Detmold. Seit acht Jahren begeistert Mezzosopranistin Lotte Kortenhaus (verheiratet, zwei Kinder) am Landestheater Detmold mit ihrer wandlungsfähigen Stimme und ihrem intensiven Spiel. Zweimal wurde sie bereits mit dem Detmolder Theaterpreis ausgezeichnet – 2022 und 2024. Doch was braucht es eigentlich, um Abend für Abend auf der Bühne zu glänzen? Und muss man als Opernsängerin fließend Italienisch sprechen? Lotte Kortenhaus gibt Antworten. Frau Kortenhaus, wie sind Sie zum Singen gekommen? Lotte Kortenhaus: Ich komme aus einem musikalischen Elternhaus in Freiburg. Wir waren fünf Geschwister und haben viel gesungen. Ich habe einen Musikzweig in der Schule besucht. Als eine Freundin mit Gesangsunterricht begann, habe ich auch mit 16 Jahren Stunden genommen. Mein Vater kommt aus Detmold und war an der Musikhochschule Jungstudent für Cello. Er wurde später doch kein Berufsmusiker, sondern Mediziner, hat aber meine musikalische Ausbildung sehr gefördert. Nehmen sie noch Unterricht? Lotte Kortenhaus: Ein bis zweimal im Jahr hole ich mir Anregungen bei sehr professionellen Leuten. Es ist wichtig, inspiriert zu werden und neue Techniken auszuprobieren. Als ich die Eliza in „My fair Lady“ singen musste, habe ich mir bei einer Musical-Professorin in Essen Anregungen geholt. Ich nehme Übungen mit nach Hause, an denen ich mich weiterentwickeln kann. Wir bewältigen in Detmold eine große Vielfalt an Repertoire, was mir sehr entspricht. Unterschiedliche Stile erfordern auch unterschiedliche Gesangstechniken. Sie stehen in dieser Spielzeit unter anderem als Thurza in „The Wreckers“ und nächstes Jahr als Melibea in Rossinis Oper „Die Reise nach Reims“ auf der Bühne. Wie bereitet man sich körperlich und stimmlich auf solche Rollen vor? Lotte Kortenhaus: Körper und Stimme sind bei uns Sängerinnen untrennbar verbunden. Ich vergleiche es gern mit Leistungssport: Ohne Fitness, gute Atmung und ein stabiles Nervenkostüm geht es nicht. Aber die Stimme ist kein Muskel, den man einfach trainiert – sie reagiert sehr sensibel auf Stress, Schlafmangel oder das Wetter. Ich praktiziere eine Art „Lasagne-Üben“. Ich übe das eine Stück 10 Minuten, dann nehme ich das nächste und übe es 10 Minuten, bis alles einstudiert ist. So bleibe ich stimmlich flexibel und kann schnell in den Stilen wechseln. Rossini verlangt von Sängern und Sängerinnen noch feinere Koloraturen als Händel, die kaum singbar sind und eher einem Lachen gleichen. Beim Operngesang nutzt man ganz andere Resonanzräume als beim Musical, wo oft in der Regel mit Mikrofon gesungen wird. Das Stimmvolumen ist beim Musical daher sparsamer einzusetzen. Als Jugendliche habe ich auch viel Pop gesungen. Barbara Streisand fand ich toll, die in ihrer Stimme auch schon einige klassische Elemente hat. Ich habe dann aber festgestellt, dass meine Stimme bei der Oper die größten Ausdrucksmöglichkeiten besitzt. Sie decken von Kammermusik und Kirchenmusik (Paulus) über Schubert-Lieder bis hin zum Musical und Oper eine enorme Palette ab. Lotte Kortenhaus: Gerade diese breite Palette ist es, was mir am meisten Spaß macht. Die große Bandbreite vom intimen Liedgesang bis hin zu großer Dramatik in der Oper fasziniert mich und ich bin froh, dass ich in Detmold alles zeigen kann. Ich würde mich nie auf nur ein