So unterstützt die Detmolder Tiertafel Bedürftige

Kreis Lippe. Alle zwei Wochen samstags öffnet sich in der Detmolder Innenstadt ein besonderes Tor – das Garagentor von Uwe vom Lehn. Dahinter verbirgt sich ein besonderer Schatz: Ein großer Vorrat an Hunde- und Katzenfutter, dazu ein bisschen Zubehör, Spielzeug und Leinen, Körbchen, Hundekissen und Katzenstreu. Utensilien, die der Wahl-Detmolder unmöglich alle selbst benötigen kann. Tut er auch nicht. Denn Uwe vom Lehn ist Lippes &bdquo;Mister Tiertafel".

Es ist ein regnerischer Samstagnachmittag. Aprilwetter im März. Gerade geht wieder ein kräftiger Schauer über der Detmolder Innenstadt runter. Jörg Räger und Kerstin Karbach legen einen Sprint von ihrem Auto zur Garage hin. Sie sind extra aus Brakelsiek gekommen, um Futter für ihre beiden Katzen zu abzuholen.

Von der Tiertafel, die vom Lehn zusammen mit seiner Frau und einigen weiteren Ehrenamtlichen 2018 gründete, haben die beiden zufällig erfahren – übers Internet. &bdquo;Das ist wirklich eine tolle Sache", sagt Räger. 35 bis 50 Euro im Monat, schätzen die beiden, können sie mit Hilfe der Spenden sparen. Und wenn es die Tiertafel nicht gäbe? &bdquo;Das würde uns finanziell sehr weh tun. Wir würden dann selbst verzichten, denn die Tiere kommen zuerst", sagt Räger.

Der 46-Jährige ist vor sieben Jahren von Köln nach Brakelsiek gezogen – der Liebe wegen. Kerstin Karbach wohnt schon mehr als ein Vierteljahrhundert in dem Dorf . Früher, erzählt sie, habe sie in der Altenpflege gearbeitet – doch jetzt seien Knie und Rücken kaputt, die 52-Jährige arbeitet nicht mehr. Und auch ihr Lebensgefährte, der auf dem Bau aushalf, ist dazu nach mehreren Bandscheibenvorfällen nicht mehr in der Lage.

Tiere kosten viel Geld Arbeitslosigkeit, Krankheit oder niedrige Rente: Die Versorgung ihrer Haustiere kann für Menschen in Notlagen schnell zu einem finanziellen Problem werden. Denn Tiere kosten viel Geld. Hundesteuer, Tierarztkosten, Futter – da kommt im Monat schon einiges zusammen. &bdquo;Manche überlegen in ihrer Not, ihr Tier abzugeben oder gar auszusetzen, wenn auch schweren Herzens. Ich möchte ihnen helfen, damit sie in ihrer schwierigen Situation nicht auch noch ihr Tier verlieren", erklärt vom Lehn, warum er die Tiertafel gegründet hat.

Tiere seien oftmals das einzige, was Menschen in Armut, einer einsamen Rentnerin oder einem Obdachlosen, geblieben sei. Und dann höre man immer diese Vorurteile: &bdquo;Der soll erst mal seinen Hund verkaufen, wenn er keine Kohle hat." &bdquo;Für ein ganzes Rudel Katzen reicht es ja scheinbar immer noch." Uwe vom Lehn kennt viele dieser Sprüche. Und er weiß auch: &bdquo;Wir könnten noch vielen Menschen helfen, aber die meisten sind zu stolz, hierher zu kommen, sie schämen sich." Das kann das Brakelsieker Paar nicht verstehen: &bdquo;Man sollte diese Hilfe ruhig annehmen, das ist doch toll", sagt Räger.

15 feste Kunden aus ganz Lippe hat die Tiertafel im Moment: &bdquo;In der Regel muss nur noch wenig zugekauft werden, das Futter reicht meist für zehn bis elf Tage", sagt vom Lehn. Die meisten Bedürftigen kommen aus Detmold. Viele hätten eben auch das Problem, nicht mobil zu sein. Eine Ehrenamtliche aus Bad Salzuflen versorgt deshalb einige Kunden im Raum Bad Salzuflen und Herford. Und wer, wie Kerstin Karbach und Jörg Räger, von weit her kommt, wird gleich für einen ganzen Monat mit Futter versorgt.

Viele Kunden sind nicht mobil Säckeweise Hunde- und Katzenfutter, Paletten mit Dosenfutter, aber auch Spezialfutter lagern in der Garage &bdquo; Auf den Bohnenkämpe". Die Spenden mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum oder 1B-Ware erhält die Tiertafel von Privatleuten, aber auch von Geschäften und Firmen wie dem Detmolder &bdquo;Fressnapf" oder Wesergold aus Rinteln. Die 15-Kilo-Säcke gibt Uwe vom Lehn weiter ans Salzufler Tierheim, denn die schweren Säcke können seine Kunden, die meist zu Fuß kommen, gar nicht transportieren.

Und das Tierheim revanchiert sich. Im Gegenzug gibt es zum Beispiel Katzen-Spezialnahrung an eine Tiertafel-Kundin aus Detmold: &bdquo;Ihre Katze Chiara ist an einem Nierentumor operiert worden. Wir haben im Internet zu Spenden für die OP aufgerufen und hatten schnell 400 Euro zusammen", berichtet der Detmolder.

Er ist gut vernetzt, man hilft sich in Tierschützerkreisen gegenseitig. Zum Beispiel mit einem riesigen Stapel Decken, Bettwäsche und Handtüchern, die eine Frau für ihre 22 Katzen abholt. &bdquo;Sie ist knapp bei Kasse, aber versorgt trotzdem alle Tiere auf ihrem Grundstück. Und die Leute wissen, dass sie ein Herz für Katzen hat und bringen ihr immer mehr."

Die Regenwolken sind weitergezogen, die Sonne kommt raus. Jörg Räger hält die große Tasche auf, Uwe vom Lehn füllt ein: Viele Dosen Nassfutter, Trockenfutter, Katzenmilch und zu guter Letzt noch das kleine Spielzeug – ein Bällchen an einer Angel –, mit dem der 46-Jährige schon bei der Ankunft geliebäugelt hatte. Währenddessen hat Kerstin Karbach Fotos von ihren beiden Lieblingen auf dem Handy gefunden: Bonny und Luna, die kleine schwarz-weiß, die große getigert. Die eine ist ihr zugelaufen, die andere hat sie aus dem Tierheim geholt – als die Zeiten finanziell noch besser waren.

&bdquo;Ganz schön wählerisch, die beiden", lacht Kerstin Karbach. Doch für die süßen Stubentiger lohnt sich die regelmäßige Fahrt nach Detmold – das Tiertafel-Sortiment kommt bestens an.

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