Schieder-Schwalenberg. Die gute Nachricht zuerst: Phoenix Contact verkauft seine Tochter E-Mobility in Schieder-Schwalenberg nicht, und das Unternehmen wird auch nicht liquidiert. Allerdings sind massive Umstrukturierungen geplant, die mit einem Stellenabbau am Standort in Schieder einhergehen. Doch anstatt dass das Unternehmen 60 betriebsbedingte Kündigungen ausspricht, setzt die Geschäftsführung gemeinsam mit dem Betriebsrat erst einmal auf eine sozialverträglichere Variante: Es soll ein Freiwilligenprogramm geben.
Abfindung winkt
Im Klartext heißt das: 60 Mitarbeiter haben eine Chance, das Unternehmen freiwillig zu verlassen und bekommen im Gegenzug eine Abfindung, die sich an der jeweiligen Lohngruppe, der Betriebszugehörigkeit und anderen Kriterien orientiert. Das hat die Geschäftsführung am Mittwochabend in einer Betriebsversammlung vor 350 der insgesamt 445 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verkündet.
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Die E-Mobility GmbH stelle die globale Fertigung neu auf, heißt es in einer Pressemitteilung. So sollen Fertigungskapazitäten für den europäischen Markt künftig in Polen gebündelt werden. Das heißt, die genannten 60 Arbeitsplätze, die in erster Linie Menschen aus der Fertigung und der Logistik betreffen, gehen zum Ende des Jahres in Lippe verloren.
„Sozialverträgliche Lösung“
„Als Betriebsrat ist es unsere Aufgabe, die von der Geschäftsleitung getroffene strategische Entscheidung im Sinne unserer Kolleginnen und Kollegen so sozialverträglich wie möglich zu gestalten”, erklärt der Betriebsratsvorsitzende Stefan Francke in der Pressemitteilung des Unternehmens. „Dafür haben wir uns in den vergangenen Wochen in guten und klaren Verhandlungen mit der Geschäftsführung eingesetzt.“
Es sei auch ein Anliegen gewesen, den derzeitigen Arbeitsmarkt in der Region im Blick zu behalten. „Gemeinsam mit der Gewerkschaft konnten wir so ein faires Freiwilligenprogramm für die Betroffenen entwickeln“, wird Stefan Francke in der Pressemitteilung zitiert.
Um eine möglichst soziale Gestaltung des Prozesses gehe es auch der Geschäftsführung, betont Andreas Rau, Vorstand der neuen Phoenix Contact E-Mobility Holding SE, unter deren Dach jetzt auch die Phoenix Contact E-Mobility GmbH firmiert. „Die Geschäftsführung hat alle theoretisch möglichen Szenarien mehrfach und in unterschiedlichen Varianten geprüft. Uns ist bewusst, dass die Veränderungen für unsere Mitarbeitenden nicht einfach sind. Das neue, globale Fertigungs-Set-up ist jedoch unumgänglich für die Zukunft unseres Unternehmens.“
Headquarter bleibt in Schieder
Das Ziel sei unter anderem eine Vereinfachung der Lieferketten. Hochautomatisierte Fertigung mit hohen Stückzahlen soll weiter in Schieder bleiben. „Der Standort agiert weiterhin als globales, operatives Headquarter der Phoenix Contact E-Mobility“, heißt es.
„Der Hochlauf der Elektromobilität im Massenmarkt befindet sich in einer kritischen Phase. Was wir derzeit in der Industrie und als Privatperson erleben, ist keine klassische Wirtschaftskrise, sondern eine grundsätzliche Veränderung von geopolitischen Strukturen mit den USA und China als zunehmend getrennte Wirtschaftsräume“, beschreibt Andreas Rau die Situation.
Wenngleich die Geschäftsführung davon ausgeht, dass sich der Markt auch in Deutschland wieder positiv entwickeln wird, erwartet sie, dass der Konsolidierungsdruck auf den Produktionsstandort Europa mittelfristig bestehen bleibt. Fertigung am Standort Deutschland sei insbesondere in den Bereichen der manuellen oder teil-automatisierten Produktion mit hohen Kosten verbunden. Wo viel Handarbeit gefragt ist, sind die Personalkosten hoch.
Polnisches Werk übernimmt Logistik
Für die hochautomatisierte Fertigung mit hohen Stückzahlen, bei der Maschinen den großen Teil der Arbeit erledigen, bleibe der Produktionsstandort Schieder bestehen.
Die Zusammenfassung von Montage- und Logistiktätigkeiten im polnischen Werk in Rzeszów ermöglicht künftig die Direktbelieferung europäischer Kunden für die Ladeinfrastruktur aus den produzierenden Werken. Manuelle Montagetätigkeiten sowie die Fertigung der Produkte für Ladeinfrastruktur erfolgen im Werk inRzeszów. Polen übernehme damit künftig neben der reinen Produktion auch Logistikaufgaben für den europäischen Markt. Somit werde die Lieferkette vereinfacht, um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.