Seniorin aus Lippe (81) hilft Grundschülern - weil sie es kann und Spaß daran hat

Kreis Lippe/Bad Salzuflen-Wüsten. Es schellt zum Unterricht an der Grundschule Wüsten, und Gertrud Oberndorfer macht sich auf, um einen ihrer Schützlinge aus seiner Klasse abzuholen. Denn die 81-Jährige ist ein &bdquo;Smiley“. Nicht nur, weil sie ein sympathisches Lächeln hat. Sie ist eine von derzeit 20 Ehrenamtlichen im Kreis Lippe, die Kinder mit Förderbedarf in den Grundschulen unterstützen - während der Schulzeit. Und dass Gertrud Oberndorfer ihre Aufgabe Spaß macht, wird schnell deutlich. Doch auch die Kinder machen gern mit.

Und schon ist Gertrud Oberndorfer zurück, an ihrer Seite ein Erstklässler. Ein wenig schüchtern betritt er den Raum, in dem auch die Reporterin sitzt. Kein Wunder, sind hier doch sonst nur er und seine Nachhilfelehrerin oder auch andere Schüler. Doch heute darf die LZ zuhören. Die Reporterin stellt sich dem Jungen vor, er ringt sich ein Lächeln ab und setzt sich neben Gertrud Oberndorfer an den kleinen Vierer-Gruppentisch in der Mitte des kleinen Raumes, ein Aufgabenbuch in der Hand. Und schon geht es los.

Kreide oder Radiergummi? Der Junge, der aus Bulgarien kommt, konnte wenig Deutsch, als er in die Schule kam, wird Schulleiterin Ursula Westphal-Niebur später erzählen. Er hat einen hörbaren Akzent, wenn er spricht, doch seine Fortschritte seien enorm. Eine der heutigen Aufgaben: Sätze lesen und entscheiden, welches Wort an einer Stelle das Richtige ist. Schreibt die Lehrerin mit Kreide oder einem Radiergummi an die Tafel? Der Erstklässler liest beides und entscheidet sich für die Kreide. &bdquo;Das macht er mittlerweile ganz selbstständig“, erzählt die Ehrenamtlerin später. Bei vielen Kindern und gerade am Anfang müsse sie häufig nachfragen und viel Geduld beweisen. Doch der kleine bulgarische Junge habe sich toll entwickelt, sagt sie stolz und lächelt.

Ja, Geduld sei eine Grundvoraussetzung für diese Aufgabe. Und die habe sie nicht immer gehabt. &bdquo;Früher war ich häufiger mal unter der Decke“, sie lacht. Doch dann habe sie Golf und Tennis lernen wollen. Und von ihren Trainern die Sache mit der Geduld gelernt. So wird die ehemalige Chefsekretärin auch nicht müde, immer wieder auf die Endungen der Worte hinzuweisen. &bdquo;EinER“, &bdquo;sinkEN“. Zwischendurch stellt Gertrud Oberndorfer immer wieder Verständnisfragen: &bdquo;Hast du schon mal gesehen, wie das Meerwasser bei Ebbe sinkt?“ Der Junge bejaht und lacht.

Plötzlich geht die Tür auf - und der nächste Schüler steht im Raum. Leider zu früh. &bdquo;Noch eine Viertelstunde etwa, ich hole dich dann, okay?“ &bdquo;Also in 15 Minuten“, schlussfolgert der Viertklässler. &bdquo;Okay.“ Die Tür fällt ins Schloss. Der lesende Erstklässler hat sich derweil nicht beirren lassen und liest weiter laut aus seinem Arbeitsbuch vor.

Erzählen und scherzen muss auch sein Dann ist die Zeit rum, der Junge lächelt, sagt &bdquo;Tschüss“ und geht mit Gertrud Oberndorfer zurück in seine Klasse. Sie kommt mit dem Viertklässler von eben wieder. Auch ihm stellt sich die Zuhörerin vor und bekommt ein schüchternes Lächeln. Er geht zum Wandschrank und holt zwei Bücher heraus: &bdquo;Die drei ??? und das Geisterschiff“, das Buch hat er sich selbst ausgesucht, erzählt er später. Und auch, dass die Buchrücken der Reihe nebeneinander gestellt ein Bild ergeben.

&bdquo;Wo waren wir stehengeblieben?“, fragt die 81-Jährige. Der Junge zeigt es ihr und liest los. Etwas stockend, aber akzentfrei. Denn über das &bdquo;SmiLe“-Programm werden Kinder mit Bedarf gefördert. Vornehmlich mit Migrationshintergrund, aber eben nicht nur. So wie dieser.

&bdquo;Dieser war vollgestellt mit gläsernen Vitrinen“, liest der Junge und fragt im gleichen Atemzug: &bdquo;Was sind Vitrinen?“ Gertrud Oberndorfer erklärt es und der pfiffige Junge erkennt: &bdquo;Dann ist das sowas, wo meine Pokale drinstehen.“ Und er beginnt ein wenig zu erzählen, taut trotz Anwesenheit einer Fremden auf. Eins ist klar: Das Verhältnis zwischen ihm und seiner Nachhilfelehrerin ist richtig gut. Er erzählt und sie scherzen und lachen gemeinsam.

Mehr als bloße Leseförderung Dann geht es zurück an die Arbeit, weiter lesen von Schiffsmodellen und Ozeandampfern. Wieder entsteht ein Gespräch zwischen den beiden. Und es wird deutlich: Hier findet nicht nur Leseförderung statt, sondern viel mehr. Sozialkompetenz, Allgemeinbildung, Stärkung des Selbstbewusstseins.

Es klingelt, der Förderunterricht ist vorbei. Die Bücher kommen zurück in den Schrank. Dass das Programm wirkt, zeige sich auch in den Noten der Schüler: &bdquo;Der Viertklässler hat dank Frau Oberndorfer im letzten Deutschtest mit zwei abgeschlossen“, berichtet die Schulleiterin später. Zur Freude beider. Denn dass die 81-Jährige diese Aufgabe sehr gern wahrnimmt, verrät ihr Lächeln bei dieser Nachricht, sowie ihr Umgang mit den Kids. Was ihr besonderen Spaß an dem Unterricht macht? &bdquo;Alles, egal was“, antwortet sie prompt und lacht.

Das ist &bdquo;SmiLe“ Die Sprachbildung mit individuellem Lernerfolg - kurz &bdquo;SmiLe“ - ist ein Projekt des Kommunalen Integrationszentrums (KI) des Kreis Lippe. Kinder mit Bedarf bekommen während der Schulzeit in der Schule durch einen Ehrenamtler Förderung beim Lesen oder Rechnen, es ist aber laut des KI auch Raum zum Basteln, Unterhalten oder ähnlichem.

Derzeit sind 15 Schulen und 20 Ehrenamtler im Kreis Lippe in dem Projekt dabei. Und es werden weitere Freiwillige gesucht. Voraussetzung: Gute Deutschkenntnisse und Freude am Umgang mit Kindern und Jugendlichen.

Interessierte melden sich bei Beate Becker, Tel. (05231) 621493, b.becker@kreis-lippe.de oder Claudia Kloock, Tel. (05231) 621492, c.kloock@kreis-lippe.de.

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