200 Jahre Landestheater Detmold: von Bränden, Liebschaften und anderen Katastrophen

Detmold. Jubiläen hat es im Land des Hermann in den vergangenen paar Jahren reichlich gegeben: 900 Jahre Lippe, 50 Jahre Kreis, 125 Jahre Hermannsdenkmal, 175 Jahre Orchester des Landestheaters – und nun 200 Jahre Landestheater. Das wurde bereits zum Auftakt der neuen Spielzeit mit einem mehrtägigen Programm gefeiert. Am 8. November gibt es einen Festakt – das Datum ist mit Bedacht gewählt: Am 8. November 1825 fand die allererste Vorstellung auf der Bühne statt.

Gewürdigt wird beim Festakt die Bedeutung des Theaters für Lippe – eine Geschichte, die ebenso wechselvoll ist, wie die des Mehrspartenhauses selbst, das Jahr für Jahr mehr als 170.000 Zuschauer mit über 600 Aufführungen an mehr als 100 Orten erreicht. In der Serie &bdquo;Vorhang auf“ wirft die LZ einen Blick auf diese Geschichte, auf die Zukunft und auch hinter die Kulissen der größten Reisebühne Europas sowie auf das, was die mehr als 300 Beschäftigten dort so tun.

Die Anfänge

Theater gab es in Detmold natürlich schon, bevor die Bühne am Rosental errichtet wurde, und zwar im 1778 erbauten Komödienhaus am Lemgoer Tor. Es fasste 450 bis 500 Zuschauer, wurde 1935 abgerissen und stand ungefähr dort, wo sich heute das Parkhaus am Lustgarten befindet - zur unteren Langen Straße hin. Für ein Fürstentum ziemt sich allerdings eine ordentliche Bühne, fand der regierende Fürst Leopold II. im Jahr 1820 und fasste den Beschluss: Ein Hoftheater muss her.

Mit der Umsetzung wurde Landesbaumeister Johann Theodor Freiherr von Natorp beauftragt, der in Detmold auch die Mittelmühle gebaut hatte, in der die Naturkundliche Abteilung des Landesmuseums untergebracht ist. Freiherr von Natorp legte im Februar 1825 die ersten Entwürfe auf den Tisch. Danach ging es schnell. Am 18. April 1825 wurde der Grundstein gelegt, schon Ende Juli Richtfest gefeiert, und bereits am 8. November hieß es im Hochfürstlichen Lippischen Hoftheater zum ersten Mal &bdquo;Vorhang auf!“ Gegeben wurde Mozarts &bdquo;Titus der Gütige“ – und wer weiß, wie gütig sich der Fürst dabei selbst fühlte.

Zum Direktor wurde August Pichler: Seine Truppe kannte man in Detmold bereits aus dem Komödienhaus. Schon seinerzeit gab es in Detmold Musiktheater, aber auch Schauspiel. Recht schnell erarbeitete man sich einen guten Ruf sowie ein umfangreiches Repertoire, und auch seinerzeit standen bereits Abstecher auf dem Programm: 1839 setzten die Detmolder unter Pichlers Leitung in Bad Pyrmont die Uraufführung Heinrich von Kleists &bdquo;Die Hermannsschlacht“ um.

Doch Kultur war schon damals nicht umsonst zu haben. Bis zum Revolutionsjahr 1848 war es finanziell zu machen. Ein Jahr später musste der Fürst das Hoftheater aus wirtschaftlichen Gründen vorübergehend dichtmachen. Erst 1851 gab es das Okay des Hofes für eine Wiedereröffnung, allerdings mit strikten Vorgaben für die Subventionen. Zudem wurde es enger, als der Thronfolger Woldemar ans Ruder kam, der sparsam war und dem Theater sowie der &bdquo;Fürstlich Lippischen Hofkapelle“ die Gelder strich. Die lief bis dato als Militärkapelle, und nach dem Tod von Leopold II 1851 gingen Schreiben an die Orchestermitglieder, in denen mitgeteilt wurde, dass die Hofkapelle aufgelöst wird. Graf Ernst wiederum war kunstsinniger. Daher konnte sich das Theater ab 1895 unter der Intendanz von Albert Berthold neu aufstellen und auch konsolidieren.

