Verzweiflung in Klüt: „Wir hatten gerade alles wieder neu gemacht!“

Detmold-Klüt. &bdquo;Mein Herz flattert, die Knie zittern.“ Biggi Kegel hat ein schreckliches Déjà-vu. Sie wohnt in der Dürener Straße und hat Schlamm im Wohnzimmer und einen vollgelaufenen Keller - fast genau wie vor 13 Monaten . Dabei hatte Familie Kegel sich diesmal vorbereitet. Biggi Kegel zeigt das von ihr liebevoll so getaufte &bdquo;Katzenbrett“, mit dem sie etwa kniehoch die Terrassentür von außen abgedichtet hatte, mit zusätzlichen Sandsäcken davor, als die Sturmwarnung kam - am Ende sollte der Ortsteil am Donnerstag erneut überschwemmt werden .

&bdquo;Das Wasser ist einfach drüber gekommen“, erinnert sie sich. &bdquo;Wir haben Handtücher und Bettwäsche zum Aufsaugen hineingeworfen. Und als wir schon fast alles wieder trocken hatten, kam die zweite Welle.“ Sieben Stunden habe man danach alles gewienert, erzählt ihr Mann Rodolfo. Diesmal sei das Wasser auch im Keller durch die Bodengullys gekommen, erzählt Biggi Kegel. Diesmal sei mehr kaputt gegangen, als im vergangenen Jahr, sagt sie. &bdquo;Auch Herz und Seele. Ich finde keine Worte mehr.“

Die Öltanks halten dicht Ein wenig Glück im Unglück hatten Kegels: Die gerade frisch gefüllten Öltanks im Keller haben dichtgehalten. Also bleibt ihnen die beißend stinkende Heizöl-Brühe erspart, die im vergangenen Jahr durch mehrere Wohnungen schwappte und die Sanierungen langwieriger machte. Viele ihrer Nachbarn hatten sich nach dieser Erfahrung damals eine Gasheizung einbauen lassen. Auch bei Kegels liegt der Gasanschluss schon vor dem Haus. Weil ihre Heizung nach der Flut 2023 aber nicht kaputt war, waren sie beim Heizöl geblieben.

Überall in der Siedlung knattern Stromgeneratoren oder Motorpumpen. Von links hinter der Hecke sind die kratzenden Geräusche eines Spatens zu hören, von rechts schmatzende Schritte: Stiefel in Schlamm. Von der Hauptstraße schallt das Piepen eines Radladers im Rückwärtsgang herüber.

Das Wasser sprudelt aus dem Keller Christel Düsterwald zeigt ein Video auf dem Smartphone. Unter der Kellertür her sprudelt das Wasser in den Flur und bahnt sich von dort seinen Weg in Küche und Wohnzimmer. Knöchelhoch habe es diesmal wieder im Erdgeschoss gestanden, berichtet sie. An der Terrassentür ist noch eine Wasserkante zu sehen: Draußen war der Wasserstand eher einen halben Meter hoch. Gerade neu angeschaffte Möbel stehen offen zum Trocknen, die Polstergarnitur ist zum Auslüften leicht gekippt. Der nagelneue Gefrierschrank und die Waschmaschine aus dem bis unter die Decke vollgelaufenen Keller konnten gleich wieder als Elektroschrott entsorgt werden. &bdquo;Wir haben gestern bis Viertel vor elf hier geackert“, sagt Christel Düsterwald.

Vor drei Monaten war sie mit ihrem Mann in ihre Wohnung zurückgekehrt , nachdem sie sich während deren Sanierung in einer Ferienwohnung einquartiert hatten. Nun muss geklärt werden, ob der Estrich unter dem Erdgeschossboden womöglich schon wieder herausgestemmt werden muss. Ein Fall für den Bausachverständigen.

Bei der zweiten Welle geben die Helfer auf &bdquo;Am schlimmsten war, dass man - als das Wasser aufhörte zu sprudeln - dachte, man sei aus dem Gröbsten raus und dann fing alles wieder von vorne an.“ Die zweite Welle, wohl ausgelöst vom überlaufenden Regenrückhaltebecken - dem alten Feuerlöschteich - hinter den Reihenhäusern an der Dürener Straße. &bdquo;Das war der Zeitpunkt, wo auch die Helfer gegangen sind: Hat ja keinen Zweck.“

Die Stadt möchte das Rückhaltebecken nun aufwendig umbauen, um überschüssiges Wasser besser an der Kanalisation vorbei in die Wiesen leiten zu können. Eine Mauer soll die Gärten und die Häuser schützen.

