Freilichtmuseum in Detmold hat neue Leitung

Detmold. Mit 50 war für sie der richtige Zeitpunkt, ihre Arbeitsstätte zu wechseln. Die neue Leiterin des LWL-Freilichtmuseums, Dr. Marie Luisa Allemeyer, wollte zu neuen Ufern aufbrechen. Die zehn Jahre davor hatte sie den Aufbau des Museums Forum Wissenschaft in Göttingen geleitet.

Seit 1. September hat die gebürtige Dissenerin ihr Büro im Krummen Haus, dem Verwaltungsgebäude des Museums. Noch sind die Regale nicht gefüllt. Vom Schreibtisch blickt sie auf den Konferenztisch und aus dem Fenster in Richtung Baustelle. Die wird einen Teil ihrer Arbeit in den kommenden zwei Jahren außer der Reihe in Anspruch nehmen.

Alltagsthemen umsetzen &bdquo;Ich wollte nicht in meinem Leben nur eine Sache machen", erzählt sie von sich zur Motivation, sich für die Stelle zu bewerben. Schon länger war klar, dass ihr Vorgänger Dr. Jan Carstensen in den Ruhestand gehen würde. Mit anderen Menschen und Zielgruppen zu arbeiten, reizte sie, also vielen unterschiedlichen Personen die Welt des Museums nahe zu bringen. Für sie ist diese Welt faszinierend, weil so viele Alltagsthemen damit verbunden werden können. Wohnen, Ernährung und Mobilität beispielsweise, zählt Allemeyer auf.

&bdquo;Museen öffnen den Horizont", findet sie und möchte Menschen anregen, sich mit Alternativen zu denen, die man kennt, auseinanderzusetzen. Zum Beispiel ein Weg, den Kutschen früher genommen haben. Heute könnte dieser vielleicht als Radweg dienen. Der Blick in die Vergangenheit sei ähnlich wie beim Reisen. Man erlebe eine Vielfalt von Dingen, Lebensweisen und Orten – was nicht mit einem besser oder schlechter zu tun habe – , aber es gebe Handlungsanregungen. &bdquo;Unsere Lebenswelt gestalten wir selber", erinnert die Wissenschaftlerin.

Museum mit hohem Niveau Sie möchte die Qualität des Freilichtmuseums auf hohem Niveau halten und es zu einem Ort weiterentwickeln, an dem Menschen auf vielfältige Weise durch die Begegnung mit Kunst und Kultur zu neuen Gedanken und Handlungsweisen angeregt werden. Und wünscht sich, dass die Besucher etwas vom Museum mitnehmen, etwas lernen, um so vielleicht die eigene Umgebung stärker zu prägen.Am Freilichtmuseum hat sie die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse überrascht. Das Ausmaß an Wissen, das für jedes Gebäude vorhanden ist.

Wer eines der Gebäude an einem Standort besichtigt, kann feststellen, dass dort in langwieriger wissenschaftlicher Vorarbeit, auch im Detail alles so aussieht, wie es damals war oder gewesen sein könnte. &bdquo;Der Besucher merkt, das ist alles durchdacht. Das hat mich wirklich beeindruckt und mir bestätigt, dass es ein außergewöhnlich gutes Museum ist", erklärt die neue Chefin. Es präge die Qualität der Häuser, was nicht jedem Besucher bewusst ist. Die Vermittlung davon, wie hoch die Qualität ist, könne man noch verstärken, denkt die 50-Jährige.

Der Trend in Museen gehe seit rund 20 Jahren weg von einer nostalgischen Beschönigung und autoritärem Wissensanspruch hin zu einer Multiperspektivität. Nun würden verschiedene Ansichten dargestellt und die Menschen in ihrer derzeitigen Lebenswelt abgeholt. &bdquo;Was hat das, was ich hier sehe, mit mir zu tun", ist eine zentrale Fragestellung.

Neubau mit Lehmwand Der Neubau wird ihre Arbeit in den kommenden zwei Jahren prägen . Allemeyer freut, dass dort innovativ mit der Nutzung alter Techniken gebaut wird. So wird eine acht Meter hohe und 15 Meter lange Stampflehmwand den Ausstellungsbereich bereichern. Der Lehm kommt von der Baugrube, produziert also kein CO2, und ist zudem noch für die Ausstellungsobjekte gut.

Denn damit diese nicht in zu trockener oder zu feuchter Luft lagern, müssten ansonsten Klimaanlagen eingesetzt werden. Der Lehm wirkt hingegen natürlich ausgleichend. Mit Glas und Holz werden zudem natürlich Baustoffe eingesetzt, selbst die Holzverbindungen sind leim- und metallfrei. Künftige Besucher und Bauherrn werden sich darüber später informieren können.

