Als Pauline Alverdissen zurückkaufte

Barntrup-Alverdissen. Der Flecken Alverdissen ist so lippisch wie die Rose oder der Pickert. Daran besteht für die Alverdisser kein Zweifel – heute wie in der Vergangenheit. Und das, obwohl oder gerade weil Alverdissen längere Zeit offiziell gar nicht zu Lippe gehörte. Erst Fürstin Pauline holte das Dorf zurück.

Darauf weist der Alverdisser Heimatforscher Helmuth Welsch hin. Dieser Aspekt sei in den vergangenen Monaten etwas untergegangen, sagt der 93-Jährige. &bdquo;Ich habe allerhand über das Pauline-Jahr 2020“ – ihr 200. Todesjahr – &bdquo;gelesen, aber dieser Punkt kam in meinen Augen zu kurz.“

Zumal Alverdissen damit eine gewisse Sonderstellung in Lippe habe. Deshalb hat Welsch, ehemaliger Gemeindedirektor und Gründer des Alverdisser Heimatmuseums, diesen Teil der Geschichte im neuen Heft &bdquo;Fürstin Pauline beendet die Machtkämpfe um den Flecken Alverdissen“ aus der Reihe &bdquo;Heimatkundliche Hefte zur Alverdisser Geschichte“ beschrieben.

Kinder kennen Pauline

Eine Art Sonderstellung – und Anlass für ständige Streitereien zwischen den Fürstentümern Lippe und Schaumburg-Lippe. Denn Schaumburg-Lippe hatte längere Zeit bis 1812 das Sagen in Alverdissen – was in Detmold aber anders gesehen wurde. Die Auseinandersetzungen wurden teils mit Hilfe von Glockengeläut und aufmarschierenden Soldaten geführt. Am Ende löste Fürstin Pauline den Konflikt friedlich. Der entscheidende Faktor dabei waren nach Welschs Worten die Alverdisser: &bdquo;Die Einwohner fühlten sich zu allen Zeiten als Lipper und waren den Detmolder und nicht den Bückeburger Fürsten zugewandt.“

Pauline, die sich wegen sozialer Einrichtungen wie dem ersten Kindergarten hohes Ansehen erwarb, ist noch heute populär – auch in Alverdissen. So wurde eine Pauline-Puppe der Alverdisser Kita-Kinder in einem lippeweiten Wettbewerb auf den ersten Platz gewählt.

Alverdissen, 1151 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, gehörte zur Grafschaft Sternberg. Weil er keine Nachkommen hatte, verkaufte Graf Johann von Sternberg sein Herrschaftsgebiet 1377 an die Schaumburger – und damit auch Alverdissen. 1405 waren die Schaumburger knapp bei Kasse, liehen sich von den Lippern Geld und ließen ihnen die Grafschaft Sternberg als Pfand. Sie blieben zwar Eigentümer, aber damit, so Welsch, war die Grundlage des Streits der beiden Herrscherhäuser gelegt.

Detmold ist weit weg...

Die Alverdisser Sonderstellung ergab sich dann im Jahr 1652. Akteur war der lippische Graf Philipp, der von seinem Vater &bdquo;die Herrschaft Alverdissen“ geerbt hatte und später selbst Regent von Schaumburg-Lippe wurde. Welsch: &bdquo;Er war es, der Sternberg wieder an Lippe verkaufte – mit einer Ausnahme: Schloss und Flecken Alverdissen.“

In der Folge, so Welsch, &bdquo;gab es immer wieder Ärger“. So hielten sich die Alverdisser Herrscher, die im dortigen Schloss residierten, als Schaumburg-Lipper nicht an die Anweisung ihrer Verwandten in Detmold zur Dauer des Glockengeläuts nach einem Todesfall im lippischen Herrscherhaus. Sie erließen anders lautende Anweisungen. Als der Alverdisser Pastor sich daran nicht hielt, sondern an die Detmolder Vorgaben, handelte er sich viel Ärger ein.

