Vortrag in Detmold: Wie Holocaust-Überlebende Rozette Kats herausfand, wer sie ist

Detmold. Eine Identitätskrise und ein Leben in Angst: Rozette Kats, Zeitzeugin und Holocaust-Überlebende, hat am Donnerstag ihre Lebensgeschichte im Leopoldinum erzählt. Die 82-jährige jüdische Niederländerin sprach darüber, welche mentalen Folgen die NS-Besatzung der Niederlande für sie hatte.

Für Kats war es einst normal, auf den Namen &bdquo;Rita” zu reagieren. Als sie sechs Jahre alt war, suchte ihr Pflegevater das Gespräch mit ihr: &bdquo;Du solltest wissen, dass ich nicht dein Vater bin und Mama nicht deine Mutter.” Ihr Pflegevater habe ihr erklärt, dass die Niederlande im Krieg von den Nazis besetzt worden waren, erzählte Kats. &bdquo;Das waren Menschen, die andere Menschen gejagt haben. Deine Eltern wollten dich beschützen, und das war richtig, denn deine Eltern sind nicht mehr da.“

Angst vor dem Verschwinden Ab diesem Tag im Jahr 1948 wurde ihr Leben von Angst bestimmt, erzählte Kats. Sie habe sich nicht &bdquo;richtig“ gefühlt, hatte das Gefühl, ihre wahre Identität nicht preisgeben zu dürfen, obwohl die Nazi-Diktatur bereits Geschichte war. Sie habe Angst gehabt zu verschwinden, falls jemand ihr Geheimnis entdecken würde. &bdquo;Jeden Tag bildete ich mir ein, einen Eimer vor meinem Bauch zu tragen, in den ich alles reingesteckt habe, was mir Angst machte, mich an mein Geheimnis erinnerte oder mir bestätigte, ich sei nicht richtig, wie ich bin.” Die Furcht, ihre Identität nie preisgeben zu dürfen, wuchs stetig. &bdquo;Ich war wie ein Chamäleon, das sich an jeden Umstand anpasste.”

Dass ihre Eltern sie in die Obhut des anderen Ehepaares gegeben hatten, machte es möglich, dass Rozette Kats als &bdquo;Rita“ die Nazi-Zeit überlebte. Ihre leiblichen Eltern und ihr Bruder wurden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Rozettes einziges Andenken waren ein Fotoalbum und ein Brief mit den Eheringen ihrer Eltern, die sie zum 18. Geburtstag erhielt. Als junges Mädchen versuchte sie herauszufinden, wer sie war, berichtete sie. Es gab nur ein Hochzeitsfoto ihrer Eltern, erzählte sie dem Publikum.

Schwere Depression Nachdem Tod ihres Onkels wollte Kats den Rest des Fotoalbums sehen, aus dem das Hochzeitsfoto war. Als das Album sich nicht mehr finden ließ, war das für Rozette Kats der letzte Tropfen, der ihren Eimer zum Überlaufen brachte: Sie stürzte in eine schwere Depression. Sie ging in Therapie und arbeitete ihre Vergangenheit auf. Nach fast 50 Jahren, erzählte sie, nahm sie sich als die Frau an, die sie ist.

Es sei wichtig, ein Bewusstsein der Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, sagte sie den Schülern. Sie bekam minutenlangen Applaus. &bdquo;Ich habe gemerkt, wie stark die Gefühle in ihrer Botschaft sind, die für sie so wichtig ist“, sagte eine Schülerin.

Der Kontakt zwischen den weiterführenden Detmolder Schulen und Rozette Kats war über die Detmolderin Francis Kaiser zustandegekommen. Kaiser hatte das Kinderbuch &bdquo;Damals hieß ich Rita“ über Katz’ Lebensgeschichte illustriert. Rund 350 Schülerinnen und Schülern lauschten der Zeitzeugin in der Leo-Aula. Alexandra Nolte, Schulleiterin des Leopoldinums, betonte, das historische Gedächtnis solle lebendig gehalten werden.

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