Interview: Extertals Bürgermeister will Grenzen auch mal verschieben

Extertal. Mit der neuen Wählergruppe &bdquo;Zukunft Extertal" hat Frank Meier im Herbst bei den Kommunalwahlen abgeräumt und den Chefposten im Rathaus erobert. Nach gut drei Monaten ist es Zeit für eine erste Zwischenbilanz des Mannes, der vor seinem neuen Job im Rathaus eine Firma für Springbrunnenbau hatte. Aktuell freut er sich über die Ansiedlung von zwei neuen Firmen und den Verkauf der Pestalozzischule in Kombination mit dem Bau eines neuen Kindergartens.

Wer baut in Extertal seit 100 Tagen die Springbrunnen? Anders gefragt: Was macht Ihre Firma?

Frank Meier: Meine Frau führt die Geschäfte weiter. Wir haben Arbeiten wie die Wartung oder noch offene Montagen an eine Firma aus Augustdorf abgegeben.

Wie hat der Rollenwechsel vom Unternehmer zum Bürgermeister geklappt?

Meier: Relativ reibungslos, weil das Unternehmen schon im Wahlkampf nicht mehr so viel Arbeit leisten konnte wie sonst. Das war aber von meiner Frau und mir so geplant. Wir haben gesagt: Wir probieren das, um eine neue Chance im Leben zu nutzen. Es gibt viele Parallelen zwischen den Aufgaben. Die Unterschiede liegen in den Strukturen der Verwaltung, aber da gibt es die Fachbereichsleiter als Fachmänner, die wissen, wie es geht. Ich sehe mich als Bürgermeister eher als jemanden, der neue Ideen reinbringt.

Aber Sie werden an Grenzen stoßen, wenn Sie Dinge aus betriebswirtschaftlicher Perspektive angehen und feststellen: In einer Kommunalverwaltung geht das so nicht.

Meier: Natürlich ist das so. Wenn ich einen Vorschlag vorstelle, zeigen mir die Bereichsleiter im Rathaus die Grenzen auf. An der Stelle wird aber auch geprüft, ob man die Grenzen auch mal verschieben kann.

Und dann geht da noch was?

Meier: Häufig geht da noch was. Manchmal muss man nur mal den Mut haben, anders zu denken. Einer muss die Verantwortung dafür übernehmen, das ist dann halt der Bürgermeister. Natürlich gibt es das Risiko, dass man etwas Falsches durchsetzen will. Aber da müssen Sie bereit sein, mit den Mitarbeitern und Kollegen zu diskutieren. Unterm Strich entwickelt es sich viel positiver, als ich erwartet hatte. Viele haben mich davor gewarnt, dass es in einer Verwaltung schwierig wird. Ich stelle nach 100 Tagen fest: Es ist nicht so schwierig, wie ich dachte.

Haben Sie das Gefühl, ein schwieriges Erbe angetreten zu haben?

Meier: Friso Veldink in Dörentrup muss in die relativ großen Fußstapfen von Friedrich Ehlert treten. Es fällt sicherlich manchmal schwer, die auszufüllen. Da habe ich es ein bisschen leichter.

Inwiefern hat Ihnen geholfen, dass Sie vorher als Gemeindecoach aktiv waren?

Meier: Das war wichtig, weil ich bei vielen Dingen schon im Thema war. Zum Beispiel beim Thema Wasserversorgung. Da bin ich gleich mit Problemen eingestiegen, weil zwei Extertaler Brunnen wegen Sanierung außer Betrieb waren. Wir haben Wasser in Rinteln zugekauft, und ich wusste, dass wir die Versorgungsleitung nach Rinteln gebaut hatten. Der eine Brunnen ist inzwischen auch wieder in Betrieb, der zweite folgt im Sommer.

Was macht die Suche nach einem neuen Brunnen?

Meier: Wir sind in Gesprächen mit der Gemeinde Kalletal über eine weitere Verbundleitung und wollen dafür Fördermittel einwerben. Parallel denken wir darüber nach, mit der Suche noch mal neu zu beginnen. Ich bin auf eine neue Methode gestoßen, bei der die Fläche mit einer Drohne überflogen wird, um den Untergrund zu untersuchen. Wir versuchen, in ein Forschungsprojekt zu kommen, damit das auch in Extertal gemacht werden kann.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Ihren nordlippischen Kollegen, von denen ja zwei weitere Bürgermeister neu im Amt sind?

Meier: Wir sitzen regelmäßig zusammen und sind eng verbunden. Man ruft mal an und fragt: Wie macht Ihr das? Mario Hecker hilft uns da ebenfalls immer weiter.

Sie sind mit &bdquo;Zukunft Extertal" angetreten, mehr Einigkeit in die Politik zu bringen. Das lässt sich aber nicht von oben verordnen. Wie wollen Sie das erreichen?

