Detmold. Die Orchestergesellschaft Detmold hat unter dem Titel „Spuk - Mythos - Legende“ rund 500 Gäste des Konzerthauses in die Welt mystischer Sagen entführt. Unter Leitung des neuen Dirigenten Robert Lillinger, Solorepetitor mit Dirigierverpflichtung am Landestheater Detmold, erklang ein romantisches Programm mit unbekannten und bekannten Werken. Leichte Intonationstrübungen schadeten dem Erfolg des Orchesters nicht, das seit 1989 ambitionierten Musikliebhabern die Möglichkeit bietet, Fähigkeiten im Orchesterspiel zu pflegen.
Den Auftakt des Abends machte die selten gespielte Faust-Ouvertüre von Emilie Mayer (1812-1883). Die zu Lebzeiten hoch angesehene Komponistin wurde als „weiblicher Beethoven“ bezeichnet, doch ihre Werke gerieten in Vergessenheit. Die Faust-Ouvertüre (1879), eines der letzten großen Orchesterwerke der Sinfonikerin, erwies sich als eindrucksvolles Werk mit dramatischen Kontrasten, packender Dynamik und ausgefeilter Orchestrierung. Zentrale Episoden des berühmten Goeth`schen Dramas hat die Komponistin programmatisch vertont wie den grübelnden Faust im Studierzimmer oder den dämonischen Mephisto.
Das Orchester gestaltete die dynamischen Wechsel souverän, sodass die dunkle, geheimnisvolle Atmosphäre der Musik voll zur Geltung kam. Besonders in pathetischen Tuttiklängen entfaltete das Orchester sinfonische Strahlkraft.
Publikum ist sichtlich berührt
Ein Höhepunkt des Abends war Robert Schumanns Konzert für Violoncello und Orchester a-moll, op. 129. Das Konzert erlebte erst vier Jahre nach Schumanns Tod im Jahr 1860 seine Uraufführung. Wie eine suchende Seele gleitet das Solocello sehnsüchtig durch ein unheimliches Geisterreich und durchlebt viele Emotionen. Als Solist brillierte André Gunko, der mit einem warmen, nuancierten Ton und tiefem Ausdruck imponierte.
Der 1997 geborene Portugiese studiert momentan in der Celloklasse von Xenia Jankovic in Detmold. Besonders im zweiten Satz nahm er einen beeindruckenden Dialog mit dem Cello des Orchesters auf. Beiden Cellisten gelang ein intimes, fast gesangliches Spiel, das das Publikum sichtlich berührte. Das Orchester ließ ihm genug Raum, seine Virtuosität zu entfalten und begleitete ihn dezent, wodurch die lyrischen Passagen des Werks hervorkamen.
Emanzipation vom „Riesen Beethoven“
Den krönenden Abschluss bildete Johannes Brahms’ Sinfonie Nr. 1 c-moll, op. 68. Über 14 Jahre beschäftigte sich der Komponist mit diesem Werk, bevor es 1876 uraufgeführt wurde. Zu stark war der einschüchternde „Riese“ Beethoven, von dem er sich erst emanzipieren musste. Die oft als „Beethovens Zehnte“ bezeichnete Sinfonie fordert das Orchester mit ihrer wuchtigen Eröffnung, den dichten orchestralen Strukturen und dem mitreißenden Finale heraus.
Anklänge an Beethoven durchziehen das ganze Werk. Dirigent Robert Lillinger führte das Ensemble schwungvoll durch das anspruchsvolle Werk, wobei insbesondere die Streicher mit sattem Klang und die Bläser mit fein abgestimmten Farben überzeugten. Der berühmte Schlusschoral erklang in Erhabenheit und entwickelte eine große emotionale Wucht. Das Publikum zeigte sich begeistert und dankte mit lang anhaltendem Applaus.