Patientin schildert Aufenthalt im Ameos-Klinikum: „Ich würde woanders unterkommen wollen“

Bad Salzuflen. Bereits zum zehnten Mal hatte die Gewerkschaft Verdi in dieser Woche zum Warnstreik aufgerufen: Die Beschäftigten des Ameos-Klinikums an der Waldstraße – der früheren Lippischen Nervenklinik (LNK) Dr. Spernau – wollen die Geschäftsführung des Klinikums dazu bewegen, sich auf einen einheitlichen Tarifvertrag für die gesamte Belegschaft einzulassen. Bislang ohne Erfolg.

Mitarbeiter des Klinikums schilderten bereits häufiger die Situation an ihrem Arbeitsplatz. Aber wie ist die Lage für die Patienten? Die Redaktion hat mit einer ehemaligen Patientin sprechen können, die nach eigenen Angaben erst kürzlich stationär und danach in der Tagesklinik des Klinikums behandelt wurde. Sie möchte anonym bleiben, soll hier Sonja heißen und will von ihrem Aufenthalt erzählen.

Es ist ein paar Wochen her, da geht für Sonja einfach gar nichts mehr. Diagnose: Burnout. Sie entschließt sich, sich stationär aufnehmen zu lassen. In der Klinik an der Waldstraße angekommen, liegt sie zunächst allein auf einem Zimmer, wenig später ist man zu dritt, erzählt sie. Sonja ist überfordert – muss nicht nur mit ihren eigenen Problemen klar kommen, sondern auch mit denen der anderen. Dazu die ständige Rücksichtnahme. Sie hätte sich mehr Privatsphäre gewünscht. &bdquo;Ich habe mich untergeordnet. Aber es war sehr schwierig, man hat alles mitbekommen“, sagt Sonja. Sie habe sich gar nicht wohl gefühlt.

Wunsch nach mehr Flexibilität Auch mit dem Psychologen, der ihr zugeteilt wird, stimmt die Chemie nicht. Sonja wünscht sich einen Wechsel, wird tagelang vertröstet. Sie könne in der Zwischenzeit ja auch mit einer Schwester sprechen, soll es geheißen haben. &bdquo;Aber ihr gegenüber konnte ich mich gar nicht so öffnen“, sagt sie. Auf ihren Wunsch sei nicht eingegangen worden, erst nach drei Tagen erhält Sonja einen Gesprächstermin bei einer anderen Psychologin, fasst endlich Vertrauen. Bis dahin ist viel Zeit ins Land gezogen. &bdquo;Ich hätte mir mehr Flexibilität gewünscht und dass auf den Patienten eingegangen wird.“

Kaum Flexibilität habe es auch während der Streikphasen gegeben: Ergotherapie, Hirnleistungstraining, alles, was nicht von Externen angeboten wird, sei einfach ausgefallen. Alternativen gab es nicht. &bdquo;Viele Patienten wussten in der Zeit dann gar nichts mit sich anzufangen“, sagt Sonja. Den Wunsch der Belegschaft nach besserer Bezahlung könne sie durchaus nachvollziehen: &bdquo;Mehr Geld wäre richtig, das würde die Motivation erhöhen.“

Insgesamt sei die Situation auf Station durchaus schwierig gewesen, erzählt sie. Einige Einheiten seien zusammengelegt worden, teilweise Pfleger für mehrere Stationen gleichzeitig zuständig gewesen. &bdquo;Die Pfleger waren immer freundlich und haben sich Mühe gegeben, aber man hat ihnen angemerkt, dass sie gestresst sind“, erzählt Sonja.

Vor allem nachts seien die Stationen häufig unterbesetzt gewesen, manchmal sei gar kein Pfleger vor Ort gewesen. &bdquo;Dann hing ein Zetteln am Schwesternzimmer, wir sollten den roten Knopf drücken, wenn es eilig wäre“, erzählt sie. Patienten, die etwas fitter gewesen seien, hätten sich ihre Medikamente auf einer anderen Station holen müssen. Manche hätten das nicht gepackt.

Lieferdienst statt Versorgung vor Ort Nach fünf Wochen auf Station wechselt Sonja in die Tagesklinik, hier fühlt sie sich deutlich wohler. &bdquo;Wir waren weniger Patienten und die Versorgung war besser, es wurde sofort auf uns eingegangen“, sagt sie. Langsam geht es für sie auch gesundheitlich aufwärts. Eines hat sich jedoch nicht geändert: das Essen. &bdquo;Es wird tiefgekühlt aus Osnabrück angeliefert und hier aufgewärmt“, sagt Sonja. Nudeln und Reis pampig, Soßen zerkocht – viele hätten sich da lieber etwas vom Lieferdienst bestellt, zumal man oft nicht satt geworden sei. &bdquo;Nachschlag gibt es nicht, es ist genau abgezählt“, sagt Sonja. Gleiches galt für Kaffee in der Tagesklinik: Fünf Kannen standen bereit. &bdquo;Mehr gab es nicht. Wir hätten uns dann selbst Kaffee mitbringen können.“

Zur beschriebenen Essensrationierung äußert sich das Ameos-Klinikum auf Nachfrage nicht, wohl aber zum Essensangebot, das nun mal unterschiedlich aufgefasst werde. &bdquo;Wichtig ist, dass es schmeckt, und Geschmäcker sind nun mal verschieden“, sagt Pressesprecherin Verena Mack.

