Interview: Marion Rieso-Wiege über den Ausbau der Kita-Plätze in Salzuflen

Bad Salzuflen. Der Stadt fehlen Kindergarten-Plätze. Um die Lage in den Griff zu bekommen, hat der Jugendhilfeausschuss (JHA) in seiner Sitzung am vergangenen Dienstag unter anderem beschlossen, neue Kitas in der Innenstadt, Werl-Aspe/Knetterheide und Wülfer-Bexten bauen zu lassen. Zudem soll es eine zweite Kita in Retzen geben. Allen Beschlüssen muss der Rat am Mittwoch allerdings noch zustimmen. JHA-Vorsitzende Marion Rieso-Wiege (SPD) spricht im Interview über Erfolge, Probleme und Wünsche in Bezug auf den Kita-Ausbau.

Frau Rieso-Wiege , der Stadt fehlen 400 Kita-Plätze, der Jugendhilfeausschuss hat nun den Bau von vier neuen Einrichtungen auf den Weg gebracht. Zusammen mit anderen Maßnahmen rechnet die Stadt mit 300 Plätzen, die perspektivisch geschaffen werden. Nach Adam Riese reicht das nicht...

Marion Rieso-Wiege : Diese Plätze stehen ja im Zusammenhang mit dem Masterplan Kita, im Zuge dessen wir auch bereits andere Maßnahmen beschlossen haben, wie zum Beispiel die Erweiterung der Kita Stietencronstraße. Zudem haben wir Initiativen von Investoren, die parallel laufen, so ist im Hoffmannspark eine Kita mit gut 70 Plätzen geplant. Wir hoffen also auf eine Entspannung der Situation. Der Weg ist aber nicht zu Ende.

Warum tut sich die Stadt so schwer, den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz zu erfüllen?

Rieso-Wiege : Seit 2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder, die unter drei Jahre alt sind. 2012 bis 2014 haben wir ein riesiges Ausbauprogramm gestartet. Da haben wir für 4,3 Millionen Euro 255 Plätze geschaffen. 2014/2015 hatten wir eine Bedarfsdeckung von 99,7 Prozent! Dann haben sich die demografischen Prognosen geändert. Bis dahin hieß es, dass Bad Salzuflen älter wird und die Kinderzahlen abnehmen. Dann hat sich eine völlig gegenteilige Entwicklung ergeben, auch durch den Zustrom von Flüchtlingen, der aufgefangen werden musste. Zudem hat sich aufgrund des Rechtsanspruchs die Verweildauer der Kinder in den Einrichtungen geändert. Früher blieb ein Kind maximal drei Jahre in der Kita, jetzt sind es im Schnitt fast fünf Jahre, die ein Kind betreut wird.

Sie haben den Masterplan Kita angesprochen, den der zuständige Fachdienst Jugend, Soziale Dienste, Schule und Sport entwickelt hat. Der wirkt an einigen Stellen ziemlich unausgereift. So sagte ein zufällig anwesender Mitarbeiter des Hochbauamts während einer Sitzung des JHA im vergangenen Jahr, dass sich im Boden einer geplanten Wald-Kita an der Richard-Wagner-Straße Altlasten befinden. Damit war die Idee vom Tisch. Haben Sie den Eindruck, dass alle Bereiche der Verwaltung dem Masterplan die nötige Aufmerksamkeit widmen?

Rieso-Wiege : Von einem Masterplan erwartet man schon, dass er ausschließlich Vorschläge enthält, die auch geprüft und damit umsetzbar sind. Auf der Grundlage treffen wir als Politiker ja unsere Entscheidungen. Es ist unbefriedigend, wenn es dann später heißt, es geht so doch nicht, weil man wieder zu anderen Prüfergebnissen gekommen ist. Da war die Ernsthaftigkeit noch nicht in allen Fachdiensten der Verwaltungen gegeben, um es mal so auszudrücken.

