Von „Urhöfen“ zu Industrie: So entwickelte sich die Wirtschaft in Heiligenkirchen

Detmold-Heiligenkirchen. Sage und schreibe 23 Lebensmittelläden hat es in Heiligenkirchen einmal gegeben, vier Tankstellen boten Sprit an. Trotz der mit der Zeit zunehmenden Mobilität spielte sich das Leben im Wesentlichen noch im Dorf ab - so wie das bei vielen Orten der Fall war. Anlässlich des 1010-jährigen Bestehens des Detmolder Ortsteils hat sich Dr. Hans-Joachim Keil die wirtschaftliche Entwicklung angesehen - und in einer App, die kostenlos erhältlich ist, zusammengestellt.

Bauernhöfe als Keimzelle &bdquo;Im Mittelalter spielte sich das Wirtschaftsleben vorwiegend auf den Bauernhöfen ab“, berichtet der Wirtschaftswissenschaftler und Heimatforscher, der für seine Recherche Adressbücher, Verzeichnisse, Festschriften und andere Quellen gesichtet hat. Noch gab es keinen kompakten Ort wie heute, sondern eher eine lose Siedlungsstruktur. Links und rechts der Berlebecke befanden sich mehrere weit auseinandergelegene &bdquo;Urhöfe“ mit ihren Ländereien sowie ein Thingplatz, an dem Versammlungen abgehalten wurden. Dazu gehörten Namen wie Wantrup und Watermann oder der Köllerhof an der Denkmalstraße, gegründet um 800 - eine Liegenschaft, die es auch heute noch gibt.

Im Laufe der Jahrhunderte kamen weitere hinzu, andere wurden geteilt oder zusammengelegt. Das Rittergut Hornoldendorf ist ein Beispiel dafür: Es wurde 1610 aus drei Höfen als gräfliche Domäne gegründet und 1614 zum Rittergut, welches rund 271 Hektar umfasst. Im Jahr 1786 gab es in Hornoldendorf dann schon 12 Kolonate (Bauernhöfe), Heiligenkirchen und Schling kamen auf 27. Außerdem waren im Dorf mittlerweile verschiedene Handwerker ansässig, wie Keil herausgefunden hat: Radmacher, Schuster, Maurer, Schneider, Drechsler, Zimmerleute und Schmiede.

Wasserkraft wurde genutzt &bdquo;An den Bachläufen entstanden mit Wasserkraft angetriebene Sägewerke und Schmieden“, berichtet Dr. Hans-Joachim Keil. Eine Wassermühle in Heiligenkirchen ist erstmals 1410 urkundlich erwähnt worden. Die sogenannte Kammermühle der gräflichen Rentkammer stand am Alten Mühlenweg 12. Später war hier das Sägewerk Ferdinand Steinmayer untergebracht.

Ein weiteres Beispiel sind die Mühle und das Sägewerk Wendiggensen, nach 1865 an der Externsteine Straße 2 errichtet - dort wo die Wiembecke in die Berlebecke fließt. 1889 ging die Immobilie laut dem Heimatforscher in das Eigentum von Ferdinand Wallbrecht vom Rittergut Hornoldendorf über. Er betrieb hier ein Sägewerk, welches noch bis 1962 in Betrieb war. Genauer gesagt bis zum Abriss für den Ausbau der Kreuzung von Paderborner- und Externsteinestraße.

Gasthäuser entstanden Weitere Wirtschaftszweige kamen hinzu, darunter die Gastwirtschaft. &bdquo;Für die Reisenden und für das gemeinschaftliche dörfliche Leben wurden Gasthäuser gebaut“, berichtet Dr. Hans-Joachim Keil. Schon ab 1660 soll es am Krugplatz 3 mit dem &bdquo;Gröpperkrug“ ein erstes Schankhaus gegeben haben, einige Jahre später entstand direkt nebenan ein weiteres. Die Schankwirtschaft im Haus Wendt ist noch heute ein Begriff, immerhin diente das Gebäude ab 1948 als Rathaus von Heiligenkirchen und beherbergt heute das Cultur-Café.

Der Falkenberger Hof, Am Krugplatz 14 , zierte sogar Postkarten aus Heiligenkirchen. 1901 waren hier auch die Poststation und eine öffentliche Fernsprechstelle untergebracht. Der Gasthof &bdquo;Zur Lippischen Rose“ am Kirchweg, die Gaststätte Café Pension &bdquo;Zur Lippischen Schweiz“ an der Denkmalstraße und weitere waren Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ebenfalls in Betrieb - und sollten nicht die einzigen bleiben.

