Sprung ins Ungewisse: Wie Lykka und Carlo aus Detmold das Abenteuer ihres Lebens meistern

Kreis Lippe. Eigentlich stammt das Format aus der britischen BBC: Was bei den Briten als &bdquo;Race across the world“ schon lange für Furore sorgt, hat das ZDF als &bdquo;Wettlauf um die Welt“ adaptiert. Bei diesem besonderen sechswöchigen Rennen ohne Handys und mit kleinem Budget stellen sich fünf Paare der Herausforderung: Das Liebespaar Lykka und Carlo aus Detmold sowie das Ehepaar Dana und Mario, die Zwillinge Timo und Marcus, die besten Freundinnen Lile und Dilara sowie das Mutter-Sohn-Gespann Jill und Jamie.

Die Regeln Das Rennen beginnt an einem festgelegten Ort, von wo die Teilnehmer gleichzeitig zur ersten von sechs Etappen aufbrechen. Sie alle müssen es in jeder Etappe möglichst schnell zu einem vorgegebenen Checkpoint und am Ende zum großen Finalziel schaffen. Wie sie dorthin kommen, ist ihnen überlassen, nur Fliegen ist verboten. Sie haben täglich nur 40 Euro für Unterkunft, Verpflegung und Transportmittel zur Verfügung. Und sie müssen ihre Handys abgeben. Als Anhaltspunkte haben sie lediglich eine Straßenkarte und jeweils Kurzbeschreibungen möglicher Routen.

Zu jeder Etappe gehören ein touristisches Highlight und ein Job, bei dem die Teams ihre Reisekasse aufbessern können. Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, am Checkpoint die ersten zu sein, um sich bei der nächsten Etappe die beste Route aussuchen zu dürfen – und vielleicht damit die Chancen auf der Preisgeld zu verbessern.

Im analogen Fernsehen ist die Reihe schon durch, aber in der ZDF-Mediathek noch jederzeit abrufbar. Darum wird hier auch nicht gespoilert. Nur so viel: Lykka (24) und Carlo (25) sind heil wieder in Deutschland angekommen. Die beiden studieren in Detmold Innenarchitektur und sind bereit, der LZ von ihren Erfahrungen zu berichten.

Reisen mit Handicap An diesem schönen Nachmittag im Frühsommer sitzen die zwei im Café Verve an der Krummen Straße, genießen die Sonne und denken noch mal zurück an jenen Tag im September 2024 auf dem Flughafen Düsseldorf: &bdquo;Wir hatten ja keine Ahnung, wohin es gehen würde. Uns wurde nur gesagt: Alle Klimazonen sind möglich, und wir wurden im halben Jahr davor mehrfach geimpft“, erzählt Carlo. Dass er überhaupt teilnehmen könnte, war keineswegs sicher: Sein rechtes Bein ist amputiert, Folge eines Knochentumors, als er 13 war. Obwohl er eigentlich mit der Prothese zurechtkommt und Sport macht, gibt es immer mal wieder Komplikationen. &bdquo;Zum Casting nach Berlin ist er beispielsweise ohne Prothese mit Krücken gegangen“, erzählt Lykka. Das Casting gewannen sie.

&bdquo;Für mich war das ein absolutes Wagnis, weil ich nicht wusste, ob ich mit der Prothese überhaupt so weit reisen kann“, doch Carlo wollte es unbedingt versuchen. Wohl wissend, dass Hitze und Schweiß und Dreck Gift sind für einen Prothesenträger: Der Stumpf kann sich entzünden. &bdquo;Allerdings wurde uns versichert, dass eine medizinische Versorgung permanent möglich sein würde.“ Darauf vertrauten sie.

Und außerdem: &bdquo;Wir wollten wissen, ob wir als Paar auch unter schwierigen Bedingungen funktionieren.“ Wobei die Bedingungen von vorn herein nicht leicht waren: Als sie vor vier Jahren zusammenkamen, hatte Carlo gerade die Amputation hinter sich. Europa haben sie nie zuvor verlassen. Und beide sind blutige Backpacking-Anfänger: &bdquo;Wir mussten uns alles an Ausrüstung kaufen“, berichtet Lykka.

Am Ende hat jeder zehn Kilo Gepäck plus zwei Liter Wasser auf dem Rücken – herzlich wenig für eine Reise, bei der die Temperaturen zwischen Minusgraden und Bullenhitze liegen könnten. Was für Klamotten packt man bloß ein?

12.000 Kilometer Am Flughafen erhalten sie die Tickets zum Startpunkt des Wettlaufs. Die fünf Teams werden von Pucallpa im peruanischen Amazonasgebiet bis nach ?Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt in Argentinien, reisen. Auf verschlungenen Pfaden und ohne jegliche moderne Hilfsmittel, mehr als 12.000 Kilometer – in Bussen, Taxis, Rikschas, Booten und zu Pferd.Zwar hat die Aussicht auf einen möglichen Gewinn ihren Reiz. &bdquo;Aber eigentlich ging es uns hauptsächlich um die Reise: Wann bekommt man schon so ein Abenteuer geschenkt?“ Der Preis dafür: permanente Begleitung. Denn das Kamerateam ist ständig dabei: bei der Suche nach einem Taxi, beim Kauf der Fahrkarten für den nächsten Bus, beim Zähneputzen auf dem Busbahnhof, beim Brüten über der Karte, beim Erledigen der Jobs auf einer Alpaka-Farm, in einer Chocolaterie oder in Brasilien auf dem zweitgrößten Oktoberfest der Welt in der Pommesbude eines deutschen Kochs.

Auch beim Tangounterricht in Buenos Aires. Die Aussicht darauf hatte zunächst nicht gerade Begeisterung geweckt. &bdquo;Ich weiß gar nicht, ob das mit Prothese geht“, sagt Carlo im Film. Und doch schauen sie sich nach der Lektion tief in die Augen, und Lykka sagt: &bdquo;Jetzt haben wir noch was gelernt, was wir zusammen machen können.“

Im argentinischen Wetland, einem ungeheuer artenvielfältigen Feuchtgebiet, steigt Carlo zum ersten Mal auf ein Pferd. Die Beinprothese stört, also schnallt er sie ab und übergibt sie dem Guide, der sie quer auf dem Sattel transportiert. Das ist auch im Film zu sehen. Nicht zu sehen ist allerdings, wie Lykkas Pferd, kaum, dass die Kameradrohne den Rückzug angetreten hat, beschließt, sich ins hüfttiefe Wasser zu legen. &bdquo;Ich konnte gerade noch abspringen“ erzählt sie lachend.

Genau das ist es, was dieses sympathische Paar von seiner wettkampfwütigen Konkurrenz wohltuend abhebt: &bdquo;Wir waren einfach dankbar, wir wollten die Reise wirklich genießen und mit den Menschen in Kontakt kommen.“ Denn auch wenn das nicht gerade die spektakulärsten Ansichten für die Kameraleute sind: &bdquo;Die Begegnungen mit der Bevölkerung waren uns wichtig“, betont Carlo. &bdquo;Wir haben dann auch gesagt: Jetzt reden wir erst mal zu Ende, wir hetzen nicht einfach weiter.“

&bdquo;Pure Freundlichkeit“ Eine Offenheit und Achtsamkeit, die sich bezahlt machen soll: &bdquo;In einer Kirche haben wir eine Frau getroffen, die uns angeboten hat, für uns zu übersetzen. Sie hat uns allen Ernstes aus purer Freundlichkeit einen ganzen Tag begleitet. Dass wir auf diesen Kirchturm mit atemberaubender Aussicht steigen durften, das haben wir nur ihr zu verdanken. Es gab einfach viele wunderbare Fügungen.“

Immer wieder erleben die beiden Wahllipper unerwartete Herzlichkeit, etwa bei ihrem Job auf einer Alpaka-Farm. &bdquo;Da wurde für uns ein schamanisches Segensritual veranstaltet.“ Durch den Kontakt mit Einheimischen lernenLykka und Carlo auch viel über den Kolonialismus in Patagonien. &bdquo;Das Indigene Volk der Selknam wurde verfolgt und vollständig getötet“, erfahren sie.

Folteropfer und Nazis Das Studentenpaar trifft in einem Handarbeitskollektiv in Chile auch eine Frau, die unter der Militärdiktatur im Auftrag von Pinochet gefoltert wurde und ihnen über einen Dolmetscher ihre Geschichte erzählt hat, eine weitere berührende Begegnung, die Spuren hinterlassen hat. Apropos schlimme Vergangenheit: Südamerika hat nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vielen Nazi-Verbrechern wie dem berüchtigten Adolf Eichmann als Zuflucht gedient. Nazis gibt es dort anscheinend auch heute noch: &bdquo;Wir sind am Strand einem Mann begegnet. Als er hörte, dass wir Deutsche sind, hat er mit dem Hitlergruß reagiert.“ Carlos und Lykka sind sicher: &bdquo;Das war ein echter Nazi. Wir wollten nur noch weg.“

Doch all diese Situationen kommen in den Folgen der Minireihe im Fernsehen gar nicht rüber. &bdquo;Man darf ja nicht vergessen: Wir waren fünf Teams, die alle von Kameras begleitet wurden. Da kann nur ein Bruchteil gezeigt werden, dafür haben die beiden Verständnis.“ Und bei diesem TV-Format liegt der Fokus eben mehr auf dem Wettkampf, zumal alle anderen Teams – allen voran Mutter Jill und ihr lauter Sohn Jamie – permanent darauf herumreiten, dass sie unbedingt Erste werden wollen.

Ein Traum wird wahr Emotionen liefern hingegen Lykka und Carlo an anderer Stelle: &bdquo;Als wir erfahren haben, dass wir Wale beobachten dürfen.“ Denn diese Szene hat die Kamera vollkommen unverstellt eingefangen: Lykka weint vor Freude über dieses Highlight. Der Guide des kleinen Ausflugs warnt, dass die Saison zu Ende gehe. Doch dann kommen die majestätischen Tiere, die Glattwale, begleiten das Boot eine Weile, und Lykka kriegt sich gar nicht wieder ein. Noch heute kriegt sie Gänsehaut beim Gedanken daran, und sie entblößt ihren Oberarm, auf dem ein Wal-Tattoo prangt. Nach einer Weile ziehen sich die Giganten zurück, und wie zum Abschied winkt einer noch mit der Seitenflosse. &bdquo;Der Bootsführer hat uns später auf Instagram geschrieben, dass das wirklich das letzte Mal in der Saison war. Was für ein Riesenglück.“

Glück, Fügung, das sind die Worte, die dieses besondere Paar an dem Nachmittag häufig in den Mund nimmt. &bdquo;Uns ist angesichts der großen Armut dort auch noch mal bewusst geworden: Alter, was geht es uns gut“, sagt Carlo. &bdquo;Dort schlafen Leute auf dem Strand, mitten im Müll. Wir können einfach sauberes Wasser aus der Leitung nehmen, was für ein unfassbarer Luxus, manche kaufen es sogar in Flaschen – nicht, weil es aus dem Hahn nicht sauber ist, sondern weil sie es sich leisten können.“

Hochzeit in Sicht Da ist dann auch noch das persönliche Glück. Lykka zeigt ihren goldenen Ring am Finger. Den Antrag hat ihr Carlo auf einer Wandertour im Teutoburger Wald gemacht. &bdquo;Wir haben uns hingesetzt, und da kamen Rehe auf die Lichtung. Das war der perfekte Augenblick.“ Den hatte er – obwohl er den Ring auch dort schon bei sich getragen hatte – während der Südamerikareise nie gefunden.Was hat die Reise außer der Herausforderung, der Vertiefung ihrer Liebe und der Begegnung mit fremden Menschen ihnen noch gebracht? &bdquo;Ich weiß jetzt, was ich machen will“, sagt Lykka. Nach dem Innenarchitekturstudium an der TH OWL in Detmold will sie Gesprächstherapeutin werden und soziale Arbeit studieren. Und Carlo? – &bdquo;Endlich mal ohne Handy zu sein, ist eine tolle Erfahrung.“Sich über die kleinen Dinge freuen, achtsam mit sich und der Welt umgehen. Woher die 24-jährige Lykka und ihr ein Jahr älterer Verlobter diese Haltung haben, bleibt ihr Geheimnis. Aber wer ihnen begegnet, der kann sich glücklich schätzen. Denn auch wenn sie nicht mehr im Wettlauf um die Welt sind: Sie werden ihren Weg gehen.Wer noch mehr über die beiden erfahren will, kann ihnen auf Instagram folgen: https://www.instagram.com/carlykka/

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