50 Jahre Hermannslauf: Ein Blick in die Geschichte

Detmold. Am 23. April 1972 findet der erste Hermannslauf von Detmold über den Kamm des Teutoburger Waldes nach Bielefeld statt. Am Start sind knapp 700 Läuferinnen und Läufer, darunter selbst die Initiatoren Wolfgang Schlüter und Peter Gehrmann, die ihren &bdquo;Hermann" einen Lauf von Läufern für Läufer nennen. Als Erster erreicht Helmut Bode in 1:51:26 Stunden die Sparrenburg. Insgesamt sind es 624, die ankommen. Ein Blick zurück in die Geschichte.

Mit mehr als 3000 Teilnehmern wächst der Hermannslauf dem ausrichtenden Bielefelder Ski-Club über den Kopf. Daher übernimmt ab 1988 der größere TSVE 1890 Bielefeld die Organisation. Die größte Herausforderung ist eine reibungslose Zeiterfassung; an Chips oder Transponder ist da noch nicht zu denken. Tatsächlich kommt es an der Sparrenburg zu einem Zielstau – eine Kinderkrankheit vieler Volksläufe zu jener Zeit. Der TSVE lernt also gleich dazu.

Dusche statt Krankenhaus Der Bad Driburger Michael Amstutz will 1991 allen beweisen, dass sein Sieg aus dem Vorjahr keine Eintagsfliege war. Doch weil er sich auf der Strecke nicht ausreichend verpflegt, streikt Amstutz Körper kurz nach Lämershagen. Er schafft es bis anderthalb Kilometer vor das Ziel, dann ist er am Ende, zittert vor Kälte. Sanitäter bringen Amstutz ins Ziel und wollen ihn weiter ins Krankenhaus fahren. Der Titelverteidiger lehnt ab, geht stattdessen duschen. Anschließend macht er sich zu Fuß auf den Weg an den Anfang der Promenade. Die Startnummer wieder auf der Brust, joggt er von dort aus ins Ziel – und mit knapp über vier Stunden in die offizielle Wertung.

1999 liefert sich der Gütersloher Triathlet Ingmar Lundström an der Spitze des Feldes ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Carsten Breitenbach aus Neuss. Keiner gibt nach, der Sieg ist zum Greifen nah. Es ist nicht überliefert, wer von beiden die Idee hat, aber am Ende laufen Lundström und Breitenbach nach 1:46:51 Stunden gemeinsam ins Ziel und teilen sich den Sieg. Das gab es in der Geschichte des Hermannslaufs nur ein zweites Mal: 1987 gewannen Toni Marshall und Frank Weidler.

Bielefelder Bestzeit mit Krämpfen Das Ziel von Marcus Biehl ist nichts weniger als der Streckenrekord, als er 2004 an den Start geht. Der Läufer des SV Brackwede hat den Hermann vier Jahre zuvor schon einmal gewonnen. Ausgerechnet auf der steilen Passage durch Oerlinghausen, wo er aufgewachsen ist, überheizt Biehl. Auf dem letzten ernsthaften Anstieg hinter der Osningstraße folgt die Quittung: Wadenkrämpfe. Erst geht Biehl, dann stemmt er sich gegen einen Baum, um die Krämpfe rauszudehnen. Zeit verrinnt. Am Ende verfehlt er zwar René Witts Streckenrekord um knapp anderthalb Minuten. Mit 1:44:36 Stunden ist Biehl aber bis heute schnellster Bielefelder beim &bdquo;Hermann".

31 Kilometer ist der Detmolder Elias Sansar noch nie zuvor gelaufen. Trotzdem rechnet sich der 26-Jährige bei seinem ersten &bdquo;Hermann" 2006 gute Siegchancen aus. Seine Halbmarathon-Bestzeit liegt bei 1:08 Stunden. Der junge Mann mit der Startnummer 6.822 gewinnt mit mehr als anderthalb Minuten Vorsprung in 1:45:50 Stunden. Im Ziel wird er gefragt, ob er 2007 wieder antreten werde. &bdquo;Nein", sagt Sansar und verkennt noch den Suchtfaktor des Laufs. Fakt ist, dass der Lipper danach keinen Hermannslauf mehr verpasst und bei seinen bisher 15 Teilnahmen nur zweimal nicht gewonnen hat.

Mama verzichtet auf Platz zwei 1999 gewinnt Heike Saeger vom SV Brackwede den Hermannslauf noch unter ihrem Mädchennamen, 2003 – inzwischen verheiratet – als Heike Mohn. Dann legt die Bielefelderin eine mehrjährige Babypause ein. Im Glauben, für die vorderen Plätze nicht mehr gut genug zu sein, verspricht sie ihrer siebenjährigen Tochter 2012 einen gemeinsamen Zieleinlauf Hand in Hand. Mohn erreicht die Promenade als Dritte. Sie will die vor ihr laufende Michaela Schedler noch überholen, da schreit es von der Seite: &bdquo;Mama!" Heike Mohn legt den Rückwärtsgang ein, nimmt ihre Tochter bei der Hand und läuft als Dritte strahlend ins Ziel. &bdquo;Eine der besten Entscheidungen in meinem Leben", sagt Mohn. Reiner Giersch hat 2019 bei seinem 35. Hermannslauf einen großen Schutzengel. Auf abschüssiger und rutschiger Strecke zwischen Osningstraße und Habichtshöhe stürzt der 58-Jährige auf den Kopf. Sofort eilen Zuschauer und andere Läufer herbei, alarmieren den Rettungsdienst. Giersch ist zunächst nicht richtig bei sich, besteht dann aber darauf weiterzulaufen. &bdquo;Ich muss weiter", erklärt er den verdutzten Helfern. Er erreicht das Ziel, wird aber mit einem Schädel-Hirn-Trauma ins Krankenhaus gebracht. An den Sturz und die Kilometer danach hat Giersch keine Erinnerung. Was ihm zugestoßen ist, konnte nur durch Zeugen rekonstruiert werden. In Hermannslauf-Kreisen gilt die Unfallstelle seitdem als &bdquo;Giersch-Kuhle".

Im Oktober 2021 stirbt Wolfgang Schlüter, der Ideengeber des Hermannslaufs, im Alter von 87 Jahren. Der Rechtsanwalt und Ultraläufer ist die Strecke zwischen Denkmal und Burg selbst 108-mal gelaufen, 17-mal im Rennen, den Rest einsam oder mit Freunden im Training – zuletzt mit 70 Jahren. Schlüters Rolle als Schirmherr hat sein langjähriger Freund und Hermannslauf-Mitbegründer Peter Gehrmann übernommen, der wie im vergangenen Jahr erneut den Startschuss abgeben wird. Zum Gedenken an Wolfgang Schlüter pflanzt der TSVE am Hermannsweg, zwischen Lämerhagener Treppen und Eisernem Anton, eine Buche.

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