Detmold. Wieder läuft es nicht nach Plan. An Prozesstag 21 ist der Zuschauerraum im Verfahren gegen eine Rechtsanwältin aus Detmold wahrscheinlich nicht grundlos gut gefüllt. Es liegt Spannung in der Luft. Eigentlich ist am Montagmorgen vorgesehen, dass sich die vorrangig als gesetzliche Betreuerin tätig gewesene Juristin erstmals detailliert zur Sache einlässt. Doch dazu kommt es nicht. Die Einlassung hatte Verteidigerin Christina Peterhanwahr vorab angekündigt, die Große Wirtschaftskammer daher das anstehende Zeugenprogramm klein gehalten. Ausgerechnet der zentrale Programmpunkt fällt aber weg: Krankheitsbedingt, so begründet es die Angeklagte selbst vor Gericht. Die Sommergrippe stecke ihr noch in den Knochen, gibt die 59-Jährige an. „Heute ist es ganz schlimm mit mir.“ Doch keine Einlassung mehr? Ob die 38-fach wegen gewerbsmäßiger Untreue und Betrugs angeklagte Juristin ihr Schweigen überhaupt noch brechen wird, steht in den Sternen. Als die Vorsitzende Richterin Katharina Schikowski nachhakt, ob die Einlassung an einem der weiteren Prozesstage nachgeholt werden soll, blockt Verteidigerin Peterhanwahr direkt ab. „Nach jetzigem Stand ist das nicht geplant“, sagt die Bielefelder Rechtsanwältin. Der Satz ist kaum ausgesprochen, da kassiert die Verteidigerin einen ungläubigen Blick ihrer Mandantin. So ganz einig scheinen sie sich nicht zu sein. Der restliche Prozesstag gestaltet sich zwar kurz, aber zäh. Die Kammer geht erneut auf Spurensuche, um den unrenovierten Zustand einer laut Anklage unter Wert verkauften Eigentumswohnung aufzuklären. Das Objekt spielt eine zentrale Rolle, da die Angeklagte ihrer ehemals mitangeklagten Kanzlei-Mitarbeiterin (32) geholfen haben soll, die Innenstadtwohnung einer betreuten Seniorin viel zu günstig abzukaufen. 82.500 Euro hatte die Angestellte damals gezahlt, ein vom Gericht beauftragter Gutachter schätzt den Wert auf etwa 130.000 Euro. Er hatte die Wohnung rückwirkend bewertet, Fotos vom unrenovierten Zustand gibt es so gut wie keine. Die ehemalige Mitarbeiterin, die sich parallel vor Gericht verantwortet, sitzt den ersten Teil der Beweisaufnahme hinten im Zuschauerraum und hört sich an, was ihr Schwager zusagen hat. Der 46-Jährige hatte schon vergangene Woche im Prozess gegen die 32-Jährige ausgesagt. Er soll kurz vor dem Kauf quasi als ihr Vertrauter und Bauleiter für die Renovierung der Wohnung verantwortlich gewesen sein. Beweisaufnahme verliert sich in Details Viele Beobachtungen, ob zu zwei Schimmelstellen, dem „komischen Geruch“ oder krabbelnden Silberfischen, decken sich mit seiner Aussage aus dem anderen Prozess. Daneben erfährt die Kammer Dinge, die bisher nie Thema gewesen sind: Der Zeuge erinnert sich an gesprungene Fliesen und Auffälliges am Putz. „Das ist für uns ganz neu“, kommentiert die Vorsitzende. „Bisher hat noch niemand von Rissen in der Wand gesprochen.“ Dem Zeugen nach soll ein Mitarbeiter die vermeintlichen Risse in der Wand bei der Komplettrenovierung überspachtelt haben, seiner Schwägerin habe er davon gar nichts erzählt. Dem 46-Jährigen fällt es schwer, sich zu erinnern, welche seiner Mitarbeiter, Bekannten oder Verwandten welche Arbeiten durchgeführt hatten. „Das hätte jeder sein können“, sagt der Zeuge. Die Kammer nimmt das so hin. Auch Verteidigerin Christina Peterhanwahr gibt nach mehrfachen Nachbohrversuchen auf. Eine Projektmappe zum aufgestellten Renovierungskonzept gebe es nicht, sagt der Zeuge. Das bekämen nur offizielle Kunden. Draußen auf dem Gerichtsflur kommt es im Anschluss zu aufgewühlt wirkenden Diskussionen mit dem Rest der Familie - darunter auch die ehemalige Kanzlei-Mitarbeiterin. Ihr Platz im Zuschauerraum bleibt dann leer. Als weitere Zeugen bestätigen zwei Schornsteinfeger und ein Kaufmann im Sanitärgewerbe vor Gericht, dass die Gastherme in der Wohnung der betroffenen Seniorin zwar zu den älteren Modellen aus dem Jahr 2000 oder gar 1998 zähle, das Gerät aber regelmäßig gewartet worden sei - und einwandfrei funktionierte. Die Kanzlei-Mitarbeiterin hatte an anderer Stelle im Verfahren einmal ausgesagt, die Gastherme sei beim Kauf kaputt gewesen. Genau deshalb verliert sich die Beweisaufnahme jetzt in Details. Der Prozess gegen die Anwältin geht am 3. Juni weiter.