Bad Salzuflen. AfD-Ratsfrau Sabine Reinknecht ist in der konstituierenden Ratssitzung am Mittwoch zur dritten stellvertretenden Bürgermeisterin gewählt worden – auch, weil sie, wie berichtet, in der geheimen Listenwahl drei Stimmen mehr erhielt, als ihre 13-köpfige Fraktion Sitze hat. Die Liste drei gemeinsamen Kandidaten von CDU, SPD und Grünen kam auf 45 Stimmen, die aber im Verhältnis geteilt wurden und die Grünen-Kandidatin somit mit 15:16 Stimmen unterlag. „Ich empfinde diese Wahl als großen Vertrauensbeweis – nicht nur für mich persönlich, sondern für die AfD als demokratisch gewählte Kraft in unserer Stadt“, erklärte Reinknecht. „Ich werde dieses Amt mit Respekt, Verantwortungsbewusstsein und im Sinne aller Bürger unserer Stadt ausüben.“ Ein Blick auf ihr am Donnerstagmorgen öffentlich zugängliches Facebook-Profil weckt jedoch Zweifel an dieser Ankündigung. Dort finden sich neben harmlosen Witzen und Katzenbildern auch ein geteilter Beitrag, in dem unter dem Foto eines dunkelhäutigen Mannes von „eingewanderten ,Zuchtbullen“ die Rede ist. Foto mit Höcke Reinknecht fordert Wohnraum für „heimische“ Familien, teilt Inhalte des stramm rechten Influencers Tim Kellner und warnt vor angeblichen Schäden durch die Corona-Impfung. Zudem zeigt ihr Profil ein Foto mit Björn Höcke, der gerichtlich festgestellt als „Faschist“ bezeichnet werden darf und der für „Remigration“ wirbt. Reinknecht wird künftig – wie Sabine Mirbach (CDU) und Nicolai Trittin (SPD) – die Stadt nach außen vertreten und bei offiziellen Anlässen sprechen, möglicherweise bei Schulabschlussfeiern. Ermöglicht wurde ihre Wahl nicht nur durch drei zusätzliche Stimmen für die AfD, sondern auch durch sieben Nein-Stimmen und eine Enthaltung bei der Listenwahl, da diese Stimmen der Liste von Schwarz-Rot-Grün fehlten. Die Ergebnisse für den ersten und zweiten Stellvertreterposten wurden durch 1 beziehungsweise 2 geteilt. Das ergab für die Liste von CDU, SPD und Grüne ein Ergebnis von 45 beziehungsweise 22 Stimmen und damit eine Mehrheit gegenüber der AfD (16). Beim dritten Stellvertreterposten wurde die Liste mit den drei Kandidaten durch 3 geteilt. Die mit einer Kandidatin (Reinknecht) durch 1. Und das ergab eine Mehrheit von 16 zu 15 für die AfD-Liste. Ein Teil der Nein-Stimmen beziehungsweise die Enthaltung stammt von der vierköpfigen Fraktion der „Unabhängigen Salzufler Demokraten“ (USD), wie deren Vorsitzende Heike Görder auf Anfrage bestätigt: „Wir konnten nicht alle vorgeschlagenen Personalien mittragen. Wir haben niemanden aktiv gewählt, aber von unserem Stimmrecht Gebrauch gemacht und uns enthalten beziehungsweise mit Nein gestimmt.“ Allerdings waren nur drei der vier USD-Ratsmitglieder anwesend und damit stimmberechtigt. Acht Stimmen, die direkt oder indirekt auf das Konto der AfD einzahlten, kamen also von anderen Ratsmitgliedern. Entsetzen Vor der Sitzung waren sich Beobachter der Lokalpolitik sicher, dass ein stellvertretender Bürgermeister mit AfD-Parteibuch zu verhindern sei. Denn nach CDU (22 Sitze) und SPD (15 Sitze) ist die AfD zwar drittstärkste Kraft, doch CDU, SPD und Grüne (8 Sitze) hatten eine gemeinsame Liste aufgestellt. Sie sah auf Platz drei eine Vertreterin der Grünen vor. Aber nur 45 Ratsmitglieder stimmten dafür – rein rechnerisch die Summe der Ratsmitglieder der drei Fraktionen. CDU-Fraktionschef Volker Heuwinkel reagierte entsetzt: „Die Wahl von Frau Reinknecht zur stellvertretenden Bürgermeisterin ist eine Katastrophe. Wir hatten fest mit einer sicheren Mehrheit für die gemeinsame Liste gerechnet.“ Das Ergebnis zeige, dass es im Rat derzeit keine verlässlichen Mehrheiten gebe. „Jetzt müssen die demokratischen Fraktionen enger zusammenarbeiten und sich nicht auf Kosten anderer profilieren – sonst sehe ich die Zukunft düster.“ Auch SPD und Grüne äußerten sich enttäuscht. „Leider zeigt der gestrige Tag: Noch bevor der Rat richtig losgelegt hat, bröckelt die Verlässlichkeit“, sagte Wiebke Kopsieker, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Robin Meier, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD, erklärte: „Alle demokratischen Fraktionen hatten sich zuvor auf eine gemeinsame Liste geeinigt, um ein klares Zeichen für Zusammenhalt und gegen politische Spaltung zu setzen.“ Nun sei die demokratische Verlässlichkeit beschädigt. Einreißen der Brandmauer Ähnlich äußerte sich Kim Neef, Fraktionsvorsitzende der Linken (vier Sitze). Sie sprach vom verantwortungslosen „Einreißen der Brandmauer“. Ihre Partei habe geschlossen für die Liste von CDU, SPD und Grünen gestimmt. Die FDP (drei Sitze) kündigte an, künftig genau hinzuschauen, mit wem im Rat noch Gespräche oder Zusammenarbeit möglich sind – und kritisiert scharf Ratsmitglieder, die offenbar ohne Kenntnis des Wahlverfahrens oder direkt für die AfD gestimmt haben. Bürgermeister Dirk Tolkemitt fand seinerseits deutliche Worte: „Ich bin stinksauer. Der Stadtrat hat am Mittwoch bewiesen, dass er nicht verlässlich ist. Ich hätte nicht gedacht, dass es im Rat neben den AfD-Vertretern noch drei weitere Sympathisanten gibt, die aktiv für die AfD stimmen. Nicht besser sind die sieben, die mit Nein gestimmt haben, und die eine Enthaltung.“ Sein Fazit: „Damit haben sie aktiv dazu beigetragen, dass die AfD die Stellvertretung des Bürgermeisters übernimmt – ob aus Dummheit oder mit Absicht.“ Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Artikel aktualisiert, so um die Berechnung der Stimmen.