Patient (93) verklagt Klinikum Lippe auf Schmerzensgeld

Detmold. Ist die falsche Pflege im Detmolder Krankenhaus die Ursache dafür, dass ein damals 92-jähriger Patient nach dem zweiwöchigen Klinikaufenthalt zum Pflegefall wurde? Diese Frage muss das Landgericht Detmold demnächst klären. Der Patient, genauer seine Tochter, klagt auf Schmerzensgeld. Mindestens 15.000 Euro soll die Klinik zahlen.

Klinik äußert sich nicht Denn, so die Klägerin, ihr Vater sei unter anderem gegen seinen Willen fixiert worden, um zu verhindern, dass er auf die Toilette gehen kann. Die Klinik hält laut Gerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth dagegen, dass es eine ärztliche Anordnung für ein Gitter am Patientenbett gegeben habe - zum Wohle des Patienten. Denn das Klinikpersonal habe befürchten müssen, dass der Mann möglicherweise gestürzt wäre und sich weitere Verletzungen zugezogen hätte. Er sei nicht mehr ganz klar bei Verstand und sehr uneinsichtig gewesen und habe unbedingt selbstständig aufstehen wollen, zitiert Wormuth aus den Gerichtsakten. Die Klinik selbst antwortet auf eine LZ-Anfrage schmallippig: &bdquo;Zu laufenden Gerichtsverfahren äußert sich das Klinikum Lippe grundsätzlich nicht“, schreibt Pressesprecher Christian Ritterbach.

Der alte Herr war vor gut einem Jahr, am 7. Februar 2024, in die Klinik eingeliefert worden, weil er sich das Ellenbogengelenk des rechten Arms ausgerenkt hatte. Zwei Wochen lang, bis zum 22. Februar, dauerte der Klinikaufenthalt. Bei zwei Besuchen habe die Tochter festgestellt, dass ihr Vater mit einem Bauchgurt fixiert worden sei und es außerdem ein Gitter am Bett gab. Ein aus Sicht der Klägerin &bdquo;ungerechtfertigter Eingriff in die persönliche Freiheit“.

Fixierung ärztlich angeordnet? Rechtsanwalt Martin Becker, der die Klägerin vertritt, sagt: &bdquo;Aus der Patientenakte ergibt sich, dass die Fixierung unnötig war. Zudem besteht der Verdacht, dass die medizinische Anordnung nachträglich erstellt worden ist.“ In einem weiteren Fall sei der 92-Jährige fixiert worden, ohne dass es eine ärztliche Anordnung gegeben habe: &bdquo;Das lässt vermuten, dass das Pflegepersonal hier selbstständig entschieden hat“, sagt der Rechtsanwalt.

Die Klägerin bemängelt zudem, dass ihr Vater nicht hinreichend mit Essen und Trinken versorgt worden sei. Bei Besuchen habe sie feststellen müssen, dass Essen hingestellt worden sei, sich aber niemand darum gekümmert habe, dass ihr Vater auch esse. Alleine habe er aufgrund des operierten rechten Arms nicht essen können. &bdquo;Die Flüssigkeitsaufnahme gerade bei betagten Patienten ist immens wichtig. In der Patientenakte haben wir dazu keine Dokumentation gefunden“, bemängelt Rechtsanwalt Becker.

Die Klinik argumentiert laut Gerichtssprecher Wormuth, dass der Patient selbst entschieden habe, wenig zu essen und zu trinken, um nicht in die ihm angelegte Windel machen zu müssen. Dieser Aspekt habe möglicherweise eine Rolle gespielt, so Becker: &bdquo;Der Patient empfand es als unsagbare Erniedrigung, plötzlich eine Windel benutzen zu müssen.“ Denn ein Toilettenstuhl oder eine Urinflasche seien ihm gar nicht erst angebotenworden. Dennoch hätte die Flüssigkeits- und Speisenzufuhr kontrolliert und gegebenenfalls mit Infusionen und Magensonde unterstützt werden müssen.

Patient im Pflegeheim &bdquo;Der vor dem Klinikaufenthalt noch altersentsprechend mobile und selbstständige Mann ist seit dem Aufenthalt auf den Rollstuhl angewiesen und musste in einem Pflegeheim untergebracht werden, wo er bis heute lebt“, sagt Rechtsanwalt Becker. Der Fall zeigt aus seiner Sicht, dass wegen der Überlastung des Pflegepersonals inzwischen auch zu unorthodoxen und ethisch äußerst fragwürdigen Maßnahmen gegriffen werde. Darunter litten am Ende die Patienten, bisweilen mit unumkehrbaren Auswirkungen.

Um die Vorwürfe zu beweisen, hat die Klägerseite drei Zeugen benannt: Den Arzt, der die Anordnung ausgestellt hat, sowie zwei beteiligte Pflegekräfte. Die mündliche Verhandlung am Landgericht Detmold beginnt am Donnerstag, 13. März, um 13 Uhr im Saal 143.

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