Schüler geben Handy-Nachhilfe - und Senioren in Dörentrup werden endlich alle Fragen los

Dörentrup/ Barntrup. Gemurmel, Stimmengewirr, immer wieder auch Gelächter - und dazu zieht ein leichter Duft von Kaffee und Kuchen durch den Saal im Dörentruper Bürgerhaus: Esra Kanbal ist ganz eindeutig in ihrem Element. &bdquo;Raus aus dem Haus!“, zitiert die kleine, quirlige Sozialarbeiterin, die in Bartrup und Dörentrup Projekte zur Sozialen Dorfentwicklung betreut , ihr Motto. Gegen Einsamkeit, für mehr Geselligkeit. Fest nimmt die erfahrene Streetworkerin Besucher Günter Grass in den Arm, gratuliert ihm nachträglich zum Geburtstag. Kanbal, erst seit Juni für beide Gemeinden im Dienst, ist ganz offensichtlich ein echter &bdquo;Kontaktmensch“.

Ihrer Einladung zum zweiten Generationenworkshop sind an diesem Nachmittag 25 Seniorinnen und Senioren gefolgt, zum ersten Treffen im Sommer kamen nur wenige. Es hat sich also herumgesprochen. Das Thema: die Smartphone-Nutzung und alle Fragen rund ums Internet. Der Bedarf an Hilfestellung ist zweifelsohne groß.

Oft ist in den Medien vom &bdquo;Digitalen Graben“ die Rede, also der Tatsache, dass die Kompetenz in diesem Bereich sehr ungleich verteilt ist, vor allem zwischen Jung und Alt. Und davon, dass dieser Graben die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von der Kontaktpflege bis zum Onlinebanking erschwert - oder unmöglich macht.

&bdquo;Gelebte Gemeinschaft“ Weshalb Esra Kanbal fünf Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Barntrup sowie zwei Azubis des Dienstleisters OWL IT aktiviert hat, um die Senioren zu coachen. Sie ist stolz auf das Projekt, bei dem selbst Bürgermeister Friso Veldink kurz vorbeischaut, um die &bdquo;gelebte Gemeinschaft“ zu loben.

Kanbal wettert: Kaum jemand nehme sich heute die Zeit dafür, die Eltern oder Großeltern bei PC und Smartphone zu unterstützen. Und dann seien da ja noch die Alleinstehenden, die ohnehin niemanden hätten. Ihre Idee sei im Kreis Lippe einzigartig ( wenngleich es durchaus kleinere Initiativen wie die im Lemgoer AWO-Kastanienhaus gibt ) - und sie hofft sehr auf Nachahmer.

Doch wie genau funktioniert das Konzept? Nach einem Einführungsvortrag, bei dem recht schnell - für einige Anwesende womöglich zu schnell? - die Grundlagen abgefrühstückt werden, geht es in die Eins-zu-Eins-Beratung. Die jungen Leute gehen von Tisch zu Tisch und bieten ihre Hilfe bei den ganz konkreten Alltagsproblemen der Nutzer, die meisten 70 plus, an. Und davon gibt es mehr als genug.

Den &bdquo;Blockierfinger“ aktivieren Die einen möchten im Handy-Nirvana verschwundene Fotos wiederfinden, die anderen, wie Karin Grass, unerwünschte Nummern blockieren. Denn diese, weiß die Seniorin, bergen ja in Zeiten von betrügerischen Fake- und Schock-Anrufen ein Sicherheitsrisiko. Also erklärt - und zeigt! - Gymnasiastin Grace Tavella in Ruhe, wie es funktioniert.

Die Nummer in der Anrufliste lange anklicken, bis sich das Menü öffnet. Dann wird fleißig der &bdquo;Blockierfinger“ aktiviert, wie es im Social-Media-Sprech oft heißt: Grass drückt, blockiert - und löscht dann im zweiten Schritt die Nummer aus der Anruferliste. Sicher ein dutzendmal geht das so, dann &bdquo;sitzt“ der neue Vorgang. Erleichterung bei ihr und ihrem Mann. Nächste Baustelle: Fotos löschen - und den Papierkorb auf dem Smartphone finden. &bdquo;Wenn meine Kinder oder Enkel zu Besuch sind, wollen wir meist die knappe Zeit genießen und vertagen die Technik-Probleme auf ein anderes Mal“, verdeutlicht Besucherin Luisa aus Dörentrup ein weitverbreitetes Problem. &bdquo;Aber ich will das doch wissen“, sagt sie und lacht.

Eine andere Lebensrealität Lehrerin Julia Höbrink lässt den Blick über die zahlreichen Grüppchen schweifen, Jung und Alt ins Gespräch vertieft. &bdquo;Ich bin unheimlich stolz auf meine Schülerinnen und Schüler. Diese Interaktion zwischen Jung und Alt ist beeindruckend.“ Als sie von Esra Kanbal kontaktiert wurde, fing sie direkt Feuer für die Idee, denn: &bdquo;Bis auf die eigenen Großeltern entsteht kaum ein Kontakt mit der älteren Generation.“ Was schade sei. &bdquo;So können sie eine völlig andere Lebensrealität kennenlernen - und auch Verständnis und Empathie entwickeln“, meint die Lehrerin.

Dass vielen der Jüngeren nicht klar ist, welche Hürden den Seniorinnen und Senioren bei der Smartphone-Nutzung begegnen, zeigt sich an diesem Nachmittag immer wieder. Wie ruft man die künstliche Intelligenz Chat GPT auf, &bdquo;ist das eine App?“ Wie kann ich mit dem Tablet telefonieren? Wie einen Screenshot machen? Wie ein Foto mit meiner Tochter teilen? Die Fragen reißen nicht ab. Und die Jugendlichen erklären geduldig. &bdquo;Ach so!“, ist oft zu hören, wenn die Groschen fallen. Aha-Momente am laufenden Band.

&bdquo;Der Kontrast ist sehr groß“, sagt Daniel Schamber, der im zweiten Ausbildungsjahr zum Fachinformatiker bei OWL IT ist. Seine eigenen Großeltern seien in diesen Themen recht fit. So sei es für ihn &bdquo;traurig, oder zumindest schade“ mit anzusehen, wie schwer sich viele Ältere tun - und wie sehr sie dadurch von der modernen Entwicklung ausgeschlossen seien. &bdquo;Vermutlich wäre ein wöchentliches Treffen gut“, überlegt Schamber. &bdquo;Wenigstens monatlich“, pflichtet ihm Schülerin Lena Sophie Ludwig bei. Einig sind sich alle: Der Workshop soll wiederholt werden.

Termin Die nächste Veranstaltung der Sozialen Dorfentwicklung findet am Dienstag, 18. November, von 13 bis 15.30 Uhr statt: ein Vortrag mit Juristin Mara Kaltenborn zum Thema &bdquo;Notfallfürsorge, Patientenverfügung und Familienfürsorge“. Kostenfrei, Anmeldung per E-Mail an e.kanbal@barntrup.de oder unter Tel. (05265) 7390 im Rathaus.

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