Mahnende Zeitgeschichte: Stolperstein soll an verstoßene Blomberger Jüdin erinnern

Blomberg. Sie war die letzte Jüdin in Blomberg: Die Witwe Emma Lipper ist 70 Jahre alt, als sie Blomberg im April 1940 verlassen muss – auf Drängen des Bürgermeisters, der bereits im Juni 1939 an die Synagogen-Gemeinde in Detmold schreibt: &bdquo;Da nun Frau L. bereits im 70. Lebensjahr steht und immerhin damit gerechnet werden muss, dass sie über kurz oder lang allein ihren Haushalt nicht mehr besorgen kann, möchte ich bei Ihnen anregen, dafür Sorge zu tragen, dass Frau L. in einem jüdischen Altersheim Aufnahme findet."

Zehn Monate später ist klar: Emma Lipper zieht ins Israelitische Altersheim nach Unna. Von dort wird sie Ende Juli 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert. Am 23. September kommt sie ins Vernichtungslager Treblinka. Dort verliert sich ihre Spur, ihr Todesdatum und die genauen Umstände sind unbekannt.

Geboren in Horn

Sie war eine echte Lipperin : Am 14. Oktober 1869 wird Emma Examus in Horn geboren. Den zehn Jahre älteren Albert Lipper , geboren am 24. Juli 1859, heiratet Emma am 21. Februar 1906 in Horn. Sie leben in Blomberg am Langen Steinweg 24, bleiben kinderlos. Albert ist im Ersten Weltkrieg Soldat.

Die Lippers sind keine wohlhabenden Bürger, sie handeln mit Ziegen, kaufen sie auf, schlachten sie, verkaufen das Fleisch in Blomberg und Umgebung – mit einer Karre oder einem Weidenkorb ziehen sie herum, handeln auch mit anderen kleineren Waren, heißt es in einer Lebensgeschichte, die Mechthild Storkebaum , Mitglied im Stadtgeschichtlichen Arbeitskreis Blomberg, 1999 aufschrieb.

Als ihr Mann am 14. Februar 1932 stirbt, zieht die alleinstehende Witwe zur Miete an die Neue Torstraße 47. Fotos existieren von Emma Lipper nicht mehr – sie wurde aber, schreibt Mechthild Storkebaum , &bdquo;als mittelgroße schlanke Frau beschrieben, die stets dunkel gekleidet war. Sie war viel größer als ihr Mann und wurde von den Kindern wegen ihrer großen Füße gehänselt".

Zwangsweises Leben unter einem Dach

Eine damals zwölfjährige Zeitzeugin erinnert sich Storkebaum gegenüber an einen Vorfall aus dem Jahre 1935, bei dem eine Horde Hitlerjungen die Witwe Lipper so bedrängt haben soll, dass sie Zuflucht in der Bäckerei Dammann in der Neuen Torstraße suchte. Ab dem Frühjahr 1938 werden die Juden in so genannten Judenhäusern zwangsweise unter einem Dach untergebracht.

Nur gibt es zu diesem Zeitpunkt außer Emma Lipper keine weitere jüdische Familien mehr in Blomberg. Der Hauswirt möchte aufgrund der neuen Verordnung das Mietverhältnis lösen. Blombergs Bürgermeister wendet sich an die Synagogengemeinde in Detmold, um einen Umzug Emma Lippers ins jüdische Altersheim nach Unna zu erwirken – kostenneutral, versteht sich. Er schreibt am 10. Juni 1939: &bdquo;Soweit mir bekannt, hat Frau L. noch ein kleines Vermögen, sodass sie die Kosten wohl tragen könnte."

Tod in Treblinka

Am 18. Mai schließlich unterzeichnet die Witwe laut einer Aktennotiz den Verpflichtungsschein zur Aufnahme in das Altersheim. Ihre Möbelstücke, heißt es in dem Vermerk, habe sie bereits verkauft. Und als sie schließlich zweieinhalb Wochen später Blomberg gen Westen verlässt, heißt es: &bdquo;Die Witwe Lipper hat sich am 4. April in das Altersheim Unna begeben."

Eine handschriftliche Notiz ergänzt: &bdquo;Somit leben in Blomberg keine Juden mehr!" Wie es Emma Lipper in Unna ergangen ist, darüber ist nichts überliefert. In dem 1905 errichteten Israelitischen Altersheim waren bis 1942 38 jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner untergebracht, darunter die Blombergerin. Im August 1942 wurde es durch die Nazis aufgelöst – zu jenem Zeitpunkt war Emma Lipper nach Informationen aus dem Opferbuch des Bundesarchivs schon ins KZ Theresienstadt deportiert worden. Sie starb vermutlich im Vernichtungslager in Treblinka.

Stolperstein in d er Neuen Torstraße

In dem ehemaligen Israelitischen Altenheim an der Mühlenstraße in Unna ist heute das St. Bonifatius Wohn- und Pflegeheim Unna untergebracht. Seit 2012 liegen dort Stolpersteine zum Andenken an die ehemaligen jüdischen Bewohner – auch der Blombergerin Emma Lipper wird dort gedacht. In Blomberg soll der Stolperstein für Emma Lipper vor dem Haus in der Neuen Torstraße 47 verlegt werden – hier wohnte sie zuletzt zur Miete, bevor sie als 70-Jährige nach Unna ziehen musste.

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