Jürgen Becker kommt nach Detmold: "Haben wir es verkackt?"

Detmold. Jürgen Becker ist deutscher Kabarettist, Moderator und Autor. Neben den Mitternachtsspitzen im WDR und der Frühstückspause auf WDR 2, tourt er zurzeit mit seinem Programm &bdquo;Die Ursache liegt in der Zukunft" durch Deutschland. Zwischen Klimawandel und Corona-Pandemie weist er auf die Widersprüche in unserer Gesellschaft hin. Vor allem aber fragt er sich: &bdquo;Haben wir es verkackt?"

Herr Becker, was haben wir verkackt?

JÜRGEN BECKER: Im Grunde hat uns die Natur ein vergiftetes Angebot gemacht. Wir hauen ein Loch in den Boden und heraus sprudelt dieser in Millionen von Jahren gereifte Energydrink namens Öl. Jetzt verbrauchen wir davon jeden Tag 7000 Jahre an, in Pflanzen gespeicherter, Sonnenenergie. Darüber hinaus bleibt jedes CO2 Molekül etwa 1000 Jahre in unserer Atmosphäre, bis es vollständig abgebaut ist. Der Mensch verhält sich jetzt wie einer, der an einem Tag den gesamten Weinkeller leer säuft und sich am nächsten Morgen wundert, warum es ihm so scheiße geht. Das ist einfach zu viel Konsum. Dass dieser explosive Exzess Auswirkungen aufs Klima hat, kapiert ja mittlerweile jeder außer der AfD. Wir müssen jetzt sehr schnell umsteuern.

Jetzt ist der Klimawandel kein neues Phänomen. Der Ausbau der Erneuerbaren gerät immer wieder ins Stocken. Sind wir immer noch verkatert?

Ja, wir haben einfach die Dringlichkeit des Themas nicht erkannt. Wir haben nicht erkannt, wie schnell wir etwas ändern müssen. Da schließe ich mich mit ein. Ich bin weiter Auto gefahren und habe mit Gas oder Öl geheizt. Jetzt ist der Krieg in der Ukraine ein weiterer Motor, sich davon unabhängig zu machen und mehr Wärmepumpen zu produzieren. Darüber hinaus müssen wir jetzt alles elektrifizieren. Auch E-Fuels oder Wasserstoff. Das sind ja keine Primärenergien. Das muss ja auch alles vorher mit Strom hergestellt werden. Das ist eine riesige Aufgabe, vor der wir stehen und ich glaube, dass wir die Dringlichkeit dieser Aufgabe erst jetzt erkennen.

Und jetzt ist es natürlich schon sehr spät. Die Zeit drängt. Ansonsten werden immer mehr Gebiete auf der Erde unbewohnbar für uns Menschen und für kommende Generationen werden kaum noch Rohstoffe übrig bleiben. Denn wenn unser privater Weinkeller, um mal in dem Bild zu bleiben, leer ist, können wir immer noch weiter und beim Nachbarn saufen. Aber wenn der Rohstoffkeller der Erde leer ist, dann gibt es nur noch den Mond. Da gibt es nichts zu holen. Wer schon mal nachts durch Neuss gelaufen ist, der weiß genau, was ich meine.

Glauben Sie, dass die Erzählung der Erneuerbaren als &bdquo; Freiheitsenergien " der nötige Impuls ist, um auch konservativere Menschen umzustimmen?

Ja, der Lindner ist ja selbst das beste Beispiel dafür. Im Wahlkampf hat der noch gesagt, dass er die Klimakrise durch die Innovationskraft der deutschen Ingenieure lösen will. Ich hab gehört, die vom BER, VW und dem Kölner U-Bahn-Bau sollen sich gemeldet haben. Er spricht weiter vom ewigen Wachstum. Das geht aber in einem begrenzten System wie der Erde nicht. Das müsste ja gerade ein extrem begrenztes System wie Herr Lindner verstehen.

Neben der Klimakrise ist auch die Coronavirus-Pandemie ein omnipräsenter Bestandteil unseres Alltags. Allerdings scheinen wir unterschiedlich mit ihnen umzugehen. Woran liegt das?

Die Antwort ist für mich persönlich klar: Corona betrifft eher die älteren Menschen. Nämlich die, die über 60 sind. Das waren im alten Bundestag von 709 Abgeordneten fast 300. Jetzt ist das Verhältnis etwas anders, aber nicht viel. Die Klimakrise hingegen wird ja eher den jüngeren Menschen zum Verhängnis. Diejenigen, die unter 30 sind. Das waren im alten Bundestag gerade mal fünf. Da ist klar, welches Problem mit mehr Power gelöst wird. Ich finde, die jungen Leute haben zwei Jahre lang auf das verzichtet, was Jung-sein ausmacht – hauptsächlich, um die Älteren zu schützen. Die können jetzt mit Fug und Recht erwarten, dass die Älteren mal ein paar Jahrzehnte auf Fliegen, Fleisch und fette Karren verzichten können. Ist das eine Forderung, die sie öffentlich Unterstützen würden? Ja. Das betrifft ja auch Sie.

Ja. Ich verzichte beispielsweise seit sechs Jahren auf das Fliegen. Beim Auto ist es so, dass ich schon berufsbedingt viel fahren muss. Ganz darauf verzichten kann ich also nicht. Gerade wenn ich in Städten spiele, in denen abends kein Zug mehr fährt. Da müsste ich dann ja immer im Hotel übernachten. Richtig öko ist das nicht. Für Strecken wie die nach Detmold nehme ich mein Elektroauto. Die längeren Strecken fahre ich mit dem Zug.

Wie sollten sich junge Menschen gegen diese demografische Unwucht aufstellen?

Zunächst mal würde ich ein Wahlrecht ab 16 fordern. Das könnte direkt helfen, dieses Übergewicht auszugleichen. Darüber hinaus finde ich &bdquo;Fridays for Future" super. Die jungen Leute müssen jetzt einfach am Ball bleiben und weiter machen. Außerdem kann man jetzt sehen, dass die Parteien, um die Stimmen der Jungen buhlen. Alle Parteien geben sich jetzt einen grünen Anstrich. Die CDU hat ja bei der Bundestagswahl die meisten Stimmen nicht an die SPD, sondern an die Bestatter verloren. Was denen also helfen würde, wäre ein Wahlrecht für Verstorbene. Es heißt ja nicht umsonst &bdquo;Wahlurne". Deswegen nehmen sie die Forderungen der jungen Leute immer mehr ernst. Das spürt man schon.

Glauben Sie, dass die Union, mit Nachwuchspolitikern wie Philipp Amthor , eine Option für junge Menschen sein kann?

Ja, da habe ich so meine Zweifel. Man sieht da ganz gut, wo das Problem liegt. Das liegt am Personaltableau. Die müssen einfach jeden nehmen und da ist nicht viel. Da haben andere Parteien mehr zu bieten.

Tickets für die Show am Samstag, 2. April, in der Detmolder Stadthalle gibt's unter anderem bei der LZ unter Tel. 05231-911113 und unter www.erwin-event.de

Jürgen Becker kommt nach Detmold: "Haben wir es verkackt?"

So geht der Kreiselbau in Detmold voran

Detmolder Traditionsbetrieb in finanziellen Nöten - warum Taxi Limberg dennoch weiterfährt

Deutschrock am Piano in der Detmolder Stadthalle

Drei Dealer aus der Detmolder Obdachlosenszene zu Haftstrafen verurteilt

Überbordende Fantasie in Holz

Update: Stadtwerke geben noch kein „Grünes Licht“ für das Trinkwasser in Detmold

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €