Friseure aus OWL berichten von fehlenden Überbrückungshilfen und blanker Existenzangst

Bielefeld/Paderborn/Detmold. Seit dem Lockdown am 16. Dezember geht für Friseurbetriebe in Ostwestfalen-Lippe nichts mehr. Sie können keinen To-Go-Service anbieten, keinen Onlinehandel starten. Ihr "Produkt" ist die Arbeit am Kunden. Und diese ist derzeit nicht möglich. Nun rufen immer mehr Friseure um Hilfe. Dahinter steht die blanke Existenzangst.

Zum Beispiel bei der Bielefelderin Stephanie Sulzbacher. Die Friseurmeisterin betreibt ihren Salon "Das Frisierzimmer" seit sieben Jahren, hat vier Angestellte, musste gerade eine 450-Euro-Kraft entlassen. Seit Wochen kommt kein Geld rein, die Kosten aber laufen weiter. Miete, Krankenversicherung, Rentenversicherung. Selbst das Ausfüllen der Anträge für Hilfen kostet Geld, weil das Steuerberater übernehmen.

Und: "Wir haben als Unternehmer auch ein Leben", sagt die alleinerziehende Mutter. "Ich fühle mich ohnmächtig. Das kann einen wirklich fertig machen", sagt Sulzbacher, die längst an ihre Ersparnisse gehen musste. "Viele werden verzweifeln", sagt sie mit Blick auf ihre Branche, in der es einer großen Zahl von Betrieben so geht wie ihr.

"Viele Betriebe am Abgrund zur Insolvenz"

Wolfgang Borgert, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld, fasst zusammen, woran es mangelt: "Die 3.600 Friseur- und Kosmetikbetriebe in Ostwestfalen-Lippe wurden im Dezember durch politische Entscheidung geschlossen, aber die versprochenen 'schnellen und unbürokratischen Überbrückungshilfen' können bis heute nicht einmal beantragt werden." Viele der Betriebe stünden deshalb am Abgrund zur Insolvenz, weil alle Liquiditätsreserven erschöpft seien. "Denn sie müssen nicht nur ihre laufenden Fixkosten, sondern auch das Kurzarbeitergeld für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorfinanzieren, und dann auf die Erstattung durch die Arbeitsverwaltung warten. Das kann kein Betrieb länger durchhalten", so Borgert.

Die große Unsicherheit ist es, die auch Antonio Sposito zunehmend schlaflose Nächte bereitet. Wann kommt Geld? Wie geht es weiter und mit welchem Konzept? Sposito betreibt einen Salon in Hövelhof. Als Mitglied des Innovations- und Kommunikationsausschusses des Friseur- und Kosmetikverbandes NRW und stellvertretender Obermeister der Friseur- und Kosmetik-Innung Paderborn kennt er aber auch die Lage in vielen anderen Betrieben. "Die Not ist extrem groß, bei vielen sind die Rücklagen weg", weiß Sposito. "Wir sind keine subventionierte Industrie. Wir brauchen das Geld, um unsere Läden behalten zu können und bald wieder durchstarten zu können."

Sein Kollege Volker Haimann, Leiter des Ausschusses, hat seinen Salon in Detmold vor 35 Jahren vom Großvater übernommen. Er kennt das Geschäft und glaubt, dass 30 Prozent der Betriebe in Deutschland verschwinden werden. "Aber ich glaube auch, dass die, die bleiben, gute Chancen für die Zukunft haben." Der Kunde werde womöglich bereit sein, etwas mehr zu zahlen für gute Arbeit. Das könne die Betriebe stärken. Auch Sposito glaubt an einen solchen Wandel: Es verändere sich etwas in der Wertschätzung der Dienstleistungen, die so vielen Menschen jetzt fehlen, sagt er.

"Entschädigung, nicht Hilfen"

Doch das ist Zukunftsmusik. Was die Betriebe jetzt bräuchten, sei Geld. Sulzbacher und Sposito sprechen übrigens nicht von Hilfen, sondern von Entschädigung. Beide unterstützen die Petition #NurSicherBeimFriseur, die eine kontrollierte Öffnung fordert, statt den unsicheren Schwarzmarkt ohne Hygienekonzept weiter florieren zu lassen.

Die Handwerkskammer fordert neben einer schnellen, neuen und einfachen Soforthilfe eine realistische und konkrete Öffnungsperspektive. Das Handwerk habe in allen Gewerken hervorragende Hygienekonzepte zum Schutz gegen das Coronavirus eingerichtet. "Die Aussicht auf kontrollierte Öffnungen sichert angesichts sinkender Inzidenzwerte die notwendige Akzeptanz für weiterhin notwendige Maßnahmen", so Borgert.

"Licht an, bevor es ganz ausgeht!"

Um auf die brisante Situation ihrer Branche aufmerksam zu machen und eine Öffnung ab dem 15. Februar zu fordern, nehmen die regionalen Friseurbetriebe an der bundesweiten Aktion &bdquo;Licht an" teil und zeigen mit brennendem Licht in ihren geschlossenen Salons die Dramatik der Lage.

Vom 31. Januar bis zum 1. Februar sind Betriebsinhaber aufgefordert, das Licht in den Salons anzulassen. &bdquo;Das Licht soll 24 Stunden in den Salons brennen, um die Bevölkerung auf die dramatische Situation des Friseurhandwerks im zweiten Lockdown aufmerksam zu machen", sagt Obermeisterin Heike Klaas. &bdquo;Wir wollen für unsere Kunden sichtbar bleiben und geben nicht auf", sagt sie und fügt hinzu: &bdquo;Wir kämpfen um unsere Existenz und wollen arbeiten. Unsere Kunden warten auf uns."

Dabei gehe es nicht nur um Solidarität in der Bevölkerung: Das Friseurhandwerk verbindet vier Kernforderungen mit der Aktion. &bdquo;Die Überbrückungshilfen müssen passgenau gestaltet und schnell und unbürokratisch gewährt werden", nennt Klaas die erste. Hinzu komme eine nachhaltige Förderung der Ausbildungsleistung, um die duale Berufsausbildung zu sichern. Bei einigen der Auszubildenden stünden demnächst Prüfungen an, doch die Praxis bleibe derzeit fast auf der Strecke.

Darüber hinaus müssten auch die Chefs als wichtigste Mitarbeiter des Betriebs berücksichtigt werden. &bdquo;Wir gehen in den aktuellen Regelungen noch leer aus", so Klaas weiter. Zudem müsse Schwarzarbeit gestoppt werden. Sichere Friseurdienstleistungen könnten nur Profis unter Wahrung der Hygiene- und Arbeitsschutzstandards in den Salons bieten. Und um diesen zu gewährleisten, hätten die Salons in den vergangenen Monaten einiges geleistet – Trennwände und Desinfektionsspender aufgestellt, Abstand geschaffen und die Kundendaten akribisch dokumentiert. &bdquo;Im Moment ist die Kasse leer", sagt Heike Klaas. Lange könne das so nicht mehr weitergehen.

Die Hoffnung der Obermeisterin bleibt weiter, dass die Salons ab Mitte Februar wieder öffnen können. Und dann wird der Andrang groß sein, mutmaßt Heike Klaas. &bdquo;Dann können wir uns sicher vor Terminen kaum retten."

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