Kitas und Corona: Salzufler Eltern und Erzieher in der Zwickmühle

Bad Salzuflen. Schicke ich mein Kind in die Kita oder nicht? Diese Frage stellen sich gerade viele Eltern. Schließlich überlässt die Landesregierung im aktuellen Lockdown ihnen die Entscheidung, ob für die Kinder der Besuch des Kindertagesbetreuung unverzichtbar ist. &bdquo;Aber alle Eltern sind dringend aufgerufen, die Betreuung ihrer Kinder – wenn immer möglich – selbst sicherzustellen", heißt es auf der Internetseite des Landes. Doch fruchtet der Appell? Und wie gehen die Salzufler Kitas mit der aktuellen Situation um? Ein Überblick.

Pari Sozial: Gerade erst hat Ute Lemfeld, Koordinatorin für die Kitas bei der Pari Sozial, die fünf Kindertagesstätten in Bad Salzuflen betreibt, eine Bedarfsabfrage bis Mitte Februar bei den Eltern gemacht. Mit dem Ergebnis: Tendenz steigend. &bdquo;In einigen kleineren Einrichtungen sind aktuell wesentlich weniger Kinder da als gewöhnlich, vielleicht ein gutes Drittel." In größeren Einrichtung liege die Quote aber auch schon mal bei bis zu 50 Prozent. Und in den kommenden Wochen werde die Anzahl an Kindern in den Kitas noch einmal auf bis zu 80 Prozent steigen.

Eltern kommen an ihre Grenzen

&bdquo;Viele Eltern kommen inzwischen an ihre Grenzen, die Kinderkrankentage sind vielfach schon verbraucht – sie brauchen eine normale Betreuung", sagt sie. Zumindest personell sei man in den einzelnen Einrichtungen noch ganz gut ausgestattet. Dennoch: &bdquo;Die Belastung ist da." Denn die einzelnen Erzieher gingen ganz unterschiedlich mit der Situation um. &bdquo;Manche sind weniger ängstlich, andere haben aber durchaus Bedenken, sich selbst oder Angehörige, die zur Risikogruppe gehören, anzustecken." Da sei das Stimmungsbild recht gemischt.

Sicherlich gebe es Eltern, die ihre Kinder eigentlich auch zuhause betreuen könnten. &bdquo;Wir bohren da aber nicht weiter nach und müssen solch persönliche Gründe akzeptieren."

Man hoffe eben, dass die Eltern verantwortungsvoll handeln und den Appell der Regierung ernst nehmen. &bdquo;Aus virologischer Sicht wäre unser Wunsch, mehr Eltern würden ihre Kinder zuhause lassen. Aber gleichzeitig wird die Not der Familien nach fast einem Jahr Hin und Her deutlich. Und gerade kleine Kinder brauchen soziale Kontakte", sagt Ute Lemfeld. Dieser Spagat sei jeden Tag aufs Neue zu meistern.

Erzieher halten den Kontakt zu den Kindern zuhause Insgesamt hätte Lemfeld einen früheren und insgesamt härteren, damit aber auch kürzeren Lockdown – mit konkreten Vorgaben für Kitas – befürwortet. &bdquo;Aber jetzt gibt es kein Zurück. Wir müssen die Zähne zusammenbeißen und das Beste daraus machen", sagt sie.

Und das tut auch die Pari Sozial: Um den Kontakt zu denjenigen Familien zu halten, die ihre Kinder aktuell zuhause betreuen, nehmen die Erzieher schon mal kleine Videosequenzen mit Spiel- oder Basteltipps auf oder verschicken kleine Briefe. &bdquo;So sehen die Kinder die vertrauten Gesichter ihrer Erzieher und fühlen sich nicht so verloren." Die Reaktionen der Familien seien durchweg positiv. &bdquo;Sie freuen sich über die Anerkennung, dass sie ihre Kinder zuhause lassen, und dass sie dennoch nicht vergessen werden", weiß Ute Lemfeld.

AWO-Bezirksverband OWL: Acht Kitas sind in Bad Salzuflen in Trägerschaft der AWO, die Quote der anwesenden Kinder lag in den letzten Tagen bei rund 30 Prozent, sagt Pressesprecherin Christina Schulte. Eine Bewertung, ob die aktuelle Regelung so sinnvoll ist, will Christina Schulte nicht fällen. &bdquo;Die meisten Eltern sind verständnisvoll und versuchen, die Kinder zuhause zu lassen", sagt sie. Die Voraussetzungen seien aber auch in den jeweiligen Familien sehr unterschiedlich. Von den Erziehern in den Kitas würde sich manch einer aber schon mehr Schutz oder eine konkretere Regelung wünschen, das Gefühl bei der Tätigkeit einem höheren Risiko ausgesetzt zu sein, sei teilweise da. &bdquo;Ein großes Konfliktthema ist es aber nicht."

