Detmolder Schauspieldirektor: „Danke für offene Türen“

Detmold. Schauspieldirektor Jan Steinbach verabschiedet sich nach sieben Jahren am Ende der aktuellen Spielzeit vom Landestheater Detmold. Das &bdquo;Automatenbüfett“ von Anna Gmeyner (1902-1991) ist seine letzte Inszenierung. Vor der Premiere am Freitag, 2. Mai, blickt der 49-Jährige im LZ-Interview zurück und voraus.

Herr Steinbach, wie fühlt sich dieser Abschied für Sie an?

Jan Steinbach (lächelt nachdenklich): Alle sieben Jahren gibt es Veränderungen im Leben. Gerade in der Kunst sind diese wichtig, bevor sich Routine einstellt. Es ist ein normaler Prozess, dass es durch den Intendanzwechsel Veränderungen der künstlerischen Ausrichtungen gibt. Für mich bietet sich die Chance, innezuhalten und neue Inspirationen zu erlangen. Es gibt natürlich ein lachendes und weinendes Auge. Detmold ist für mich eine liebenswerte Kleinstadt, eine Insel des Glücks, jenseits der Großstadthektik. Jetzt ist der Moment gekommen, weiterzugehen – mit Wehmut, aber auch mit großer Dankbarkeit. Ich war vorher zölf Jahre freiberuflich unterwegs an wechselnden Theaterorten in ganz Deutschland. Detmold bot mir einen sicheren Hafen, in dem ich mit dem Ensemble wachsen konnte. Ich bleibe zunächst hier wohnen, gehe aber in die Freiberuflichkeit zurück.

Worauf sind Sie in Ihrer Zeit in Detmold besonders stolz?

Jan Steinbach: Wir konnten in den letzten Jahren einen hohen künstlerischen Anspruch setzen und haben einen vielfältigen Spielplan angeboten. In jeder Spielzeit wurden drei bis vier Stücke inszeniert. Die Zuschauerzahlen bestätigen, dass das gut ankommt. Für mich war es wichtig, in jeder Spielzeit auch eine zeitgenössische Produktion aufzunehmen, die nicht als großer Publikumsmagnet ins Rennen ging aber neue Akzente setzt. Wir haben viel ausprobiert, die Handschrift des Hauses geschärft, Stücke gewagt, die unbequem waren, und solche, die einfach Spaß gemacht haben. Die Mischung war mir immer wichtig. Theater muss aktuell sein, muss atmen – das konnten wir hier verwirklichen.

Und was waren Ihre persönlichen Highlights?

Jan Steinbach: In meiner ersten Spielzeit &bdquo;Gute Nachbarn“ von Will Eno, ein Stück, das ich als deutschsprachige Erstaufführung vom Broadway nach Detmold geholt habe, und &bdquo;Onkel Wanja“ von Anton Tschechow, das ich wunderschön finde, aber während der Corona-Zeit leider kein großes Publikum erreichen konnte. Vielleicht wird meine letzte Inszenierung ein Höhepunkt. Meine Lieblingsautoren sind der Österreicher Werner Schwab (1958 -1994), über den ich meine Magisterarbeit im Germanistikstudium geschrieben habe, und der französisch-rumänische Autor Eugène Ionesco (1909-1994), einen führenden Vertreter des absurden Theaters.

Was hat Sie an &bdquo;Automatenbüfett“ gereizt?

Jan Steinbach: Gmeyners Stück aus dem Jahr 1932 ist eine fast vergessene Perle der Theatergeschichte, die erst 2020 wiederentdeckt wurde. Ich war beim Lesen gleich schockverliebt. Das Stück spielt in den 1920er-Jahren, was es über Machtverhältnisse, Sehnsüchte und das soziale Miteinander erzählt, ist erschreckend aktuell. Ich liebe diese Mischung aus Komik, Kälte und kluger Satire, die zarte poetische Töne beinhaltet. Unser Schauspielensemble umfasst 16 Personen, von denen hier 13 auf der Bühne stehen. Im &bdquo;Automatenbüfett“ trifft sich das Panoptikum einer kleinstädtischen Gesellschaft auf engstem Raum – und reibt sich auf an Technikglauben, Klassendenken und Geschlechterrollen. Plötzlich kommt eine junge Frau und bringt alles ins Wanken. Es geht um Kontrolle und Kontrollverlust. Für mich setzt die Inszenierung einen idealen Schlusspunkt.

Was war Ihnen in der Arbeit mit dem Ensemble wichtig, gerade jetzt beim letzten Stück?

Jan Steinbach: Den Abschied muss man bei der Arbeit ausblenden. Die Freude darüber, noch einmal eine so große Produktion machen zu können, war mir wichtiger. Es macht großen Spaß zu proben, weil man an vielen Stellen übertreiben kann. Das Ensemble hat große Lust, den Figuren Leben einzuhauchen. Es gibt liebevoll gezeichnete Figuren, die man zwar kritisch beäugt, die aber eine tiefe Menschlichkeit ausstrahlen. Ich lasse den Schauspielenden die Freiheit, etwas auszuprobieren. Trotzdem muss man den Gesamtüberblick behalten, wie die Figuren ineinandergreifen. Das Detmolder Ensemble wird mir fehlen, wir sind wunderbar zusammengewachsen.

Wenn Sie eine Botschaft an Ihr Detmolder Publikum richten könnten, wie würde die lauten?

Jan Steinbach: Danke für offene Türen, kritische Fragen, Applaus und stille Momente. Bleiben Sie neugierig und immer bereit, sich selbst zu hinterfragen!

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Persönlich Jan Steinbach, Jahrgang 1976, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie in Kassel. Bereits während des Studiums inszenierte er in der freien Szene, arbeitete als Regieassistent am Jungen Theater Göttingen und als Produktionsassistent am 7Stages Theatre in Atlanta, USA. Von 2003 bis 2007 studierte er Theaterregie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main bei Hans Hollmann und Christof Loy, hospitierte bei Andreas Kriegenburg und legte erste Regiearbeiten am Staatstheater Wiesbaden vor. Von 2007 an arbeitete er als freiberuflicher Regisseur an verschiedenen Stadt- und Staatstheatern. Seine Wilhelmshavener Inszenierung von Goethes &bdquo;Stella“ wurde 2010 für den Deutschen Theaterpreis DER FAUST in der Kategorie &bdquo;Beste Regie“ nominiert. Seit der Spielzeit 2018/19 ist Jan Steinbach Schauspieldirektor am Landestheater Detmold.

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