Detmold. 2014 luden die Theater Bielefeld und Paderborn, das Landestheater Detmold, die Hochschule für Musik Detmold und die Nordwestdeutsche Philharmonie zur zweiten Biennale nach Detmold ein. Thema war „Kunst sucht Natur – Die Biennale im Teutoburger Wald“. Ostwestfalen-Lippe als Kulturlandschaft durch ein gemeinsames großes Festival der fünf bedeutenden Kulturinstitutionen der Region zu präsentieren, feierte 2012 auf Schloss Rheda mit der ersten Auflage der Biennale eine erfolgreiche Premiere.
Die Idee für eine „OWL Biennale“ kam Christiane Pfitzner, damals Vorsitzende der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld, sowie Unternehmer Wolfgang Böllhoff und Wirtschaftsprüfer Ulrich Greiffenhagen bereits 2009. Ihr Engagement war ehrenamtlicher Natur, welches von der Politik weder angeschoben noch im Verlauf finanziell gefördert wurde; einzelne Veranstaltungen bestätigten die Regel.
Fünf Häuser, ein Ziel
„Unser Bestreben war, zu zeigen, wie unterschiedlich, vielfältig und damit spannend sich fünf Kulturinstitutionen in unmittelbarer Nachbarschaft entwickeln. Alle haben eine eigene künstlerische Daseinsberechtigung und ein eigenes künstlerisches Profil. Mit Nachdruck darauf aufmerksam zu machen, welche kulturellen Schätze unsere Region zu bieten hat“, so Pfitzner. Ziel war auch, den Regierungsbezirk innerhalb von NRW gegenüber der Rhein-Ruhr-Schiene sichtbarer werden zu lassen. Unternehmer Böllhoff wünschte sich nicht zuletzt die Profilierung eines „kunst- und kulturfreundlichen Ambiente, um Arbeitskräfte zu werben“. So wurde das OWL-Kulturfestival geboren, bis auf wenige Ausnahmen basierend auf Spenden.
Für die Umsetzung hatte man die Spitzenkulturträger der Region im Auge: die Nordwestdeutsche Philharmonie in Herford, Landestheater und Hochschule für Musik in Detmold sowie das Stadttheater Bielefeld und die Kammerspiele Paderborn. Pfitzner erinnert sich: „Wir mussten zuerst die fünf Häuser ansprechen, über Machbarkeit reden und natürlich über künstlerische Gestaltungsmöglichkeiten.“
Der Biennale-Verein wurde 2010 gegründet, die Finanzierung konnte durch „Klinkenputzen“ bei der heimischen Wirtschaft erreicht werden. Mit einem Mehrspartenprogramm, das Uraufführungen ebenso enthielt wie Aufführungen der beteiligten Institutionen außerhalb ihrer eigenen Spielstätten – wie auf der Waldbühne am Hermannsdenkmal – sowie Gastauftritten bekannter Persönlichkeiten, war das Festival erfolgreich. An einigen Veranstaltungen arbeiteten Künstler aller fünf Institutionen zusammen – die Verwirklichung eines erklärten Ziels der Organisatoren. 2014 kamen rund 3000 Zuschauer zu den 18 Festival-Veranstaltungen. Doch nach dem „Prolog“ 2011, dem ersten Durchgang 2012 (beide Male mit Schloss Rheda als Zentrum) und der Fortsetzung 2014 (Detmold) fand schon die geplante, dritte Biennale nicht mehr statt.
Gründe für die Aufgabe des Festivals
Warum ist das Konzept nicht aufgegangen? Dafür gab es zum einen logistische Gründe. Pfitzner: „Die Biennale musste während der Spielzeit stattfinden, also im laufenden Betrieb, nicht in der Sommerpause.“ Dazu kam die finanzielle Ausstattung, die zunächst ausreichend erschien: Neben den privaten Finanzgebern waren die fünf Kulturinstitutionen involviert, deren Anteil aus künstlerischen Beiträgen bestand. Da die Träger eine Werbemöglichkeit für sich sahen, hat jeder seine Beiträge aus dem eigenen Etat finanziert. Doch, „zusätzliche derartige Veranstaltungen gehen dem Haus als Einnahme verloren. Dies müssen die Leitungen der einzelnen Häuser ebenfalls für sich gewichten“, so Pfitzner.