Marie Luisa Allemeyer dürfte also nicht langweilig werden. Zum Ausgleich zur Arbeit fährt sie Rad, mit Renn- oder Tourenrad. Gern auf Schottpisten. Auch ohne E-Bike möchte sie die Berge in Detmolds Umgebung rauffahren – um von dort den Ausblick zu genießen.

Baustelle wird prägend Das Freilichtmuseum Detmold des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe ist mit 120 historischen Häusern und rund 90 Hektar Fläche das größte Freilichtmuseum Deutschlands. Hier arbeiten rund 160 Mitarbeiter in der Saison, während in den Wintermonaten das Gelände für Besucher geschlossen ist. Mit der noch laufenden Saison zeigte sich Lisa-Marie Möllering von der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung zufrieden. Im März habe man wieder öffnen können, es mussten wegen Corona keine Programme abgesagt werden, und auch die Baumaßnahme habe wohl die Besucher nicht abgeschreckt.

Am Programm für das kommende Jahr wird bereits gearbeitet. Zum Bedauern des Museums musste der beliebte Museumsadvent im Dezember 2022 abgesagt werden. "Die Baustelle muss dann ausgeweitet werden, das geht nur ohne Besucher", verdeutlichte Museumsleiterin Dr. Marie Luisa Allemeyer.

In Zukunft werde der Eingangsbereich, der gerade im Entstehen begriffen ist, vermutlich mit einbezogen und der Markt ausgeweitet. Wie berichtet, erhält das Museum einen neuen Eingang mit Ausstellungsbereich und pädagogischen Räumen. Zudem wird eine Grünanlage samt Platz entstehen. Die Gesamtkosten dürften mindestens mit 38,5 Millionen Euro betragen.

2024 fertig Im kommenden Jahr wird das Thema "Museum under Construction" von 2022 fortgeführt. Etwa Baustellen im Gelände mit Farben markiert. "Dazu gibt es ergänzende Schwerpunkte", so Dr. Allemeyer. Zum Beispiel nachhaltiges Wohnen. Ist der Neubau Ende 2024 fertig, soll es dazu Sonderausstellungen geben. Die großen Veranstaltungen sind für 2023 erneut in Planung, beispielsweise der Freilichtgenuss oder die Tankstellenparty.

Auch in der Museumspädagogik sitzen die Mitarbeiter bereits zusammen. Großen und kleinen Besuchern soll kulturgeschichtliches Wissen in Form von vielen Angeboten begreifbar und erlebbar vermittelt werden.

Museale Kernaufgaben sind Erforschung, Sammlung, Erhaltung, Präsentation und Vermittlung von Kulturgut. Wie haben die Menschen in Westfalen früher gelebt? Wie sah ihr Alltag aus und hat das etwas mit unserem heutigen Leben zu tun? Dies wird in Workshops, Führungen oder Erkundungsbögen vermittelt. Bei einem Spaziergang durch die Kulturlandschaft und die historischen Gebäude lernen Besucher quasi im Vorbeigehen etwas über die Alltagskultur Westfalens.

Erhaltung alter Haustierrassen Die Erhaltung alter Haustierrassen gehört zum Aufgabengebiet der Landschaftsökologie. Auf dem Gelände gibt es eine Vielfalt seltener oder vom Aussterben bedrohter Tierarten: Lakenfelder Hühner, Bentheimer Landschafe, Weiße Deutsche Edelziegen, das Siegerländer Rotvieh oder die Lippegänse. Zudem beteiligt sich die Einrichtung mit zwei Zuchtstuten am Erhalt der ältesten Pferderasse Deutschlands: der Senner Pferde.

Kulturlandschaft, Viehzucht und Ackerbau sind einem historischen Wandel unterworfen. Im Museum ist zu sehen, wie der Mensch und die Landschaft voneinander abhängig waren und immer noch sind. Die Abteilung für Landschaftsökologie wurde 1985 im Museum eingerichtet.16 Gärten und fünf Vorgärten wurden im Laufe der Jahre angelegt, in denen mehr als 200 alte Gemüse- und Staudenarten angepflanzt wurden. Hinzu kommen etwa 200 alte Obstsorten, seltene Heckenformen oder die Darstellung von Ackerbau und Waldbewirtschaftung.

Früher gab es in Gärten eine große Auswahl an Gemüse- und Obstsorten, Gewürz- und Zierpflanzen sowie Heilkräutern. Ziel ist es, diese zu erhalten und durch gezielte Vermehrung und Züchtung vor dem Verschwinden zu bewahren. Doch vor allem ist das Museum für seine historischen Originalbauten bekannt. Um sie aussagekräftig präsentieren zu können, müssen sie zuvor gründlich erforscht werden. Um die Gebäude auf Dauer zu erhalten, werden spezielle Behandlungsweisen und Techniken eingesetzt.

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