Industriebetriebe &bdquo;auf der grünen Wiese“ Im 19. Jahrhundert nahm mit der aufkommenden Industrialisierung die Arbeitsteilung zu und es entwickelten sich vermehrt Handwerksbetriebe und Industrieunternehmen, wie Dr. Hans-Joachim Keil berichtet. Dazu gehörte zum Beispiel die Maschinenfabrik D. Wendiggensen, Paderborner Straße 65, die 1873 als Landmaschinen- und Mühlenbaufabrik entstand. 1940 übernahmen Arndt & Brinkmann den Standort, die ab 1955 Schleifmittel produzierten und immer größer wurden. Mittlerweile ist die Firma Arminius Schleifmittel GmbH sogar international tätig .

Die Lippische Möbelfabrik GmbH, Alter Mühlenweg 5, wurde Ende des 20. Jahrhunderts von August Plöger gegründet. 1952 folgte an dieser Stelle ein weiterer großer Name: H.+P. Sommerkorn Victoria Nähmaschinen, eine Firma aus Herford, die ihren Sitz nach Heiligenkirchen verlagerte. &bdquo;Im Laufe der Jahre wuchs die Firma zu einem Großbetrieb. Es mussten weitere Grundstücke zugekauft werden“, berichtet der Heimatforscher. Ab 1991 vermietete die GmbH & Co. KG einzelne Gebäude und Hallen an über zehn verschiedene Mietparteien (Kampfsportschule, Reifenhandel, Schönheitssalon und andere); noch heute befindet sich die Haltestelle &bdquo;Sommerkorn“ an der Paderborner Straße.

Fremdenverkehr &bdquo;Mit der Aufnahme des Straßenbahnverkehrs zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Detmolder Bahnhof nach Heiligenkirchen und Berlebeck wurden die Hotels &bdquo;Zur Erholung“ (später &bdquo;Achilles“) und die Sommerfrische Pieper (später Hotel &bdquo;Friedrichshöhe“) gebaut“, erläutert Dr. Hans-Joachim Keil. Später kamen weitere hinzu. Wegen der attraktiven Lage am Hang des Teutoburger Waldes entwickelte sich Fremdenverkehr. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden vermehrt Pensionen und Privatzimmer für Feriengäste angeboten. &bdquo;So konnten oft die Frauen mit der Vermietung und Bewirtung ein zweites Einkommen für ihre Familie erwirtschaften.“

1971 wurde mit 23.858 Übernachtungen ein Rekord erreicht und der Umsatz belief sich schätzungsweise auf über eine Million D-Mark. &bdquo;Dadurch war vergleichsweise viel Geld in der Gemeinde. So ist es verständlich, dass zur damaligen Zeit in Heiligenkirchen so viele Geschäfte und Gaststätten existieren konnten“, schätzt der Heimatforscher. Dann fuhren immer mehr Bürger in südliche Urlaubsländer und in Heiligenkirchen wurden alle vier Hotels und die Pensionen nach und nach geschlossen.

Einzelhandel und Dienstleister &bdquo;Heiligenkirchen hatte im 20. Jahrhundert zahlreiche Geschäfte, Lokale und Dienstleistungsangebote. Da viele Familien zunächst kein Auto besaßen, mussten die Bewohner viele Besorgungen in ihrem Dorf erledigen“, erklärt Dr. Hans Joachim Keil. Mit der zunehmenden Motorisierung der Bevölkerung und der Einkäufe in den Geschäften in der Detmolder Fußgängerzone und in den Supermärkten am Stadtrand wurden etliche Geschäfte und Gaststätten in Heiligenkirchen geschlossen. Dafür werden heute immer mehr Dienstleistungen angeboten: Physiotherapie, Sport und Kampfsportstudios, IT-Beratung, Fotostudios, Werbeagenturen, etc.

Die PDF-App Dr. Hans-Joachim Keil hat bei seiner Recherche mehr als 300 Betriebe ausgemacht, die es in Heiligenkirchen gegeben hat oder noch gibt, und in einer PDF-App zusammengestellt. Über Links gelangen Nutzer zu Unternehmensseiten oder auch zum &bdquo;Lippe Häuser Wiki“ von Dr. Jochen Kleinmanns sowie den genauen Standorten in Google Maps, sodass sie die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung nachverfolgen können. Die PDF-App kann kostenlos über die folgende Internetseite heruntergeladen werden: http://www.regionalanalysen.de/

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