Bad Salzuflen. Seit gut zwei Jahren läuft der sogenannte „Planungsdialog“ für eine schnellere ICE-Verbindung zwischen Bielefeld und Hannover. Doch seit Ende Januar herrscht absolute Funkstille. Nachdem Bahn-Vertreter bekannt gegeben haben, dass sie nur mit der Vorgabe einer Fahrtzeit von 31 Minuten planen (wir berichteten), kochen die Emotionen insbesondere bei den beteiligten Bürgerinitiativen und anderen Verbänden wie beispielsweise aus Umwelt- und Naturschutz oder der Landwirtschaft hoch.
Die letzte sogenannte „Plenumssitzung“ endete mit einem Eklat: Zahlreiche Vertreter erklärten ihren sofortigen Austritt aus dem Dialog. Ihre zentrale Forderung: Das „Dogma 31 Minuten“ müsse vom Tisch, damit nicht nur eine Neubautrasse zwischen Bielefeld und Hannover in Frage kommt. Die Bahn wiederum verweist auf Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums. Wörtlich heißt es im Protokoll der jüngsten Plenumssitzung: „Eine Zielfahrzeit von 31 Minuten und eine Trassierungsgeschwindigkeit von 300 km/h stellen verbindliche Planungsprämissen für das Projekt dar. Die DB kann in der Planung daher solche Korridore nicht weiter berücksichtigen, in denen diese Prämissen nicht erreichbar sind.“
„Radikale Vorfestlegung“
Mit einer derartigen Vorgabe will sich auch die heimische Bürgerinitiative „WiduLand“ (rund 2200 Mitglieder) nicht zufrieden geben: „Der Bürgerdialog kann nur ohne die radikale Vorfestlegung auf 31 Minuten Fahrtzeit zwischen Hannover und Bielefeld fortgesetzt werden, in der die Bürgerinnen und Bürger, Verbände und Kommunen ehrlich und gleichwertig mit einbezogen werden und nicht nur informiert und hingehalten werden“, wird Jens Köster, Vorsitzender von „WiduLand“ in einer Pressemitteilung zitiert.
Weitere Forderungen seien eine Beteiligung des Bundesverkehrsministeriums als Auftraggeber, hinter dem sich die DB Netz AG mit ihren Argumenten verstecke – und zwar explizit die Anwesenheit von mindestens dem zuständigen Staatssekretär Michael Theurer oder Verkehrsminister Volker Wissing (beide FDP) selbst, so Köster weiter. Dies soll bei einer Hybrid-Veranstaltung, die für die große Anzahl der interessierten Menschen der Region ausgelegt sein müsse, geschehen.
„Man könnte schon den Verdacht haben, dass die Menschen trotz Online-Streaming nicht teilnehmen sollten. Die Qualität des Live-Streamings zum jüngsten Plenum war eines milliardenschweren Weltkonzerns unwürdig“, zeigt sich Köster konsterniert.
Erste Zusage der Bahn
Zumindest die große Infoveranstaltung ist seitens der Bahn bereits zugesagt. „Die Deutsche Bahn plant auf Basis des Bundesverkehrswegeplans und den Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums. Sie sagt zu, das Ministerium zur kommenden Sitzung einzuladen und diese als Hybrid-Sitzung im Projektraum durchzuführen“, heißt es auf der Homepage des ICE-Projekts Hannover-Bielefeld. „WiduLand“ fordert wie viele andere beteiligten Verbände die Wiederaufnahme und ernsthafte, ergebnisoffene Prüfung der Alternativen des Ausbaus im Bestand sowie eine Überarbeitung des Deutschlandtakts.
Unterdessen lädt der Radiosender WDR 5 zu einem „Stadtgespräch“ über das Milliardenprojekt der Bahn am Donnerstag, 9. Februar, von 20 bis 21 Uhr in die Kulturfabrik Vlotho, Lange Straße 53, in der Nachbarstadt ein. Der Eintritt ist gratis und ab 19.30 Uhr möglich, heißt es von Seiten von „WiduLand“.
Doch wie denkt die Politik in Berlin über das Projekt? „Das Für und Wider einer ICE-Neubautrasse geht quer durch alle Fraktionen, auch die der Ampelkoalition“, sagt Frank Schäffler. Der gebürtige Salzufler – „Ich habe in der Elkenbrede gewohnt“ – sitzt seit 2005 mit einer Unterbrechung für die FDP im Deutschen Bundestag. Er ist ein Gegner der Neubautrasse. „Unter anderem, weil sie nicht zu bezahlen ist und weil wir wichtige Verkehrsziele bis 2030 und nicht erst 2045 erreichen wollen und müssen“, sagt der Bünder.
Er weiß, wovon er redet. Ist er doch FDP-Sprecher für die Investitionen in Verkehr und Digitalisierung im einflussreichen Haushaltsausschuss des Bundestags. „Im Verkehrswesen haben wir viele wichtige Milliardenprojekte vor der Brust. Zum Beispiel die Sanierung von Autobahnbrücken oder die Digitalisierung der Schiene. Außerdem haben wir bereits eine Riesenaufgabe vor uns, wenn wir die bestehenden Bahntrassen sanieren und für die Zukunft ertüchtigen wollen.“ Schäffler will bei seinem Parteifreund und Verkehrsminister Volker Wissing weiter versuchen, Einfluss zu nehmen. „Noch hilfreicher wäre es allerdings, wenn sich alle Bundestagsabgeordneten der Region, zumindest die der Regierungskoalition, gemeinsam gegen die Neubautrasse aussprechen würden. Das ist bisher aber nicht geschehen“, sagt Schäffler.
Er geht im Übrigen davon aus, dass der Beschluss über die ICE-Strecke Bielefeld-Hannover nicht mehr in der aktuellen Legislaturperiode getroffen wird. Wohl aber könnte der Bundestag bis 2025 beschließen, ob die Entscheidung über die Trasse nach dem „Beschleunigungsgesetz“ für Großprojekte fällt. Wird die ICE-Trasse hier eingeordnet, wäre ihr Bau oder Nicht-Bau alleinige Sache des Bundestags. Eine Klage gegen die Entscheidung in Berlin wäre dann nur vor dem Bundesverfassungsgericht möglich.
Fällt die Strecke jedoch nicht unter das Beschleunigungsgesetz, unterliegt die Linienbestimmung einem „normalen“ Planfeststellungsverfahren mit weitaus mehr Mitsprachemöglichkeit zum Beispiel der betroffenen Kommunen und niederschwelligeren Klagewegen.