Viele Ideen, wenige Mutige: Wie Leerstände in Detmold vergeben werden

Detmold . Versinkt Detmold bald in einem Meer aus Gaststätten, die sich am Ende selbst kannibalisieren? Diese Sorge schwingt bei aller Freude über das laufende Sofortprogramm mit, das die Zukunft der Innenstädte sichern soll. Betreiber müssen hier in neu angemieteten Ladenlokalen die ersten zwei Jahre nur 20 Prozent der ursprünglichen Kaltmiete selbst aufbringen. Satte 550.000 Euro hat die Stadt also dafür aus dem NRW-Fördertopf bekommen, um Detmolds Leerständen entgegenzuwirken – und dennoch runzeln manche die Stirn.

Kritische Stimmen vernimmt man gerade von alteingesessenen Gastronomen, die fürchten, ein unkontrollierter Zuwachs an Imbissbuden oder ähnlichen kulinarischen Konzepten könnte der Innenstadt auf Dauer nur schaden. &bdquo;Was passiert, wenn die Neuen nach zwei Jahren wieder gehen, sobald die normale Miete fällig ist?", fragt einer von ihnen. Genauso schwinge die Befürchtung mit, ob langjährige Gastronomen durch die &bdquo;temporären Strohfeuer" am Ende nicht selbst ihre Läden aufgeben müssten.

Solche Sorgen – gepaart mit teils heftiger Kritik – muss sich Innenstadtkoordinatorin Ulrike Levri öfter anhören. Dann heißt es: Die Stadt verfolge kein durchdachtes Konzept für die Vergabe der Fördermittel oder die Neueröffnungen seien wenig innovativ. Diesen Vorwurf kann Ulrike Levri gelassen zurückweisen. Im November eröffne beispielsweise ganz im Sinne der Nachhaltigkeit ein Geschäft, das recycelte Waren anbietet, die sonst verschrottet worden wären. Ein Meilenstein für Detmold also.

Viele Ideen, wenige Mutige Gleichzeitig macht die neue Innenstadtkoordinatorin auf die aus Sicht der Stadt eigentliche Krux aufmerksam. &bdquo;Das Problem ist ja: Wir können noch so viele gute Ideen haben, aber wir müssen auch mutige Menschen finden, die diese umsetzen wollen", sagt Levri. Die Menschen forderten immerzu Diversität und neue Konzepte für die Stadt, doch dazu brauche es auch die entsprechenden Pioniere. Bisher seien zehn Verträge durch das laufende Sofortprogramm abgeschlossen worden, nur bei dreien davon handele es sich tatsächlich um gastronomische Betriebe – darunter sind das persische Restaurant Safran, der orientalische Imbiss Green Kitchen und die noch geheime Gastro, die gerade im Ex-Schuhladen am Bruchberg entsteht. Von zu viel Gastronomie in der City könne also gar nicht die Rede sein.

Obwohl es sich für das bloße Auge am Bruchberg rein optisch zwischen Eisdielen, Imbissen und Cafés nun etwas knubbele, täusche der Eindruck aus Levris Sicht über die reale Situation hinweg. Laut einer Studie zur Innenstadtentwicklung liege Detmold in puncto Kneipen und Bars sogar immer noch weit unter dem Schnitt, der für eine belebte Innenstadt notwendig wäre, sagt Ulrike Levri. Dazu zeige sich am Beispiel der neuen &bdquo;Fressmeile" am Bruchberg im Gegensatz zu anderen Standorten im Zentrum, dass sich hier durch die Gastro auch nach 18 Uhr Menschen tummeln. &bdquo;Dagegen sind die Straßen an anderen Stellen, wo es beispielsweise nur ein Restaurant gibt, meist abends schon leer."

Daneben belebe Konkurrenz das Geschäft, das müssten auch die Kritiker einsehen. Auch wenn sich alteingesessene Geschäftsleute möglicherweise durch die Förderung neuer Projekte ungerecht behandelt fühlten, sei dauerhafter Leerstand für die Stadt letztendlich noch schädlicher, meint Levri. Übrigens: In den seltensten Fällen gehe der Förderungszeitraum tatsächlich über die möglichen zwei Jahre. Die meisten Projekte erhielten laut Levri eine deutlich kürzere Förderung. &bdquo;In der Regel läuft der Vertrag über sechs bis zwölf Monate." Diese könnten zwar theoretisch verlängert werden, geplant sei das aber nicht. &bdquo;Das Ziel sollte sein, einen Anschlussmietvertrag zu bekommen. Ob ein Konzept funktioniert, weiß man dabei oft schon nach einem halben Jahr", erklärt Levri.

Man sollte die feiern, die sich trauen Bisher hätten nur zwei Projekte die vollen 24 Monate des Zeitraums bekommen. Aktuell gebe es 15 Leerstände in der Innenstadt. Dass einige Objekte über lange Zeit leer stünden, liege dabei oft nicht an fehlenden Bewerbern, sondern vor allem an Eigentümern, die kein zusätzliches Geld in die Sanierung ihrer Immobilien stecken wollten. Detmold habe da so einige Sorgenkinder. Von 15 Leerständen seien acht renovierungsbedürftig, sagt Levri. Mit günstiger Miete sei es für viele Neueinsteiger nicht getan, oft scheiterten Gespräche daran, wenn den Interessenten klar werde, für die notwendige Renovierung noch zusätzliche Arbeit und vor allem weiteres Geld in das Objekt stecken zu müssen.

Gerade im gastronomischen Bereich müssten die meisten Läden komplett umgenutzt werden, die einzige noch &bdquo;natürliche" ehemalige Gaststätte sei der Ex-Fuchsbau. Durch den teils maroden Zustand der Objekte kämen rund 85 Prozent der Anfragen nach Einschätzung der Innenstadtkoordinatorin von Menschen mit Migrationshintergrund, die erst wenige Jahre in Deutschland lebten und nicht davor scheuten, mit Familien und Freunden anzupacken. Viele Deutsche seien bei den renovierungsbedürftigen Objekten eher zögerlich und fürchteten das Risiko, hat die Innenstadtkoordinatorin beobachtet. &bdquo;Man sollte die feiern, die sich trauen", sagt Levri.

Die nächste heiße Phase bei der Vergabe für weitere Fördermittel werde wahrscheinlich erst im Frühjahr starten. Aktuell laufen neun Gespräche mit potenziellen Betreibern. Zum Frühjahr 2023 muss das Geld aufgebraucht sein, solange läuft das Projekt. Demnächst steht die nächste Neueröffnung an. Die Stadt richtet ab nächsten Dienstag in der Langen Straße 31 einen Innenstadtservice mit angeschlossenem Verkaufsraum ein, der als Ablageort für Einkäufe dient. Wer in Detmold weiter shoppen will, kann das dann mit freien Händen tun. Kontakt zur Autorin per Mail an jkoenig@lz.de

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