Wenn man den Begriff Masterplan wählt, wie die Verwaltung das getan hat, sollte sich dann nicht die Verwaltung als Ganzes deutlich dahinter stellen, mit dem Bürgermeister an der Spitze, der ja auch Mitglied ihrer Partei ist?

Rieso-Wiege : Der Masterplan ist auf Grundlage der Beschlüsse des JHA vom Bürgermeister angestoßen worden, und ich habe den Eindruck, dass er sich stark engagiert. Sonst wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. Allerdings passiert das in internen Gesprächen der Verwaltung. Gerade bei den jüngst verabschiedeten Maßnahmen wurde die gesamte Verwaltungsspitze beteiligt.

Die Piraten kritisieren im Hinblick auf Kita-Plätze eine &bdquo; Rumprüferei " der Verwaltung. Damit gemeint war wohl, dass die Politik die Informationen, die sie braucht, um Entscheidungen zu treffen, oft erst sehr spät und lückenhaft erhalte.

Rieso-Wiege : Ich glaube, dass es lange Zeit schwierig war, in der Gesamtverwaltung die Problematik so zu transportieren, wie sie sich darstellt. Ich würde aber sagen, inzwischen hat sich das geändert und wir sind auf einem recht guten Weg. Auch weil der Bürgermeister deutlich gemacht hat, dass Kita-Plätze oberste Priorität haben.

Man bekommt den Eindruck, dass aufgrund des Handlungsdrucks jetzt da Kitas gebaut werden, wo Platz ist und nicht unbedingt da, wo es am sinnvollsten wäre. Im vergleichsweise kleinen Retzen wird es demnächst möglicherweise acht Kita-Gruppen geben. Macht das Sinn?

Rieso-Wiege : Die oberste Priorität ist, dass wir Plätze haben. Als Jugendhilfeausschuss haben wir auch immer deutlich gemacht, dass wir die Plätze da haben wollen, wo auch Bedarf ist. Das ist an vielen Stellen auch weitestgehend gegeben. Aber es steht eben an zweiter Stelle. Allerdings können wir auch in Retzen den Bedarf mit einer Kita mit zwei Gruppen, wie wir sie bisher haben, nicht decken. Wir brauchen dort mindestens eine Vier-Gruppen-Einrichtung. Zurzeit expandiert der Ortsteil, und der Bedarf geht eher nach oben. Bei den anderen Standorten für die Neubauten wie in Werl-Aspe ist der Bedarf ja völlig unstrittig. Und das gilt auch für die übrigen Standorte.

Viele Retzener hätten sich gewünscht, dass die Idee, in der ehemaligen Grundschule eine Montessori-Schule einzurichten, ernsthaft geprüft wird. Stattdessen stimmte der JHA mehrheitlich dafür, das Gebäude dauerhaft als Kita zu nutzen. Die Herzen der Menschen in den Ortsteilen gewinnt man so nicht gerade – oder?

Rieso-Wiege : Es ist nicht Aufgabe des Jugendhilfeausschusses, über eine Schule zu entscheiden. Aber es ist ja deutlich geworden, dass eine Montessori-Schule ein tolle Sache sein kann. Da muss man vielleicht gucken, ob es andere Optionen für einen Standort in Retzen gibt.

Wenn Sie Wünsche in Bezug auf die Kita-Situation frei hätten, welche wären das?

Rieso-Wiege : (lacht) Ich würde mir wünschen, dass die Verfahren, bis eine Kita gebaut werden kann, nicht so lange dauern. Und ich wünsche mir Einigkeit in Politik und Verwaltung, um unsere Herausforderungen schnellstmöglich zu bewältigen.

Persönlich: Marion Rieso-Wiege (62) ist seit 16 Jahren Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses. Vor fast 30 Jahren trat die studierte Diplom-Soziologin in die SPD ein, für die sie als Fraktionsgeschäftsführerin der Ratsfraktion Bad Salzuflen arbeitet. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn. Sie reist gerne, unter anderem mit dem eigenen Bulli.

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