Genre festlegen. Früher habe ich auch gerne im Chor gesungen. In der Kirchenmusik bietet sich auch ein wunderbares Repertoire. Gibt es ein „Geheimrezept“ für den Stimm-Erhalt? Lotte Kortenhaus: Man entwickelt mit der Zeit ein sehr feines Körpergefühl. Wenn ich merke, meine Stimme wird müde, höre ich lieber auf. Vor Premieren wird man ein bisschen asketisch – kein Alkohol, wenig Zucker, viel Tee trinken. Und ganz wichtig: ausreichend Schlaf! Es klingt banal, ist aber für Sängerinnen überlebenswichtig. Man muss fit und durchlässig bleiben. Ich mache zuhause etwas Krafttraining mit speziellen Übungen und versuche, mich zu entspannen. Wenn ich merke, dass sich eine Erkältung anbahnt, sage ich besser alle Termine ab, trinke viel, inhaliere, und versuche, ganz bei mir zu bleiben. Das Theater zeigt viel Verständnis, denn niemandem ist geholfen, wenn ich mich auf Biegen und Brechen durch eine Vorstellung quäle. Im Notfall müssen Rollen umbesetzt werden oder Ersatz einspringen. Sie singen auf Deutsch, Englisch, Französisch – und natürlich Italienisch. Muss man als Opernsängerin auf Italienisch träumen können? Lotte Kortenhaus: (lacht) Es wäre schön, wenn ich das könnte. Nein, ich spreche Italienisch nicht fließend, aber ich habe die Aussprache im Studium gelernt und mir im Laufe der Zeit ein gutes Verständnis für die Sprache erarbeitet – besonders, was Aussprache, Phrasierung und Betonung betrifft. Es gibt auch Tools im Internet, mit denen man üben kann. Ich versuche, den Klang zu treffen, und mir wurde zurückgemeldet, dass ich kaum einen Akzent habe. Wir singen ja nicht nur Wörter, wir transportieren Emotionen – und die kommen nur an, wenn die Sprache natürlich klingt. Viele Sänger und Sängerinnen - ich inklusive - arbeiten mit Sprachcoaches oder lernen die Rollen mit muttersprachlicher Unterstützung. Schon zwischen Amerikanisch und Englisch gibt es große Unterschiede. Beim Tschechischen etwa („Das schlaue Füchslein“ von Janáček) brauche ich natürlich Hilfe. Im Theater gibt es viele Nationalitäten und man ist in vielen Sprachen unterwegs, was sehr hilfreich ist. Wie geht man mit der körperlichen und seelischen Anstrengung einer Rolle um – etwa als innerlich zerrissene Mutter in „Dead Man Walking“? Lotte Kortenhaus: Das war tatsächlich die emotionalste Rolle, die ich je gespielt habe, – psychisch wie körperlich. Alle haben geweint und es ging an die Nieren, aber ich versuche, mich außerhalb der Bühne gut abzugrenzen. Man muss die Abgründe spüren können und rüberbringen, darf sich jedoch nicht selbst davon gefangen nehmen. Man taucht in eine Figur ein, ja – aber man muss auch wieder rausfinden. Im Studium hatte ich natürlich Schauspielunterricht. Wir haben zum Beispiel Übungen mit Masken für die Körpersprache gemacht und sollten Emotionen zeigen, die ja oft nur mit dem Gesicht ausgedrückt werden. Da lernt man, den ganzen Körper mitzunehmen, was ja wichtig ist, da Zuschauer im zweiten Rang den Gesichtsausdruck kaum erkennen können. Was sehen wir als Publikum denn am wenigsten von Ihrem Beruf – was bleibt wirklich „hinter dem Vorhang“? Lotte Kortenhaus: Wie viel Zeit wir mit Lernen und Vorbereiten verbringen! Für eine neue Partie sitze ich oft Wochen mit Noten, Übersetzungen und musikalischer Interpretation, Regieanweisungen, bevor