Gerade wartet Christel Düsterwald darauf, dass die Stadtwerke den Strom wieder anstellen. Die Fische in ihrem Aquarium sind auf funktionierende Pumpen angewiesen. Sollte der Strom schnell wieder gehen, hoffen die Düsterwalds diesmal in der Wohnung bleiben zu können, der Gasheizung sei Dank. Zwar ist die hinüber, so dass es erstmal kein warmes Wasser gibt, aber die Wohnung riecht immerhin nicht wieder nach Heizöl. Im Keller duftet es sogar nach Frühlingsfrische, weil sich Waschmittel mit dem eingedrungenen Regenwasser vermischt hat.

Dorfgemeinschaft hilft mit Versorgungsstand An der Aachener Straße betreuen Christina Lindhorst vom TSV Bentrup-Loßbruch und Mareike Klemm einen kleinen Versorgungsstand mit Gebäck, Obst und Getränken. &bdquo;Wir sind ja schon in Übung vom vergangenen Jahr“, sagt Klemm. Die Lebensmittel sind Spenden aus der Dorfgemeinschaft und vom TSV.

Mathias Manksch trägt gerade zwei Eimer mit schlammverschmierter Wellpappe zur Mulde. &bdquo;Ich habe hier letztes Jahr noch nicht gewohnt, aber ich glaube, es wäre diesmal nicht so schlimm geworden, wenn das Rückhaltebecken gehalten hätte“, äußert er Kritik. &bdquo;Stattdessen war es ein reißender Schlammfluss am Ende der Dürener Straße.“

Der floss durchs Haus von Isabell Rosenblatts Großvater (88). &bdquo;Das Füße abstreifen können Sie sich sparen“, sagt sie vor dem Rundgang durch die Wohnung. Schlammspuren verunstalten das neue Laminat. &bdquo;Wir hatten gerade alles wieder neu gemacht und er hatte sich schon sehr darauf gefreut, hier wieder einziehen. Nun wird das wohl nichts mehr.“ Wie bei ihren Nachbarn auch, floss das Wasser über den Außenzugang in den Keller und verteilte sich, als der vollgelaufen war, über dessen Innenzugang im Erdgeschoss. Zum Glück seien noch keine neuen Möbel gekauft worden, sagt Rosenblatt. &bdquo;Das ist nun das zweite Mal in einem Jahr“, sagt Rosenblatt. &bdquo;Das ist total traurig für die Menschen, die hier wohnen. Und was hatte die Stadt nicht alles versprochen.“ Es sei ja nicht nur das Saubermachen. &bdquo;Auch die Regelung mit der Versicherung zieht sich. Und dann Handwerker zu finden...“ Rosenblatt lebt eigentlich in Köln und war nur zufällig vor Ort, weil sie ihren Großvater aus dem Krankenhaus abholen wollte.

Manchmal hilft nur noch Galgenhumor Die Nachbarn, Familie Smith, war gerade in den letzten Zügen der Renovierung - gewesen. &bdquo;Ich habe natürlich heute gleich den Maler zur Sau gemacht, weil der die Treppe schlamm-braun gestrichen hat“, sagt Claudia Smith mit deutlichem Galgenhumor. Gerade hatte sie mit ihrem Mann Chris und Sohn Paul das Gästezimmer im ersten Stock wieder herrichten wollen - und dabei beim Auseinanderklappen des Gästesofas Schimmel bemerkt. Wohl noch von Restfeuchtigkeit der letzen Überflutung. Also hatten sie alles ins Erdgeschoss getragen. &bdquo;So sind nun alle Sachen, die vor einem Jahr überlebt hatten, nun auch hinüber“, bilanziert Claudia Smith.

