Dieser Detmolder forscht und forscht und forscht

Detmold. Die Entwicklung der Möbelindustrie in Lippe? Kein Problem. Mit ein paar Mausklicks und einem Suchbegriff findet Dr. Hans-Joachim Keil in seiner Datenbank einen Bericht, den er im Jahr 2007 angefertigt hat - in der Zeit, als Schieder-Möbel den Bach herunterging und das endgültige Aus erlebte. Dafür hat er Daten von 1977 bis 2006 verarbeitet. Ein Beispiel dafür, woran der Detmolder einst beruflich und auch privat gearbeitet hat. In 45 Jahren sind 500 Dokumente zusammengekommen, die nun in der Lippischen Landesbibliothek für jedermann verfügbar sind. Er war halt im &bdquo;Flow“, sagt der 77-Jährige rückblickend.

Begonnen hat alles bei der Bezirksregierung. Dort arbeitete Hans-Joachim Keil, der Diplom-Vokswirt ist und auch in seinem Fach promoviert hat, ab 1978 in der Regionalplanung für OWL und war Leiter des Dezernats Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur und Raumbeobachtung. Klingt abstrakt? Ist es auch ein Stück weit, denn der Detmolder und seine Kollegen erschlossen sich absolutes Neuland, und zwar in mehrfacher Hinsicht.

&bdquo;Damals gab es eine wahre Planungseuphorie. Man glaubte, man müsse nur genug analysieren und könnte dann alle Probleme lösen“, berichtet der frühere Dezernatsleiter. Ab 1979 habe es eine Datenabfrage des Statistischen Landesamtes gegeben, aber nur wenige Institutionen, die die Daten auswerteten. &bdquo;Ich habe den großen Datenschatz erkannt und wir haben auf unserem Gebiet Pionierarbeit geleistet“, sagt Keil. Er erstellte mit seinen Kollegen Analysen und Prognosen zum Wandel der Bevölkerungsstruktur, der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt und in anderen Bereichen. Auf deren Basis konnten die Entscheider dann bewerten, wieviel Siedlungs- und Gewerbeflächen oder auch Kitaplätze eine Kommune brauchte.

Karten selbst programmiert Daten in Karten zu übersetzen, um sie anschaulicher zu machen, war ebenfalls eine Idee, die der Detmolder vorantrieb. Erste Gehversuche machte er in seiner Freizeit am Commodore VC 20 (Vorläufer des C64), an dem er oft bis in die Nacht hinein programmierte. Mit der technischen Revolution im Hardware- und Software-Bereich wurde es dann leichter. Und es wurden immer mehr Daten erhoben. Bald fertigten Keil und sein Team auch Analysen für ganz NRW und seine 396 Kommunen an.

Es entstanden detaillierte Karten zur Entwicklung von Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Migration, Bau- und Wohnsituation, Verkehr, Tourismus, Bildung, Wirtschaft, Gemeindefinanzierung, Wirtschaftsförderung und mehr. &bdquo;Wir als Regionalplaner haben die Aufgabe, möglichst gleichwertige Lebensbedingungen in allen Landesteilen zu ermöglichen“, erklärt Keil. Mit Stärken-Schwächen-Karten sollte ausgemacht werden, wo fördernde Maßnahmen ergriffen werden mussten.

Aus Zahlenfriedhöfen wird Interessantes Neben dem Rechner im Lesesaal der Landesbibliothek liegen eine ganze Reihe von Heften - vom Bildungsatlas bis hin zu einer Abhandlung über den Wandel der Beschäftigungsstrukturen. Alles Dinge, die Keil einst zusammengestellt und für die er Karten angefertigt hat. Und als der Farbdruck schließlich günstiger wurde, konnten sie auch in Printform verteilt werden.

Trocken sei die Arbeit nicht gewesen. &bdquo;Man war am Puls der Zeit“, sagt der 77-Jährige, dem seine Leidenschaft deutlich anzumerken ist, gepaart mit einer großen Portion Neugier. Aus Zahlenfriedhöfen leitete er Interessantes ab; er entwickelte, wie er selbst sagt, &bdquo;Röntgenaugen“ für den Strukturwandel, den die Region erlebte. Und mit dem Eintritt in den Ruhestand war noch lange nicht Schluss. Nachdem Keil auch vorher schon Berufliches in seiner Freizeit zum Hobby gemacht hatte, machte er ab 2014 einfach privat weiter.

Detmolds Geschichte im Blick Ausgangspunkt war ein Aufruf des Landesarchivs - verbunden mit der These, dass in den zurückliegenden 25 Jahren in Detmold nichts erforscht worden sei. Das wollte Keil nicht so recht auf sich sitzen lassen und meldete sich freiwillig. Fortan widmete er sich historischen Themen wie Sinalco , den Detmolder Ortsteilen, der Villenkolonie &bdquo;Friedrichshöhe“ oder dem Politiker Adolf Neumann-Hofer. &bdquo;Ich habe mich eingearbeitet und es hat mir so einen Spaß gemacht“, sagt der Detmolder, der auch immer wieder Vorträge hält und Führungen anbietet.

Alles in allem hat der 77-Jährige mittlerweile 500 Dokumente gesammelt, 400 davon aus eigener Feder. Dazu zählen empirische Untersuchungen, historische Abhandlungen, Vorträge, Audio-Dateien und vieles mehr, fein säuberlich geordnet in einer selbst erstellten Datenbank. &bdquo;Die Statistiken sind mittlerweile veraltet, das ist klar“, räumt Keil ein. Für Heimatforscher könnten sie aber dennoch interessant sein.

Landesbibliothek ermöglicht Zugriff Kürzlich hat er sein Publikations-, Vortrags- und Methodenarchiv an die Lippische Landesbibliothek übergeben, wo es jetzt auf einem Rechner im Lesesaal zugänglich ist und von dem Dateien heruntergeladen werden können. Eine Übersicht über die Arbeiten ist online über die Seite www.regionalanalysen.de einzusehen. &bdquo;In dieser Detailtiefe gibt es nichts Vergleichbares über die Region“, urteilt Bibliotheksdirektor Dr. Joachim Eberhardt .

Hans-Joachim Keil beendet seine Vorführung zu der Datenbank und räumt langsam zusammen. Ist nach der Übergabe etwa endgültig Schluss? Er winkt ab, ein Projekt längst im Blick. Vergangenes Jahr hat er damit begonnen, historische Fotos von Stadtansichten aktuelle Aufnahmen von derselben Stelle gegenüberzustellen. Diese &bdquo;Zeitreise“ will er auf jeden Fall fortsetzen.

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