die erste Probe beginnt. Und was man auch nicht sieht: dass wir sehr diszipliniert leben müssen. Vor der Premiere steigt der Stress immer. Die familiäre Situation bleibt auch draußen. Mein Mann ist Ingenieur und arbeitet zum Glück nicht am Theater, hat aber viel Verständnis für die besondere Situation. Meine Kinder sind darauf trainiert, mich morgens in Ruhe zu lassen, so dass ich genügend Schlaf nach einer Aufführung bekomme. Der Beruf ist wunderschön, aber auch ein Vollzeit-Lebensmodell. Was lieben Sie an Ihrem Beruf – trotz dieser Herausforderungen? Lotte Kortenhaus: Das Eintauchen in andere Welten und von der Bühne aus den Kontakt mit dem Publikum aufzunehmen. Das wunderbare Publikum in Detmold gibt mir eine besondere Inspiration. Jeden Abend jemand anderes sein dürfen ist ein großes Geschenk. Und wenn man dann spürt, dass man das Publikum berührt hat, vielleicht sogar verändert – dann weiß man, wofür man all die Mühe auf sich nimmt. Nicht nur in Detmold – auch in den Gastspiel-Orten, in denen wir in ganz NRW und darüber hinaus spielen, genießt unser Ensemble einen sehr guten Ruf. Es ist auf jeden Fall mein Traumberuf und ich bin sehr dankbar, Beruf und Familie in Detmold vereinbaren zu können. Sie sind seit acht Jahren in Detmold, wie gefallen Ihnen das Theater und die Stadt? Lotte Kortenhaus: Ich lebe wahnsinnig gerne in Detmold. Die Stadt hat für ihre Größe viel zu bieten und ist ideal fürs Familienleben. In einer Großstadt wären die Wege viel weiter und hier kann ich mit dem Fahrrad zum Theater kommen. Wir müssen ja oft morgens für Proben und abends für Vorstellungen zum Theater kommen. Das Ensemblegefüge gefällt mir auch sehr gut. Es gibt tolle Ensemblemitglieder, mit denen ich sehr gerne zusammenarbeite und auch die Freizeit gestalte. Das hat man nicht in jedem Theater. Hier gibt es keine Streitigkeiten um Premierenbesetzungen. Sie sind 2015 mit der Eigenproduktion „Operation am offenen Herzen“ durch ganz Deutschland getourt. Würde Sie die auch gerne in Detmold zeigen? Lotte Kortenhaus: Die Produktion ist damals in Wiesbaden entstanden. Als Darstellertrio sind wir in verschiedene Genres vom Pop-Schmachtfetzen bis zum öligen Schellackschlager getaucht und haben gezeigt, was man stimmlich und interpretatorisch damit machen kann. In der Corona-Zeit ist das eingeschlafen. Aber ich hätte nichts dagegen, die Show in Detmold zu zeigen. Als Masterarbeit hat gerade der Tonmeister Benedikt Jäger in der Hochschule für Musik eine CD mit Robert Lillinger am Klavier und mir produziert, die aber nicht kommerziell genutzt werden darf. Sie wird aber sicher irgendwo mal zu hören sein. Live kann man das Programm des Albums in unserem Liederabend am 21. November im Schloss erleben. Es war aber eine tolle Erfahrung, auf so hohem Niveau zu arbeiten. Persönlich Lotte Kortenhaus wurde in Freiburg zur Opernsängerin ausgebildet. Seit 2017 gehört sie fest zum Ensemble des Landestheaters Detmold. Neben Oper und Operette begeistert sie sich auch für das Lied-Repertoire und ist mit ungewöhnlichen Crossover-Projekten wie „Operation am offenen Herzen“ deutschlandweit gefragt. Sie wurde bereits zwei Mal mit dem Detmolder Theaterpreis ausgezeichnet. Als gefragte Interpretin ist Kortenhaus regelmäßig in Liederabenden zu erleben.