Bürgermeister Frank Hilker: "Detmold hat ein hohes Maß an Attraktivität“

Detmold. Der zweite Corona-Sommer bringt ein Stück Entspannung mit sich: Das Leben ist in die Fußgängerzone, die Cafés und die Geschäfte zurückgekehrt. Die Detmolder Innenstadt fit für die Zukunft zu machen, ist für Bürgermeister Frank Hilker (SPD) eines der großen Themen. Im Sommerinterview gibt er einen Einblick, wie dies aus seiner Sicht gelingen kann und was in den kommenden Monaten neben der Bewältigung der Pandemie auf der Agenda steht.

Herr Hilker, genießen Sie die neue Freiheit?

Frank Hilker : Bei mir ist es nicht anders als bei anderen: Es gibt viel Nachholbedarf, aber im Moment fehlt noch die Zeit. Detmold ist da hingekommen, weil sich die Bürger vorbildlich verhalten und sich nach den Rahmenbedingungen, die wir gesetzt haben, gerichtet haben. Und dafür kann ich als Bürgermeister nur Danke sagen.

Werden die Menschen mittlerweile unvorsichtiger?

Mehr Möglichkeiten bedeutet höhere Risiken – darüber müssen wir uns im Klaren sein. Wenn wir nun in Richtung eines Inzidenzwertes von Null unterwegs sind und dann auch wieder Großveranstaltungen möglich werden, müssen wir vorsichtig sein, dass wir nicht in ein Stufen-Hopping kommen, unter der die Akzeptanz von Schutzmaßnahmen leidet.

Wie lässt sich das erreichen?

Wir müssen Hygienekonzepte und Masken ernst nehmen und nicht als lästige Pflicht betrachten. Und wir müssen bewusst hingucken, wo man guten Gewissens Veranstaltungen durchführen kann.

Wird die Innenstadt die Corona-Zeit überleben?

In jeder Krise steckt auch eine Chance. Ich glaube, ums Überleben geht es momentan nicht mehr. Es geht darum, die Aufbruchstimmung, die durch das Innenstadtkonzept entsteht und die von Akteuren ausgestrahlt wird, zu nutzen. Wichtig ist, das Angebot so breit aufzustellen, das wir von einem Einkaufs- zu einem Aufenthaltserlebnis kommen und die Besucher alle Punkte, die sie erwarten, auch vorfinden. Von der Gastronomie, die gerade noch reichhaltiger geworden ist, bis hin zum Einzelhandel. Wichtig ist dabei auch, neue Dinge zu denken. Warum muss denn in einem Geschäft nur ein Anbieter sein? Warum können sich nicht vier, fünf zusammentun und viele Segmente abdecken? Die Aufgabe der Stadt liegt hierbei stärker in der Steuerung.

Wie wahrscheinlich ist es, dass das Konzept für das Hornsche Tor umgesetzt wird – mit Wohnungen, Supermärkten, großem Textilgeschäft und Hotel?

Das Hornsche Tor ist Teil des Innenstadtkonzeptes, wir haben gerade noch einmal 1,6 Millionen Euro Landesförderung dafür erhalten. Die Erwartung an den Projektierer ist nun, dass wir im September eine belastbare Aussage zum Konzept bekommen. Natürlich besteht Verständnis dafür, dass es coronabedingte Unwägbarkeiten gibt. Aber: Detmold und auch das Hornsche Tor haben ein hohes Maß an Attraktivität. Wir freuen uns, dass zum Beispiel die Idee einer Skybar aufgenommen worden ist und es sogar Interessenten gibt, die diese betreiben würden. Um weiter zu kommen, benötigen wir aber eine belastbare Aussage zum Konzept. Denn: Wir müssen ja auch noch Baurecht schaffen. Ein Hornsches Tor steht nicht morgen.

Welche Rolle spielt die neue Innenstadtkoordinatorin?

In puncto Innenstadt gibt es viele Bausteine – vom Hornschen Tor bis hin zu öffentlichen Toiletten. Eine Frage ist zum Beispiel auch: Wie komme ich mit dem Rad in die Innenstadt und wie bekomme ich den Einkauf dann nach Hause? Dafür benötige ich einen zentralen Abstellort, der sicher ist und möglichst noch eine Ladestation hat, und komplementär einen Lieferservice. Die Innenstadtkoordinatorin soll Trends identifizieren und die Übertragbarkeit auf Detmold prüfen.

Wie wird aus der Kaufmannschaft, die in der Vergangenheit nicht immer an einem Strang gezogen hat, ein Team?

