Vor 75 Jahren beginnt in Salzuflen eine fast vergessene Ära

Bad Salzuflen . 1944 trifft eine Flugmine, die eigentlich dem Bad Salzufler Bahnhof gilt, ein Wohnhaus in der Weinbergstraße und zerstört es völlig. Ansonsten bleibt die Kurstadt während des gesamten Zweiten Weltkriegs weitestgehend von Zerstörungen verschont. Am 5. April 1945, am Sonntag vor 75 Jahren, endet für die daheimgebliebenen Bad Salzufler sowie Tausende Flüchtlinge und Verwundete in der Stadt das Kriegsgrauen. Amerikanische Truppen der 9. Armee marschieren von Herford kommend ein. Während es beispielsweise in Oerlinghausen noch heftige Kämpfe – teilweise von Haus zu Haus – gab, wird die damalige Lazarettstadt kampflos übergeben. Dafür sollte die Zeit der Besatzer in Bad Salzuflen lange dauern. Doch der Reihe nach.

Sperrzone: Die britische Besatzungszone umfasst nach Kriegsende den gesamten Nordwesten Deutschlands. Für die Verwaltung wird ein Netz aus Hauptquartieren eingerichtet – eines davon entsteht in Bad Salzuflen. Die Briten besetzen in der Stadt mehr als 320 Wohnhäuser, darunter viele Kurvillen, Pensionen und Hotels. Bis zu 4000 Menschen müssen ihre Wohnungen und Häuser Mitte Mai binnen kürzester Zeit verlassen, wie Franz Meyer, ehemaliger Stadtarchivar und VHS-Leiter, in dem Buch &bdquo;Bad Salzuflen – Epochen der Stadtgeschichte“ schreibt.

Vor dem Krieg war Bad Salzuflen mit rund 35.000 Gästen und bis zu 600.000 Übernachtungen im Jahr zu den führenden fünf Heilbädern in Deutschland aufgestiegen. Entsprechend attraktiv ist die Infrastruktur und die Lebensqualität hoch – was den Briten nicht entgangen ist. Diverse Gebiete, wie zum Beispiel der Kurpark und viele angrenzende Straßen, werden zur Sperrzone für die Bad Salzufler. Alle britischen Gebiete werden von einem drei Meter hohen Stacheldrahtzaun gesichert und können nur gegen Vorlage eines Passierscheins an einem der Checkpoints betreten werden. In der damaligen Kurverwaltung (Am Schliepsteiner Tor 5) ist die Zentrale des Truppen-Hauptquartiers untergebracht, und im Hotel &bdquo;Luisenhof“, dem heutigen Hauptsitz der Maritim-Hotelgruppe an der Herforder Straße, befindet sich die Offiziersmesse. Laut Historiker Dr. Stefan Wiesekopsieker wird in der Villa Dürkopp am Obernberg ein Kasino eingerichtet. Der Kurbetrieb ist eingestellt. &bdquo;Im Kurpark steht der Fuhrpark der Briten, der dort auch repariert wird“, so Stadtarchivar Arnold Beuke. Im Kurhaus selbst richtet sich die Verwaltung des Hauptquartiers ein.

&bdquo;Aus“ für die Saline: Die Briten sind es auch, die ein wichtiges Kapitel der Stadtgeschichte für immer schließen. Die seit dem 11. Jahrhundert nachweisbare Salzgewinnung über eine Saline wird im Sommer 1945 eingestellt. &bdquo;Die beiden Siedepfannen wurden zerlegt und als Altmetall nach Großbritannien abtransportiert“, so Franz Meyer.

Sieg für die CDU: Die erst Sieg für die CDU: e freie Kommunalwahl nach dem Krieg findet am 15. September 1946 statt. In der Zwischenzeit hatten &bdquo;Übergangsbürgermeister“ und politische Ausschüsse unter Regie der Briten Entscheidungen getroffen. Den ersten Salzufler Rat bilden CDU (15 Vertreter), SPD (5) und KPD (1). Der ab März 1945 ausgesetzte Schulbetrieb startet laut Meyer erst im darauf folgenden Dezember.

Kometenhafter Aufstieg : Der Kurb etrieb in der Salzestadt wird 1947 nach zwei Jahren Pause langsam wieder aufgenommen. Doch danach sollte sich das Staatsbad rasant entwickeln. Bis zum absoluten Höhepunkt 1972, als mehr als 72.000 Kurgäste und 1,86 Millionen Übernachtungen in Salzuflen gezählt werden. Zum Vergleich: Heute sind es 850.000 Übernachtungen im Jahr.

Ende der Besatzungszeit: Die britischen Truppen ziehen sich in den 1950er Jahren Zug um Zug aus Bad Salzuflen zurück. Doch sollte es insgesamt an die zehn Jahre dauern, bis das letzte beschlagnahmte Gebäude wieder frei gegeben wird. In den 1960er Jahren baut der Bund rund um die Königsberger Straße 58 Gebäude für Mitglieder der Britischen Armee, die in Herford stationiert sind. Dieses Kapitel endet 2015, als der letzte Soldat die Nachbarstadt verlässt.

Aufru f des Stadtarchivs: &bdquo;Die Zeit der britischen Besatzung, die nahezu zehn Jahre dauerte, ist ein kaum belegtes Kapitel der Stadtgeschichte. Daher sucht das Stadtarchiv Erinnerungsstücke und Fotomaterial aus Privatbesitz, das die britischen Soldaten und ihre Einrichtungen in Bad Salzuflen in den 1940er und 1950er Jahre zeigt“, sagt Archivar Arnold Beuke. Er hofft auf Z usendungen aus der Bevölkerung. Die Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg soll Teil der Stadtgeschichtlichen Dauerausstellung in der renovierten Wandelhalle werden. Die Schau soll 2021 eröffnet werden (wir berichteten). Wer Material hat, kann sich an die Telefonzentrale des Rathauses, Tel. (05222) 9520, oder an den Vorsitzenden des Heimat- und Verschönerungs vereins, Dr. Stefan Wie sekopsieker, Tel. (05222) 84280, wenden.

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