Bei der Zimmerbelegung sei es so, dass normalerweise Ein- und Zwei-Bett-Zimmer belegt werden, Drei-Bett-Zimmer seien die Ausnahme, wenn es aus Kapazitätsgründen nicht anders machbar sei. Zudem könne eine Zimmergemeinschaft &bdquo;therapeutisch durchaus sinnvoll sein“, betont Mack. Die Patienten könnten sich austauschen und gegenseitig unterstützen. Bei der Zimmerbelegung werde darauf geachtet, dass die Patienten möglichst vom Krankheitsbild zueinander passten. &bdquo;Wenn sich herausstellt, dass es gar nicht passt und wir freie Kapazitäten haben sowie der Wechsel des Zimmers mit dem zuständigen Personal besprochen worden ist, ist ein Zimmerwechsel möglich“, so Mack. Wichtig sei, dass die betroffene Person diesen Wunsch offen kommuniziere.

Therapeutenwechsel könne kontraproduktiv sein Die Besetzung der Stationen sei gesetzlich geregelt, und diesen Mindestpersonalgrenzen werde auch nachgekommen. Krankheitsbedingte Engpässe, etwa durch Corona, würden bestmöglich kompensiert. &bdquo;Dass das Personal auf mehreren Stationen tätig sein kann, ist in allen deutschen Kliniken gelebte Praxis.“

Zum Stichwort Therapeutenwechsel teilt Mack mit, dass ein sofortiger Wechsel sogar kontraproduktiv sein könne. Es sei sinnvoll, dass sich die Behandler die nötige Zeit nehmen, ihre Patienten kennenzulernen. Wünsche der Patienten nach einem Behandlerwechsel würden sehr sorgfältig gemeinsam abgewogen. &bdquo;Unsere Therapeuten und Psychologen sind zudem nach Spezialisierung eingeteilt, damit wir hier eine optimale Behandlung sicherstellen können.“

Insgesamt sei das Thema Personalsuche und Fachkräftemangel &bdquo;eine der größten Herausforderungen“, schreibt Mack. Die Gewinnung neuer Mitarbeiter sei daher ein Schwerpunkt der Klinik. Mit Volker Zöbisch und Markus Schwarzmann habe man zwischenzeitlich einen neuen Ober- und einen neuen Chefarzt einstellen können. Zudem arbeite man gemeinsam mit dem Betriebsrat Optimierungspotenziale und Maßnahmenpläne aus.

Aus der Zusammenarbeit mit der Ameos-Klinik in Osnabrück entstünden weitere Synergien – etwa bei der personellen Unterstützung. &bdquo;Es gibt viele positive Entwicklungen und Neuerungen, und wir verspüren einen positiven Schwung“, sagt Mack. Zur Frage, wie es aus Klinik-Sicht um den von den Beschäftigten geforderten Tarifvertrag stehe, wollte sie sich mit Blick auf die laufenden Verhandlungen aber nicht äußern. Sonja geht es inzwischen etwas besser. Für den Fall, dass sie doch noch einmal stationär in eine Klinik muss, steht für sie aber fest: &bdquo;Ich würde woanders unterkommen wollen.“

Seit Januar laufen die Verhandlungen Die Beschäftigten des Ameos-Klinikums stünden &bdquo;mit dem Rücken zur Wand“ und müssten daher streiken, schreibt die Gewerkschaft Verdi in einer Mitteilung. Demnach biete der Konzern zwar Verhandlungen an, allerdings nur für einen Teil der gut 110 Beschäftigten. Auf eine &bdquo;Zwei-Klassen-Gesellschaft“ wolle man sich aber nicht einlassen. Gefordert wird ein Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVÖD), seit Januar wird verhandelt.

Hinweis der Redaktion: Wir haben den Text nachträglich redaktionell angepasst.

Patientin schildert Aufenthalt im Ameos-Klinikum: „Ich würde woanders unterkommen wollen“

AMEOS Klinikum führt Springerpool ein

So arbeitet die Jugendpsychiatrie in Bad Salzuflen mit der Jugendhilfe zusammen

Klinikreform: Das erste Krankenhaus unterliegt vor Gericht dem Land NRW

18 Millionen Förderung: Kinder- und Jugendpsychiatrie Lippe bekommt 32 Betten mehr

Kassenpatienten im Kreis Lippe bekommen bald schneller einen Facharzttermin

Wie Künstliche Intelligenz am Klinikum Lippe Leben retten kann

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €