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So funktioniert die „Grüne Welle“ für die Retter in Detmold

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Die auf den ersten Blick unscheinbare Lichtsignalanlage an der Feuerwache Gelskamp ist Herzstück der neuen Technik: Von hier aus erhalten die weiteren Ampeln ihre Befehle, damit die Retter möglichst freie Fahrt haben. - © Stadt Detmold
Die auf den ersten Blick unscheinbare Lichtsignalanlage an der Feuerwache Gelskamp ist Herzstück der neuen Technik: Von hier aus erhalten die weiteren Ampeln ihre Befehle, damit die Retter möglichst freie Fahrt haben. (© Stadt Detmold)

Detmold. Wenn Feuerwehr oder Rettungsdienst ausrücken, geht es um jede Minute. Gleichzeitig ist der Stress für die Fahrerinnen und Fahrer der Einsatzfahrzeuge immens: Wie reagieren die anderen Verkehrsteilnehmer? Fährt vielleicht doch noch jemand von links oder rechts in die nächste Kreuzung ein? Wie komme ich mit meinem Fahrzeug durch? Ein im Umkreis von Detmold einmaliges neues System der Ampelschaltungen soll dazu beitragen, die Gefahr von Kreuzungsunfällen zu verringern und den Rettungskräften mittels „Grüner Welle“ schnell einen Weg durch den Verkehr zu bahnen, erklärt die Stadt in einer Pressemitteilung.

Entwickelt haben dieses System Jochen Detering, Experte für Ampelanlagen bei der Stadtverwaltung Detmold, Thomas Dörfel, Technikchef der Detmolder Feuerwehr, und Reiner Kirschke, pensionierter Entwicklungsleiter des Detmolder Ampelanlagen-Herstellers Stührenberg. Stührenberg hat die Gedanken der drei dann in „Ampelsprache“ umgesetzt und zunächst auf einer Route von der Feuerwache am Gelskamp über die Wittekindstraße, die Industriestraße und die Paulinenstraße nach Süden installiert. „Auf dieser Route, namentlich auf der Paulinenstraße, liegt nicht nur eine sehr große Verkehrslast, hier stehen in engem Abstand auch zehn Lichtsignalanlagen, die den Verkehr an stark belasteten Kreuzungen regeln“, erklärt die Stadt zur Strecke.

Drei Stufen für mehr Sicherheit

Doch wie funktioniert die „Grüne Welle“ für die Einsatzfahrzeuge? Dabei handelt sich um ein mehrstufiges System, erklären die Verantwortlichen. Direkt an der Wache am Gelskamp steht gegenüber der Alarmausfahrt eine unscheinbare kleine Ampel, die wie ein Fußgängersignal aussieht. Tatsächlich zeigt es dem Fahrer oder der Fahrerin des Einsatzfahrzeugs die Richtung an, in die der Wagen je nach Einsatzort gesteuert werden muss: Nach links Richtung Heidenoldendorf/Pivitsheide oder nach rechts Richtung Innenstadt sowie in die südlichen und östlichen Stadtteile.

In dem Moment, in dem die Leitstelle die Feuerwehr alarmiert, wird die Information über Einsatzort und Route auch in das Ampelsystem eingespielt. Führt die Route aus der Wache nach rechts, läuft die kleine Ampel zur Hochform auf: Sie sendet dann ein Signal an die nächste Ampel an der Wittekindstraße, die den Verkehr auf dieser Straße anhält, damit die Feuerwehr unproblematisch einbiegen kann. Während die Feuerwehr weiter in Richtung Industrie- und Paulinenstraße fährt, läuft schon Stufe 2 des Systems. Jede Ampel auf der Route erhält den Befehl, die Grünphasen auf der Strecke zu verlängern und die Grün-Intervalle auf den einmündenden Straßen auf ein Minimum zu reduzieren. „Durch diese Vorbeeinflussung der Ampeln kann insbesondere in der Rush Hour, in der es auf der Paulinenstraße häufig Staus gibt, der Verkehr beschleunigt werden. Wenn dann zweieinhalb Minuten später das erste Einsatzfahrzeug die Paulinenstraße erreicht, hat es eine deutlich freiere Straße vor sich“, erläutert Jochen Detering das System.

Unfallgefahr reduzieren

Darauf zündet Stufe 3 des Systems. Die Feuerwehrfahrzeuge und Rettungswagen schalten mit einem Funk-Transponder die nächste Ampel in ihrer Fahrtrichtung auf Grün und verringern so die Gefahr, dass noch jemand von links oder rechts einbiegt. Zehn Meter hinter dem Lichtsignal meldet sich das Fahrzeug automatisch wieder ab, der Verkehr nimmt ganz normal seinen Lauf. Thomas Dörfel ist begeistert: „Wir haben zahlreiche Tests unternommen. Das System funktioniert einwandfrei.“ Anhand der Grafik einer Alarmfahrt eines Rettungswagens nach Heiligenkirchen ist zu erkennen, dass das Fahrzeug an keiner ampelgesicherten Kreuzung nennenswert an Zeit verloren hat. „Das war in der Vergangenheit durchaus nicht der Regelfall. Vielmehr mussten die Rettungskräfte fast an jeder Kreuzung auf Schrittgeschwindigkeit abbremsen oder waren sogar zum Anhalten gezwungen.“

Seit 2018 arbeiten die Entwickler an dem System. „Beim Einsatz mit Blaulicht und Horn steigt die Unfallgefahr um 17-Fache, die Gefahr eines tödlichen Unfalls liegt viermal so hoch wie bei einer normalen Fahrt“, weiß Thomas Dörfel. „Gerade für die leichteren Rettungsfahrzeuge ist das Risiko schwerer Unfälle mit Personenschaden sehr hoch.“ Die „Grüne Welle für Retter“ habe das Ziel, die Unfallgefahr zu reduzieren und die Frist zu verkürzen, in der das erste Rettungsmittel am Einsatzort angekommen ist. „Ich bin nicht nur froh darüber, sondern auch ein bisschen stolz, dass dieses System in Detmold entwickelt worden ist“, sagt Joachim Wolf, Leiter der Detmolder Feuerwehr. Carsten Fischer, Geschäftsführer der Firma Stührenberg hakt genau da ein: „Detmold ist zwar keine Großstadt, das heißt aber nicht, dass wir nicht innovativ sein können.“ Das System werde sukzessive auf jeder Kreuzung im Stadtgebiet ausgebaut, wenn Ampeln erneuert werden müssen, wie Harald Grote, Leiter der Verkehrsplanung bei Stührenberg, erläutert. Und auch andere Feuerwehren interessieren sich bereits für die Detmolder Lösung, heißt es abschließend.

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