Am 5. Februar 1912 folgte dann die Katastrophe. Gerade wurde Hermann Sudermanns &bdquo;Bettler von Syrakus“ gezeigt, und da es kalt war, liefen die Kohleöfen auf Hochtouren. Schon seit ein paar Tagen hatte man im Umfeld einen Brandgeruch wahrgenommen. Am Abend der Vorstellung passierte es schließlich: Von einem schadhaften Schornstein griff ein Feuer über. Intendant Berthold bewahrte die Ruhe. Nach Ende des Vorspiels trat er vor den Vorhang und bat das Publikum, wegen angeblicher technischer Schwierigkeiten das Theater ruhig und geordnet zu verlassen – ein Glück: So wurde im vollen Haus eine Panik vermieden.

Hoftheater steht in Flammen

Draußen im Rosental bot sich den Zuschauern dann ein ganz anderes Spektakel. Das Hoftheater stand in Flammen. In der Nähe wohnten einige Fotografen, die das Feuer mit ihren Apparaten festhielten. Die Feuerwehr war nicht besonders gut ausgerüstet und konnte nicht viel machen. Das Theater fackelte bis auf die Grundmauern und bis auf die Front nieder. Einer der Fotografen, Ferdinand Düstersiek, hat seine Eindrücke von der Katastrophe auch im Wort festgehalten: &bdquo;Nach wenigen Stunden standen nur noch die vier Säulen und kahlen Mauern, überwölbt von dem mächtigen Doppelschornstein.“ Fast wie der Anblick einer antiken Ruine.

&bdquo;Die laufende Spielzeit wurde im Sommertheater Neuer Krug provisorisch zu Ende gebracht“, heißt es in der Historie des Theaters. Doch für das Ensemble bedeutete es, sich nach neuen Engagements umzusehen, da es für die Zukunft keinerlei finanzielle Absicherung gab. Das änderte sich erst mit der Gründung des &bdquo;Lippischen Theatervereins“ mit der Stadt Detmold als Hauptträger, mit Unterstützung von Fürst Leopold IV und privaten Geldgebern.

Säulen werden versetzt

Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde 1914 schließlich – nach Plänen des Berliner Architekten Bodo Ebhardt - mit der Errichtung eines neuen Theatergebäudes begonnen. Stefan Dörr, Verwaltungsdirektor des Landestheaters, weiß außerdem: &bdquo;Die vier Säulen wurden für den Neubau versetzt - sie standen damals rund acht Meter näher an der Straße.“

Im Krieg waren Geld und Handwerker knapp. Und zwischendurch musste 1918 auch noch der Fürst abdanken. Doch die Bauzeit war trotz Krieg kurz, und man errichtete das Theater deutlich größer als den Vorläufer - bei einer geringeren Einwohnerzahl als heute, was die Bedeutung der Bühne für Detmold wohl unterstreicht. Zudem sollte das Theater künftig nicht mehr Hoftheater, sondern Landestheater heißen. Am 29. September 1919 wurde es eingeweiht und zur Eröffnung die Oper &bdquo;Undine“ von Albert Lortzing aufgeführt.

Um die finanzielle Situation zu verbessern, gab es Kinovorführungen, Aufführungen für Gäste aus anderen Städten und weiter entfernte Gastspiele. Doch es blieb knapp mit dem Geld. 1925 musste deswegen die Musiksparte mit dem teuren Orchester erneut aufgegeben werden. Dann kam der Zweite Weltkrieg, und das Landestheater stellte am 1. September 1944 den Spielbetrieb ein.

1945 beschlagnahmte die britische Militärregierung das Gebäude, es durfte nur nach schriftlicher Genehmigung genutzt werden. Eine provisorische Spielstätte musste her: wieder im &bdquo;Neuen Krug“, der auch als Kino genutzt wurde. Erst ab 1949 ging es wieder in die Vollen. Intendant Otto Will-Rasing stellte das Theater wirtschaftlich und künstlerisch schnell wieder auf die Beine. Am 5. Juli 1952 gaben die Briten das Gebäude wieder frei. Mit der Spielzeit 1969/70 wurde angebaut, um Werkstätten, Probenräume, die Verwaltung, den Fundus und einen Ballettsaal unterzubringen. 2008/2009 folgte ein zweiter Anbau mit Orchesterprobenraum, weiteren Verwaltungsräumen und Garagen für die Transporter.