Die Eskalation und die Lösung kam mit Pauline, die 1802 die Herrschaft für ihren kleinen Sohn Leopold II. antrat. Immer noch umstritten war, wer in Alverdissen das Sagen hatte. Damit verbunden war die Frage, wer denn Soldaten in Alverdissen ausheben durfte. Als das schaumburg-lippische Fürstentum sich 1811 daran machte, dies zu tun, hielt Detmold dagegen. Welsch: &bdquo;Fürstin Pauline empfahl den Alverdissern, den Aufruf nicht zu befolgen.“ Es begann ein Säbelrasseln der beiden Herrscherhäuser, in dessen Verlauf beide Seiten Soldaten Richtung Alverdissen sandten. Zum Glück gab es keine militärische Konfrontation. Pauline veranlasste im Folgejahr aber einen Huldigungsakt für ihre Person in Alverdissen. &bdquo;Das hätte sie in meinen Augen rechtlich nicht gedurft“, ordnet Welsch die Provokation ein. Schaumburg-Lippe verbat die Teilnahme, was Pauline und die Alverdisser offenbar nicht störte: Die Huldigung fand statt. &bdquo;Im Anschluss veranstalteten die Alverdisser noch ein kleines Volksfest“, sagt Welsch schmunzelnd.

Vielleicht trug dies dazu bei, dass auf schaumburg-lippischer Seite die Einsicht reifte: Es hat keinen Zweck mehr mit Alverdissen, die Bevölkerung ist fixiert auf Lippe. Es gab Verhandlungen mit Detmold, einen Kompromiss, und am Ende kaufte Pauline Alverdissen für 52.000 Reichstaler zurück.

Viel Geld löste den Streit der Herrscher

Es war Fürstin Pauline (1769 bis 1820), die die Konflikte um Alverdissen löste. Für 52.000 Reichstaler kaufte sie den Ort von Schaumburg-Lippe (siehe Text rechts). &bdquo;Seitdem sind die lippischen Rechte in Alverdissen geklärt“, sagt der Detmolder Historiker Roland Linde. 52.000 Reichstaler seien freilich eine erhebliche Summe gewesen. &bdquo;Das ist schon ordentlich. Pauline war es das offensichtlich wert.“

Nach Lindes Worten gab es den Streit zwischen Lippe und Schaumburg-Lippe, wer das Sagen hat im Ort, nicht nur in Alverdissen, sondern auch in Blomberg. Dort war es aber nicht Fürstin Pauline, die den Konflikt löste, denn dieser zog sich noch bis 1838 hin. So lange gehörte das Amt Blomberg zu Schaumburg-Lippe.

Derweil weist Roland Linde darauf hin, dass Alverdissen trotz des Schlosses nur relativ kurze Zeit eine Art Residenz war: Philipp-Ernst (1659 bis 1723) war demnach der einzige Herrscher, der in Alverdissen lebte. Er wurde dort auch beigesetzt – im Mausoleum an der Kirche, das noch heute zu besichtigen ist. Zuvor stand an der Stelle des Schlosses eine Burg, 1336 erstmals erwähnt. Die Burg ließen die Herrscher 1662 abreißen und das heutige Schloss bauen. Übrigens: Der Name Alverdissen geht zurück auf einen Alfward, der den Ort gegründet haben soll. &bdquo;Über Alfward ist zwar nichts weiter bekannt, er war aber wohl ein frühmittelalterlicher Grundherr“, erläutert Linde.

Museum geöffnet

Die nicht-lippische Episode Alverdissens sei vielen Menschen im Ort gar nicht bekannt, sagt Heimatforscher Welsch. Nun gibt es sie nachzulesen in Welschs neuem Heft, das im Heimatmuseum für 2,50 Euro zu haben ist.

Das Alverdisser Heimatmuseum, Vordere Straße 4, ist jeweils am ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr geöffnet, das nächste Mal am 1. August. Weitere Informationen unter www.heimatmuseum.alverdissen.net

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