"Long Covid": Wenn der Körper im Dauerstreik ist

Bad Salzuflen. Man sieht die Krankheit nicht, aber man hört sie. Der Dauerhusten ist zum ständigen Begleiter geworden. Das Asthma-Spray auch.

Und die Angst vor der Atemnot, den Schwindelanfällen, den Wortfindungsstörungen oder den Blutdruckentgleisungen. Der Salzufler Carsten Arndt-Bökhaus leidet an &bdquo;Long Covid", den nicht enden wollenden Folgen einer Corona-Infektion.

Reha bringt keine Besserung

&bdquo;Ich bin jetzt im neunten Monat", sagt der 44-Jährige mit einem schiefen Grinsen. Seinen Humor hat er noch nicht verloren, auch wenn ihm schon lange nicht mehr zum Lachen zumute ist. Fast jeder Satz wird von einer Hustenattacke unterbrochen. Carsten Arndt-Bökhaus hält sich die linke Oberkörperhälfte, die Schmerzen sind ihm anzusehen. &bdquo;Seit 14 Tagen ist er aus einer vierwöchigen Reha zurück, wirklich verbessert hat sich sein Zustand nicht", beobachtet Ehemann Maik Bökhaus ihn mit besorgter Miene.

Jeder noch so kurze Weg gestaltet sich als große Herausforderung. &bdquo;Nur im Schnecken-Tempo schaffe ich es, einmal die Straße rauf zu gehen. Wenn überhaupt. Alleine traue ich mich gar nicht mehr vor die Tür." Carsten Arndt-Bökhaus ist frustriert, wenn sein Körper streikt. Und die Diagnose &bdquo;Long Covid" setzt ihm schwer zu. Verengung der Atemwege, ein angegriffenes Herz und miserable Blutwerte haben ihm die Ärzte bescheinigt. &bdquo;Dabei war das Coronavirus selbst gar nicht so schlimm", erinnert sich die Pflegefachkraft an die Vorweihnachtszeit im vergangenen Jahr, als er sich mit Covid-19 infiziert hatte.

Erst Verdacht auf Schlaganfall

Doch aus den erst leichten Erkältungssymptomen wurde drei Wochen später ein Notfalleinsatz. &bdquo;Der Anfangsverdacht lautete Schlaganfall, bis die Ärzte erkannten, dass es ,Long-Covid-Symptome sein könnten." Inzwischen kann Arndt-Bökhaus die Arztbesuche nicht mehr zählen, 19 verschiedene Medikamente wurden ihm verschrieben. Er wisse, dass die Forschung zu den möglichen Folgen von Corona-Erkrankungen noch in den Kinderschuhen stecke. &bdquo;Deshalb habe ich auch sofort zugesagt, als man mich gefragt hat, ob ich bei einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierten Studie mitmachen würde", erzählt er.

Der Wahl-Salzufler misst nun täglich mit zur Verfügung gestellten Geräten eigenständig Sauerstoff-Sättigung, Lungenvolumen, Blutdruck und Puls, um diese Daten per Handy-App an das &bdquo;Netzwerk Universitätsmedizin" zu übermitteln. Auch für den Hausarzt seien diese Werte enorm hilfreich. Zudem hat sich Carsten Arndt-Bökhaus einer Online-Selbsthilfegruppe angeschlossen. Der Austausch tue ihm gut. &bdquo;Es wird in der Öffentlichkeit noch viel zu wenig über Covid-Folgen und das Leiden der Betroffenen informiert." Er möchte seinen Teil dazu beitragen, dies zu ändern.

Sorge um die Existenz kommt dazu

Denn neben der Sorge um die eigene Gesundheit komme oft noch die um die Existenz hinzu. &bdquo;Ich habe beispielsweise seit Juli keine Gelder mehr bekommen, weil die bürokratischen Mühlen so langsam mahlen und das Ausfüllen und Bearbeiten von Unterlagen enorm aufwendig und zeitintensiv ist. Wenn man sich Gedanken darüber machen muss, wie lange das Ersparte reicht, um über die Runden zu kommen, ist das nicht gerade förderlich für den Gesundungsprozess, sondern belastet die Psyche zusätzlich."

Sprüche wie &bdquo;Stell Dich nicht so an, Du siehst doch gar nicht krank aus" bringen den 44-Jährigen zur Weißglut. &bdquo;Ich möchte so gerne wieder arbeiten gehen können. Aber ich brauche allein eine Stunde, um einen Abwasch zu erledigen. Wie soll ich da Patienten versorgen?" Aufgeben ist trotzdem keine Option für Arndt-Bökhaus. Auch wenn ihm derzeit schon beim kleinsten Hügel die Puste ausgeht, will sich der Wander-Fan mit regelmäßigen Atem- und Muskelaufbauübungen zurück ins normale Leben kämpfen.

&bdquo;Long Covid" kann auch junge, gesunde Menschen und Kinder treffen

&bdquo;Long Covid" ist ein Sammelbegriff für gesundheitliche Langzeitfolgen, die nach einer Covid-19-Erkrankung auftreten können. Der Begriff umfasst Symptome, die mehr als vier Wochen nach Beginn der Corona-Erkrankung fortbestehen oder neu auftreten und sich nicht durch eine PCR–bestätigte, anhaltende Infektion oder andere Erkrankungen erklären lassen. Menschen, die an &bdquo;Long Covid" leiden, sind nicht mehr ansteckend. Zu den gesundheitlichen Langzeitfolgen von Covid-19 zählen Beeinträchtigungen der körperlichen und psychischen Gesundheit sowie Einschränkungen in der Funktionsfähigkeit und Lebensqualität.

Die Symptome sind sehr unterschiedlich. Sie können einzeln oder in Kombination auftreten und unterschiedlich lange andauern. Eine einheitliche Definition des Krankheitsbildes &bdquo;Long Covid" gibt es bislang nicht. &bdquo;Long Covid" kann nicht nur Angehörige von Risikogruppen oder Patienten mit einem schweren Corona-Verlauf treffen.

Auch junge, gesunde Menschen – Kinder eingeschlossen – mit einem milden Verlauf können nach überstandener Infektion plötzlich von teils schwerwiegenden Symptomen betroffen sein.

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