Erst einmal gibt es einen funktionierenden Arbeitskreis Innenstadtmarketing, in dem alle Gruppen abgebildet sind – seit kurzem auch die Marktbeschicker. Außerdem habe ich durch die neue Struktur in der Werbegemeinschaft die Hoffnung, dass ein anderes Miteinander und eine andere Art der Kommunikation entsteht. Diese ist wichtig, um die Innenstadt gemeinsam so attraktiv wie möglich zu machen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass zum Residenzfest alle dieselben Öffnungszeiten haben.

Ab dem 26. Juli steht in der Exter- und der Krummen Straße ein Verkehrsversuch an, die Durchfahrt ist dann nicht mehr möglich. War es rückblickend ein Fehler, nicht früher auf die Geschäftsleute und die Anwohner zuzugehen?

Die Frage ist, wann der richtige Zeitpunkt ist. Wir machen den Versuch nicht nur für die Anwohner und die Geschäftsleute, sondern auch für 76.000 Detmolder und die Besucher von außerhalb....

Aber die haben den Versuch nicht vor ihrer Haustür...

Wie kann man sie mehr beteiligen als wenn man erstmal einen Versuch durchführt? Der läuft drei Monate. Dann haben wir die Chance, alle zu befragen – Anlieger und Besucher. Zur Wahrheit gehört auch: Das, was wir der Gastronomie momentan ermöglichen, ist eine Hilfssituation. Für eine echte Aufenthaltsqualität müssten wir sie anders platzieren. Die Schönheit der Straße fällt im Moment hinten rüber. Bei der Parkplatzssuche wird viel CO2 ausgestoßen und es entsteht Frust. Klar, wäre ich vor 20 Jahren auch gerne mit dem Cabrio da durchgefahren, aber das ist so eine Sache. Wir müssen überlegen, welche Funktion die zentrale Straße erfüllen soll. Es wird ein Höchstmaß an Beteiligung für alle geben. Das Ergebnis steht nicht fest.

Die Innenstadt ist nur ein Wirtschaftsfaktor. Wie sind die Detmolder Unternehmen durch die Pandemie gekommen?

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen steigt seit Jahren kontinuierlich an und liegt derzeit bei 45.000, plus Beamte und Selbstständige. Das hat sich nicht geändert. Bei Industrie und Handwerk ist der Boom definitiv zu spüren, mittlerweile ist die Entwicklung aber wie vor der Pandemie. Im Bereich Tourismus und Messebau ist die Situation sicherlich kritischer zu bewerten. Da müssen wir sehen, wie es weitergeht.

Wie viele Insolvenzen wurden bislang verzeichnet?

Die Zahl der Insolvenzen liegt konstant auf einem niedrigen Niveau. Das liegt aber auch daran, dass momentan noch Überbrückungshilfen und Kurzarbeitergeld greifen.

Von einer vierten Welle wird bereits gesprochen – wie wird in Kitas und Schulen vorgesorgt?

Für Jugendliche ab 16 müssen attraktive Impfangebote gemacht werden, wohnortnah und niedrigschwellig – auch in Detmold. Abgesehen davon haben die Experten ihre Meinung nicht geändert: Dort, wo gelüftet werden kann, ist dies das Beste Mittel gegen Aerosole. Für die Räume, in denen nicht gelüftet werden kann, haben wir 50 mobile Geräte angeschafft. Außerdem werden wir bei der Planung von Neubauten stationäre Lüftungsanlagen einbeziehen.

Welche weitere Themen erwarten uns im zweiten Halbjahr?

Zum 1. September haben wir eine neue Beigeordnete und Kämmerin, die auch das Thema Nachhaltigkeitsstrategie hauptverantwortlich vorantreiben wird. Nachhaltiges Wohnen ist ein Stichwort, für Beschäftigte, Studenten und große Familien. Klimaschutz in Form eines Bürgerwalds und nachhaltigen Gewerbegebieten. Die Renaturierung von Wasserflächen, mehr Grün und Ruhezonen in der Innenstadt, Ortsteilentwicklung, Mobilität, Digitalisierung... Und wir wollen unsere digitale Präsenz weiter ausbauen, um auch die jüngeren Menschen zu erreichen – und sei es mit einem Post in den sozialen Netzwerken, in dem die drei wichtigsten Ergebnisse der Ratssitzung genannt werden.

Von wo posten Sie demnächst Urlaubsfotos?

Es geht für zehn Tage an die Müritz, um den Akku aufzuladen und Kraft zu tanken für die nächsten Aufgaben.

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