Das Bielefelder Stadttheater musste 2016 zusätzlich noch die Summe von 800.000 Euro einsparen. Der finanzielle Anreiz war letztlich für die Häuser nicht gegeben. Gemeinsam hätten alle Beteiligten schließlich feststellen müssen, dass es so nicht gehe.
Andere Konzepte, andere Modelle
Das seit 25 Jahren bestehende OWL-Literaturfestival „Wege durch das Land“ bleibt aktuell die einzige Kulturreihe, die Veranstaltungen in der ganzen Region ausrichtet. Würde die „OWL Biennale“ noch existieren, wenn zum gleichen Zeitpunkt Auftritte an mehreren Orten stattgefunden hätten?
Für Pfitzner hinkt der Vergleich: „,Wege durch das Land’ hat ein Festivalbudget, das um ein Mehrfaches über dem der Biennale liegt. Dort sind pro Aufführung relativ wenige Künstler beteiligt. Man braucht in der Regel lediglich Tonverstärkung, Licht, ein Lesepult, Notenständer und Bestuhlung. Dies ist sehr viel unproblematischer, alsdrei Orchester und Künstler aus fünf Häusern im laufenden Spielbetrieb zu verschränken, dafür die erforderlichen Probenvorläufe zu finden und die deutlich aufwendigere Bereitstellung von Bühnen und Bühnenbild, Licht und Video zu organisieren.“
Eine Initiative mit ähnlicher Zielsetzung – Förderung der Kultur in ganz OWL – war das „OWL-Familienmusikfest“, das 15 Mal, von 2006 bis 2020, jedes Jahr in einer anderen Stadt stattfand, und von der Philharmonischen Gesellschaft OWL organisiert wurde. Die Besucherzahlen erreichten – an jeweils nur einem Ausrichtungstag – ähnliche Werte wie die Biennale. Wie vieles andere wurde das Fest 2020 durch Corona ausgebremst – laut dem Organisator Thomas Trappmann ist vorerst kein Neubeginn geplant.
Dessen ungeachtet: wäre die „OWL Biennale“ mit einem Ein-Tages-Konzept besser gefahren? Pfitzner winkt ab: „Ein Tag für fünf Häuser? Das wäre Kunst in der Sardinenbüchse. So klein und eingleisig sind die Betriebe ja nun wirklich nicht.“ Dagegen spreche auch der technische Aufwand, der sich für weniger Tage nicht rentiere.
Konzept mit Chance?
Ist es Zeit für einen neuen Anlauf zehn Jahre später? Seit der Absage der dritten Auflage des Festivals 2016 ist niemand von den fünf Trägern auf die Organisatoren zugekommen. „Man muss deutlich mehr Geld dafür in die Hand nehmen“, prognostiziert Christiane Pfitzner. Wolfgang Böllhoff glaubt, dass die Finanzierung im Umfang von damals noch heute möglich sei, eine Verdopplung aber nicht. Er meint jedoch: „Wenn sich wieder ein Team fände, hat das Konzept eine Chance. Und wenn es finanziell für sie interessant ist, können die Intendanten überzeugt werden.“ Im Hinblick auf die Träger ist Christiane Pfitzner allerdings vorsichtiger: „Darüber müsste man wie schon zuvor mit allen sprechen.Die Lust dazu muss aus den Häusern kommen, das kann niemand erzwingen.“
Thomas Grosse, Rektor der Detmolder Hochschule für Musik, sieht eine Neuauflage kritisch: „Großprojekte wie die ,OWL Biennale' stellen besondere Anforderungen an die beteiligten Institutionen und sind immer dann schwierig zu realisieren, wenn die Rahmenbedingungen unterschiedlich sind.“ Michael Heicks, Co-Intendant Bühnen und Orchester Bielefeld, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: „Die OWL Biennale war eine tolle Idee und sowohl vom Publikumszuspruch als auch von der überregionalen Wahrnehmung ein großer Erfolg. Bei rund 700 Veranstaltungen, die wir pro Spielzeit haben, ist ein solch großes Festival ein logistischer – und auch finanzieller – Kraftakt, der in der Regelmäßigkeit nicht zu stemmen ist.“ Grundsätzlich sei man aber interessiert, mit anderen Institutionen in OWL gemeinsame Projekte auf die Beine zu stellen.