In der Mittelstraße spritzt Rainer Diekmann mit einem Schlauch letzte Schlammreste vor seiner Haustür weg. Wie im vergangenen Jahr rutschte eine Schlammlawine vom Feld oberhalb über das Gärtnerei-Grundstück. Etwa einen Meter hoch habe sich der Dreck auf dem Hof aufgetürmt, erzählt er. Viele Säcke mit Graberde hatten als improvisierte Barriere gedient, um sein Wohnhaus zu schützen. &bdquo;Die können wir nun natürlich nicht mehr verkaufen, weil wegen der Nässe der Dünger aktiviert worden ist“, sagt er. Inzwischen sieht alles schon wieder manierlich aus. Diekmann hat dank des Gärtnereibetriebs Radlader und Traktoren zur Verfügung und kann den Schlamm so schnell beseitigen. Er freut sich über die Hilfe von allen Seiten. &bdquo;Die Gaststätte Donoper Teich hat für 50 Leute Essen vorbei gebracht!“

&bdquo;Man muss damit leben und daraus lernen“ &bdquo;Die Stadt kann ja nicht für jeden da sein“, sagt Diekmann. &bdquo;Wer Haus und Hof hat, ist selbst für sein Grundstück verantwortlich.“ Die Maßnahmen der Stadt hätten durchaus gegriffen, es sei aber einfach zu viel Wasser in zu kurzer Zeit gewesen. &bdquo;Man muss damit leben und daraus lernen.“ Allerdings weist er darauf hin, dass es früher einen offenen Kanal vom Feld zum Klüter Bach gegeben habe. Den sollte die Stadt wiederherstellen, schlägt er vor. Das einzig schwierige sei dabei die Unterquerung der Mittelstraße.

Das sei tatsächlich von der Stadt als Notwasserweg vorgesehen, sagt Stadt-Pressesprecher Thorsten Engelhardt. Man sei noch mit dem Grundstückeigentümer in Verhandlungen. Einige man sich nicht, leite man das Wasser weiter über einen von der Mittelstraße Richtung Klüter Bach vorhandenen Fußweg.

Angelique Diekmann schimpft über Katastrophentouristen: &bdquo;Schaulustige sollten wenigstens vernünftig fahren und sich nicht noch am spritzenden Wasser erfreuen! Es muss ja nicht sein, dass unsere Männer mit dem Arm im Kanal stecken und dann noch von zu schnell vorbei fahrenden Autos mit Wasser und Matsch bespritzt werden.“ Außerdem hätten Gaffer die Arbeit von Polizei und Feuerwehr behindet. &bdquo;Das war schon im vergangenen Jahr so.“

Wasserrückhalte-Wall seit 2023 als Provisorium Etwas weiter Richtung Ortsausgang ist die Stimmung an der Mittelstraße gegenüber der Stadt etwas weniger gnädig. &bdquo;Ich will nicht sagen, dass nichts gemacht wurde, aber so richtig sieht man das nicht“, sagt Kevin Smithen. &bdquo;Und am 25. August bei Vollmer auf dem Saal hat die Stadt schon viel versprochen.“ Mit noch vom vergangenen Jahr vorhandenen Sandsäcken dichtete er diesmal seinen Carport zur Straße hin ab, so dass er nun weniger Schlamm zu entfernen hat. &bdquo;Im Gegensatz zu den Menschen in der Dürener Straße sind wir hier glimpflich davongekommen“, stellt Smithen klar.

Gebaut worden ist ein provisorischer Wasserrückhalte-Wall auf einem südlich an die Mittelstraße angrenzenden Feld, von dem 2023 ein Großteil des Schlamms in die Mittelstraße geflossen war. Dieser Damm habe gehalten und sie nicht gebrochen, beharrt Ludger Claes, der ihn für die Stadt angelegt hat - auch wenn manche Anwohner anderer Meinung sind. &bdquo;Der Wall, der 2023 als Provisorium angelegt worden ist, hat seinen Dienst wieder gut erfüllt“, sagt Stadt-Pressesprecher Engelhardt. &bdquo;An einer Stelle ist Wasser übergetreten, was aber beabsichtigt war. Dort hat es die Dammkrone etwas weggeschwemmt, was aber sofort mit Hilfe eines Baggers repariert worden ist.“ Denn beim zweiten Schauer habe man eine Sicherheitswache am Damm gehabt.

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