Christlicher Schulverein Lippe: In der Kita des Christlichen Schulvereins Lippe an der Bielefelder Straße wird aktuell gut ein Drittel der Kinder betreut. &bdquo;Die Eltern verstehen das Ganze als Notbetreuung, der Appell der Landesregierung stößt auf offene Ohren", sagt Einrichtungsleiterin Lydia Dück. Gerade am Anfang hätten die Eltern aber noch reichlich Gesprächsbedarf gehabt. &bdquo;Es gab viele Fragen, ob sie ihre Kinder nun bringen dürfen oder wie die Regelung gemeint ist." Im Frühjahr sei das Ganze durch die eindeutigere Regelung klarer gewesen. Sie könne die Eltern, die ihre Kinder nach wie vor in die Einrichtung brächten, durchaus verstehen. &bdquo;Wenn jemand für sich selbst den Bedarf feststellt, haben wir kein Recht, das zu beurteilen."

Redebedarf auch unter den Mitarbeitern Unter den Mitarbeitern werde viel über die aktuelle Situation gesprochen, das Thema Ansteckung schwinge bei der täglichen Arbeit natürlich immer mit. &bdquo;Enger Kontakt zu den Kinder lässt sich eben einfach nicht vermeiden", sagt Lydia Dück. &bdquo;Aber wir haben keine Wahl. Es ist unser Beruf, wir lieben ihn und alle Mitarbeiter stehen voll dahinter."

Sie und ihre Kollegen versuchten gerade vor den Kindern Zuversicht und Hoffnungs auszustrahlen – das würde sie sich auch von den Eltern wünschen. &bdquo;Wir müssen Ruhe bewahren. Denn Kinder spüren, wie wir mit der Situation umgehen und orientieren sich daran."

Täglicher Spagat für viele Eltern

Aus Elternsicht läuft es in den Salzufler Kitas aktuell relativ gut. &bdquo;Sowohl Eltern als auch Erzieher geben sich viel Mühe und versuchen alles, um gut mit der Pandemie umzugehen", sagt Nathalie Bungart vom Vorstand des Salzufler Kita-Elternbeirates (KERBS). Dennoch kämen alle langsam an ihre Grenzen. &bdquo;Je länger der Lockdown läuft, desto schwerer wird es für alle Beteiligten."

Für viele Eltern sei die aktuelle Regelung ein täglicher Spagat zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung. &bdquo;Die Nerven liegen teilweise blank", weiß Bungart. Sie könne Eltern, die ihre Kinder nach wie vor in die Kita schickten, daher durchaus verstehen. Schließlich fehlten auch den Kindern selbst die sozialen Kontakte.

Eltern wünschen sich Ausweitung der Betreuung Obwohl sich die meisten Eltern an den Appell des Landes hielten und ihre Kinder zuhause betreuten, gebe es aber Eltern, die von der Kita angesprochen würden, ob sie die Betreuung in der Einrichtung tatsächlich bräuchten. &bdquo;Das finden wir sehr schade, denn jedem Kind steht eine Betreuung zu."

Dass die Betreuung noch weiter heruntergefahren wird, dürfe auf keinen Fall passieren, sagt Nathalie Bungart. Vielmehr würde sie sich wünschen, dass sie – immer mit Blick auf die aktuelle Infektionslage – kontrolliert ausgeweitet würde. &bdquo;Zudem sollten Erzieher die Möglichkeit erhalten, sich zeitnah impfen zu lassen, wenn sie das möchten. Dann könnten viele von ihnen sicher auch entspannter arbeiten."

Erzieher wenden sich an Laschet Auch die katholischen Kitas im Erzbistum Paderborn beschäftigt die aktuelle Situation in der Corona-Krise. Die gewählten Mitarbeitervertretungen mit mehr als 6400 Mitarbeitern in 495 Einrichtungen haben sich daher mit einem Brief an NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet und Familienminister Dr. Joachim Stamp gewandt.

Die Arbeitsbedingungen in der Pandemie seien eine große Herausforderung, heißt es da. Zwar habe man umfangreiche Hygienekonzepte. Aber: &bdquo;Eine Betreuung mit Abstand und Maske ist nicht möglich: Kinder brauchen Körperkontakt, Nähe, wollen getröstet werden. Die psychische Belastung ist neben der Gesundheitsgefährdung sehr groß."

"Halbherziger Appell an die Erziehungsberechtigten" Der Notbetrieb im Frühjahr habe einen weitaus größeren Infektionsschutz für alle dargestellt, da es eindeutige und verbindliche Vorgaben von Seiten der Politik gegeben habe. Aktuell gebe es hingegen lediglich einen &bdquo;halbherzigen Appell an die Erziehungsberechtigten". Die dringend empfohlenen Kontaktbeschränkungen könnten so nicht eingehalten werden. Zudem sei damit auch der Schutz der Risikopersonen aus dem Blick geraten. &bdquo;Die enorme gesundheitliche Gefährdung der Erzieher in der Kinderbetreuung hat politisch und öffentlich viel zu wenig Aufmerksamkeit", heißt es weiter.

Konkret fordern die Antragssteller daher nun klare politische Vorgaben und Regeln für den Besuch einer Tageseinrichtung, eine verlässliche Teststrategie für Erzieher, Schutz für Risikopersonen sowie Lüftungsgeräte für die Einrichtungen. Und: Eine Änderung der Impfstrategie. &bdquo;Denn Erzieher sind die einzigen, die ohne Abstand und Maske arbeiten. Sie sollten daher auch früher geimpft werden", heißt es.

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