1971 wurde die bis heute gültige Träger-Struktur etabliert, in der die lippischen Städte und Gemeinden zur finanziellen Absicherung des Landestheaters beitragen. In der Folge erklärte sich das Land Nordrhein-Westfalen bereit, sich stärker zu engagieren. Heute ist das Landestheater Detmold das größte der vier Landestheater in NRW und das einzige mit einem Musiktheaterensemble.

Fakten Das Landestheater Detmold ist das größte der vier Landestheater in NRW sowie Europas größte Reisebühne. Die Hälfte der rund 600 Vorstellungen pro Spielzeit werden in Städten und Gemeinden in NRW sowie deutschlandweit absolviert. Es gibt rund 320 Mitarbeitende. Etwa die Hälfte davon ist im künstlerischen Bereich tätig, der Rest in technisch-künstlerischen Gewerken sowie in der Verwaltung. Seit 1. August 2006 ist das Theater eine GmbH. Den Etat von rund 27 Millionen Euro stellt zur Hälfte das Land NRW, etwa ein Viertel wird aus Einnahmen erwirtschaftet, den übrigen Teil steuern die Gesellschafter bei – vornehmlich der Kreis Lippe, die Stadt Detmold und der Landesverband. Der Förderverein Theaterfreunde und Sponsoren aus der regionalen Wirtschaft sind weitere Unterstützer.

Persönlichkeiten Grabbe, Lortzing, Brahms und Klebe – viele bekannte Künstler haben am Theater gewirkt. Der Detmolder Christian Dietrich Grabbe (1801-1836) besucht schon als Gymnasiast häufig Theateraufführungen im Komödienhaus am Lemgoer Tor. Alkohol und psychische Probleme machen es ihm schwer, sich als Schriftsteller zu etablieren – nur &bdquo;Don Juan und Faust“ wird 1829 zu seinen Lebzeiten aufgeführt. Auch mit dem Theater hat er es nicht leicht – kein Wunder: Er schreibt so bissige Kritiken, dass alle auf ihn sauer sind. Dennoch: Das Grabbe-Haus genannte Geburtshaus des Dichters in der Bruchstraße ist heute eine der fünf Spielstätten des Landestheaters.

Der Komponist Albert Lortzing (1801-1851) kommt 1826 als Komödiant und Opernsänger nach Detmold. In sieben Jahren, die er hier weilt, studiert er 200 Schauspiel- und knapp 100 Opernpartien ein und avanciert zum Publikumsliebling, der auch über die lippischen Grenzen hinaus einen hervorragenden Ruf als Schauspieler, Opernsänger und Komponist gewinnt. Mit Christian Dietrich Grabbe entwickelt sich eine Freundschaft. Lortzing schreibt die Musik zu &bdquo;Don Juan und Faust“.

Johannes Brahms (1833-1897) besucht Detmold erstmals 1857. Die Stadt gefällt ihm auf Anhieb so gut, dass er einen längeren Aufenthalt als Klavierlehrer der Prinzessin Friederike und als Chorleiter vereinbart. Erstmals hat er die Möglichkeit, mit einem Orchester zu arbeiten und komponiert seine ersten Orchesterwerke. In Detmold hat er natürlich auch Begegnung mit Clara Schumann , die als Klavierlehrerin von der fürstlichen Familie angestellt worden ist und auch als Solistin auftritt. Beide kannten sich bereits zuvor, und zwischen ihnen lodert auch in Detmold eine unglückliche Liebe, die zeitlebens unerfüllt bleibt. Am Ende fordern sie ihre glühenden Briefe zurück und tauschen sie aus. Er versenkt den größten Teil der seinen im Rhein, sie verbrennt die meisten ihrer.

Der in Mannheim geborene Opernkomponist Giselher Klebe (1925-2009) wirkt ab 1957 als Dozent für die Fächer Komposition und Musiktheorie an der heutigen Hochschule für Musik. Sein Gesamtwerk umfasst mehr als 140 Kompositionen. Seine letzte Oper, &bdquo;Chlestakows Wiederkehr“, wird 2008 am Landestheater Detmold uraufgeführt. Er lebt und arbeitet bis zu seinem Lebensende 2009 in Detmold.

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