentlichen keine Autos mehr fahren (Ausnahmen gibt es bis heute), lieferte im Laufe der Entwicklung immer wieder Stoff für hitzige Auseinandersetzungen – bis hin zu Tomatenwürfen auf einen Politiker.

Die Geschichte der Fußgängerzone haben Dr. Stefan Wiesekopsieker, Vorsitzender des Heimat- und Verschönerungsvereins (HVV), und der ehemalige Technische Beigeordnete der Stadt, Dr. Karl Slawinski, nun in einer Broschüre für die Reihe &bdquo;Bad Salzufler Haus- und Hofgeschichten“ des HVV Bad Salzuflen aufgeschrieben.

Was heute nach mehr oder weniger entspannter Innenstadt klingt, war früher eine verkehrsgeplagte Kurstadt mit ambitionierten Umbauplänen: Bad Salzuflen hat einen bemerkenswert langen – und nicht immer geradlinigen – Weg hinter sich, um aus einer autogerechten eine autoreduzierte Innenstadt zu machen.

Die schönste Fußgängerzone &bdquo;Dem größten deutschen Heilbad daher auch die schönste Fußgängerzone!“ Diese Worte rief Bürgermeister Heinrich Welslau (SPD) 1975 aus, als er das symbolische Band zur Einweihung der Langen Straße als Fußgängerzone durchschnitt. &bdquo;Der Anlass war historisch: Bad Salzuflen gehörte zu den ersten Städten in der Bundesrepublik, die ihre Innenstadt für den Autoverkehr sperrten – und das mitten im Goldenen Zeitalter des Individualverkehrs“, sagt Stefan Wiesekopsieker.

Leicht war der Weg dahin nicht. Geschäftsleute fürchteten Umsatzeinbußen, Anwohner sahen sich von ihren Garagen abgeschnitten. Doch mit der Zeit wich der Protest einer gewissen Einsicht: Ruhiger, sauberer und bummelgeeigneter war es nun schon. Kur- und Einkaufsbetrieb rückten zusammen, das Stadtbild wurde aufgewertet.

Bauboom im 19. Jahrhundert Bereits im 19. Jahrhundert hatte Bad Salzuflen einen regelrechten Bauboom erlebt, befeuert vom Kurbetrieb und den 1850 gegründeten und schnell wachsenden Hoffmann’s Stärkefabriken. Zwischen Pensionsvillen, Pferdebahn und Postkartenidyll entstand nach und nach das Rückgrat der heutigen Innenstadt. Doch mit dem Wachstum kamen auch neue Probleme. Neben Typhus-Epidemien kollidierten chaotischer Verkehr und enge Altstadtgassen zunehmend mit den Ansprüchen an einen modernen Kurort, wie Karl Slawinski sagt.

In den 1970er-Jahren, nach der Gebietsreform, wurden neue Verkehrsachsen geplant, Parkhäuser gebaut und 1994 ein neues Stadtbussystem eingeführt. Der Durchgangsverkehr sollte raus aus dem Zentrum – zumindest theoretisch.

In den 1990er-Jahren sollte die Fußgängerzone dann erweitert werden. Die erste Sperrung 1994 scheiterte jedoch spektakulär: Es hagelte Proteste, &bdquo;Todesanzeigen“ in Schaufenstern und sogar Tomatenwürfe auf den damaligen NRW-Verkehrsminister Franz-Josef Kniola (SPD) beim Festakt für das neue Bussystem. Vom Tisch war das Thema aber nicht.

Konzept hat sich etabliert Ein erneuter Verkehrsversuch 2019 führte zum Durchbruch, auch wenn bei Weitem nicht alle Bad Salzufler mit der Lösung zufrieden waren. Vor allem Geschäftsleute befürchteten einen Umsatzrückgang aufgrund der wegfallenden Parkmöglichkeiten. Dennoch: Der Rat beschloss die Erweiterung der Fußgängerzone bis in die Osterstraße. Der Parkplatzsuchverkehr wird nun in drei Parkhäuser geleitet, Radfahrer, Taxis und Stadtbusse dürfen durch, alle anderen bleiben draußen.

Die neue Gestaltung – inklusive Geysirbrunnen, Wasserspielen und WLAN-Leuchten – komme im Großen und Ganzen gut an. Zwar gebe es noch immer Diskussionen über Lieferzeiten, parkende Fahrräder oder den Geysirbrunnen, doch insgesamt hat sich das Konzept etabliert.

Zu diesem Schluss kommen Wiesekopsieker und Slawinski. Die von Stadtwerken, Volksbank, Werbegemeinschaft, Kur- und Touristik e.V. und Gastronomen gesponserte Broschüre mit dem Titel &bdquo;Bad Salzuflen – der weite Weg vom autogerechten zum autoreduzierten historischen Stadtkern“ ist ab sofort in der Buchhandlung Maschke (Osterstraße 48) für 5 Euro erhältlich oder kann im Buchhandel bestellt werden.

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