Wie Leopold der erste und letzte Fürst Lippes aus dem Hause Biesterfeld wurde

Detmold. Es war ein Mittwoch, der 20. März 1895, als Fürst Woldemar zur Lippe nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb. Woldemar - Nachfolger seines Bruders Leopold III. - hatte als Monarch seit 1875 die Modernisierung Lippes zwar weitergeführt, doch für die Lipper selbst blieb er unnahbar. Sein plötzlicher Tod war umso bedeutsamer: Der folgende Thronfolgestreit bewegte Lippe zehn Jahre lang – und zeitweise sogar das gesamte Deutsche Reich.

Denn: Der letzte in der Thronfolge, sein jüngerer Bruder Alexander, befand sich aufgrund einer psychischen Krankheit seit 1872 in einer Nervenheilanstalt bei Bayreuth - und galt als nicht-regierungsfähig. Deshalb musste Woldemar für die Einsetzung eines Regenten sorgen.

&bdquo;Gegen die Grundsätze des Verfassungsstaates und ganz im Sinne des autokratischen Fürsten Woldemar wurde im Januar 1886 ein Geheimvertrag mit dem Hause Schaumburg-Lippe geschlossen“, erklärt der Historiker Stefan Wiesekopsieker vom Lippischen Heimatbund. Die Wahl war auf Adolf Wilhelm, jüngerer Bruder des seit 1893 regierenden Fürsten Georg zu Schaumburg-Lippe, gefallen. Allerdings: Fürst Woldemar hatte sich nicht gegen den Landtag durchsetzen können und so wollte er posthum diesen durch ein entsprechendes Testament vor vollendete Tatsachen stellen.

Bauern gegen Beamte Die Öffentlichkeit und auch die lippische Presse fühlten sich übertölpelt, nachdem die Regentschaft des Schaumburger Prinzen Adolf Wilhelm (zugleich Graf von Schwalenberg und Sternberg) nach Woldemars Tod verkündet worden war. Statt der regionalen Presse habe wohl zuerst die Norddeutsche Allgemeine Zeitung hiervon erfahren. Zudem verwiesen die Rheinisch-Westfälische Zeitung, die Lippische Post und die Lippische Landes-Zeitung auf die Tatsache, dass es mit den Linien Lippe-Biesterfeld und Lippe-Weißenfeld zwei weitere Thronanwärter gab: Sie hatten einen stärkeren Anspruch auf die Regentschaft als die Schaumburger beziehungsweise Bückeburger. In Woldemars Augen allerdings besaßen sie einen niedrigeren Adelsrang.

&bdquo;Der Thronfolgestreit bewegte Lippe – und zeitweise auch das gesamte Deutsche Reich – zwischen 1895 und 1905 aufs heftigste“, erläutert Wiesekopsieker. Dabei hätten beispielsweise Liberale und Bauern eher Ernst zur Lippe-Biesterfeld, Beamte und Geschäftswelt wohl Prinz Adolf unterstützt: &bdquo;Letztere erwarteten durch die Verbindung zum vermögenderen Schaumburg-Lippe und die Beziehung zum Kaiserhaus Vorteile für das immer noch rückständige Lippe.“

Schiedsgericht muss her Bereits im April 1895 berief Adolf den lippischen Landtag gleich mehrfach zusammen. &bdquo;Die Beratungen führten zu einem Kompromiss“, wie Wiesekopsieker sagt. Dieser legte fest, dass Prinz Alexander zur Lippe der Nachfolger seines Bruders und damit der neue Landesherr sei. &bdquo;Wegen dessen Regierungsunfähigkeit sollte Prinz Adolf die Regentschaft übernehmen, doch diese sollte nur bis zum Tode des neuen Fürsten beziehungsweise der Feststellung des nächstberechtigten Thronfolgers dauern.“ Eine heikle Frage, die auch die Ansprüche der anderen erbherrlichen Linien prüfen sollte, sollte vor dem Reichsgericht geklärt werden.

Das eingesetzte Schiedsgericht (unter der Leitung des sächsischen Königs Albert) entschied gegen Adolf zu Schaumburg-Lippe und zugunsten des Hauses Lippe-Biesterfeld. Im Juli 1897 hielt also Graf Ernst zur Lippe-Biesterfeld in Detmold seinen Einzug als neuer Regent. &bdquo;Die Bückeburger gaben sich jedoch keineswegs geschlagen.“

Der Kaiser mischt mit Prinz Adolf war nämlich seit 1890 mit Victoria, der jüngeren Schwester Kaiser Wilhelms II., verheiratet. Wilhelm machte undiplomatisch keinen Hehl aus seiner Unterstützung für den Schwager, wobei die lippische Presse zuvor noch auf eine vermittelnde Rolle des Kaisers im Konflikt gehofft hatte.

Wiesekopsieker erklärt zum Verhalten Wilhelms: &bdquo;Wenngleich dieser sich mit seiner Idee der Einsetzung eines Fürstengerichts zur Klärung der Thronfolgefrage nicht hatte durchsetzen können, machte er durch drei Telegramme auch nach der Entscheidung des Schiedsgerichts ganz deutlich, auf wessen Seite er stand.“

Im Jahr 1904 starb Graf Ernst zur Lippe-Biesterfeld - und der Anspruch seines Sohnes Leopold auf die lippische Regentschaft wurde sogleich infrage gestellt. Ein weiteres Schiedsgericht mit einer endgültigen Entscheidung musste her. &bdquo;Diese fiel am 25. Oktober 1905 zugunsten der Biesterfelder aus und verwarf alle Ansprüche der Bückeburger.“ So bestieg also Graf Leopold als Leopold IV. den lippischen Fürstenthron, der Lippische Erbfolgestreit endete. Leopold sollte zugleich der erste und letzte Fürst Lippes aus dem Hause Biesterfeld sein.

Presse in Lippe uneins Der Erbfolgestreit mag aus heutiger Sicht befremdlich erscheinen, er hatte auf die Zeitgenossen aber eine ähnliche Wirkung und schien aus der Zeit gefallen. Umso moderner wirkt die Rolle der Medien, wie Wiesekopsieker betont. Die deutsche Presse nämlich trat mehrheitlich für Graf Ernst zur Lippe-Biesterfeld ein, &bdquo;da man mit dem Recht des Schwächeren sympathisierte und dem von den Bückeburgern vorgetragenen Ebenbürtigkeitseinwand keine Bedeutung beimaß“. In Lippe selbst zeigte sich die Lippische Landes-Zeitung von Anfang an als Anhängerin der Biesterfelder, ihr gegenüber stand die 1896 zur Vertretung der Bückeburger Sache neu gegründete Lippische Tages-Zeitung.

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