Meier: Zusammenarbeit heißt auch immer: offene Diskussion. Die führe ich mit allen Fraktionen und gebe auch schnell Informationen in die Politik. Damit haben die Fraktionen die Chance, meine Entscheidungen zu begleiten und zu beeinflussen, bevor es in die Abstimmung im Rat geht. Bei unserem Umgang mit dem Haushalt hat das schon gut funktioniert. So ist die Einigkeit bei der Abstimmung zu erklären.

Aber nicht alles wird immer einstimmig laufen. Setzen Sie auf wechselnde Mehrheiten im Rat?

Meier: Auf jeden Fall. Ich wünsche mir natürlich, dass es keine festen &bdquo;Koalitionen" mehr gibt, und ich habe den Eindruck, dass die Parteien das auch so sehen. Alle Themen werden kontrovers diskutiert. Das ist Politik, das ist gewünscht.

Sie haben vor der Wahl angekündigt, Vereine und das Ehrenamt zu unterstützen, freiwillige Aufgaben nicht zu vernachlässigen. Das kostet Geld. Woher soll das kommen?

Meier: Es geht viel darum, miteinander zu sprechen, um Zusammenarbeit. Die Wünsche der Vereine beziehen sich nicht nur auf Geld, sondern vielfach auf praktische Abläufe, auf Dinge, bei denen die Gemeinde oder der Bauhof mal unterstützen kann. Da sind wir offener geworden, auch der Bauhof hat die Freiheit bekommen, mal zu helfen. Das ist eine positive Erfahrung, die ich gemacht habe: Nicht jeder will immer nur über Geld sprechen. Oftmals werden Lösungen angefragt, und die Vereine sind auch bereit, die Gemeinde zu unterstützen. Das ist ein Geben und Nehmen.

Sanierungen kosten aber Geld.

Meier: Und da wollen wir nicht sparen. Das Geld sparen wir bei Gutachten und externer Beratung ein. Damit haben wir angefangen, und das funktioniert. Wir können viele Leistungen intern erbringen, wenn wir unsere Kompetenzen zusammenbringen und über eine Baustelle mit zwei, drei Leuten diskutieren.

Das zielt auch auf die &bdquo;Kompetenzteams", die Sie einrichten.

Meier: Da sind wir durch Corona noch eingeschränkt. Es gibt aber schon Teams, etwa eines zum Regionalplan. Da verstärken wir uns mit nur einem externen Büro, und unsere Stellungnahme erarbeiten wir selbst im Kompetenzteam. Da sind Fachleute aus der Gemeinde und Mitglieder aus jeder Fraktion dabei.

Manche Fraktionen haben sich mit den Kompetenzteams aber eher arrangiert, als sich damit anzufreunden.

Meier: Das ist so. Sie geben mir aber die Chance zu zeigen, wie es funktionieren kann. Und in der Arbeit selbst kommen gute Rückmeldungen, begründet durch den guten Informationsfluss.

Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben die nächste Zeit?

Meier: Dass wir die Gewerbe- und Wohnflächen im Regionalplan bekommen, die wir brauchen. Dann steht der Verkauf der Pestalozzischule an, damit der Investor mit dem Bau des dreizügigen Kindergartens beginnen kann, den wir dringend brauchen. Möglichst noch im Frühjahr soll Baustart sein.

Was passiert mit der Pestalozzischule?

Meier: Es ist noch nicht entschieden, ob die Schule abgerissen oder saniert wird. Wenn dort Wohneinheiten entstehen, ist das natürlich in unserem Interesse.

Zum Schluss: Was hat Sie in den ersten 100 Tagen als Bürgermeister überrascht?

Meier: Die Loyalität der Mitarbeiter. Ich hatte erwartet, dass jemand, der aus der freien Wirtschaft kommt, mit seinen Ansichten auch mal auf Ablehnung stößt. Das habe ich aber ganz anders empfunden und weiß die Unterstützung der Mitarbeiter zu schätzen.

Was hat Sie besonders geärgert?

Meier: Die Menge der Anträge aus den politischen Fraktionen, die in den vergangenen zwei, drei Jahren nicht abgearbeitet worden sind. Ich habe inzwischen fast allen Fraktionen eine Rückmeldung gegeben, wie wir jeden einzelnen Antrag abarbeiten wollen.

Was hat Sie besonders stolz gemacht?

Meier: Dass wir ungefähr 50 Arbeitsplätze nach Extertal geholt haben. Die Firma MPL aus Lemgo, eine Tischlerei, hat im Industriegebiet &bdquo;Im langen Kamp" ein Grundstück gekauft und baut dort eine Fertigungshalle. Und die Firma Eggersmann aus Rinteln, die Tierfutter produziert, hat eine Zweigstelle in den Jung-Hallen eröffnet. Dort war früher Kühlfahrzeugbau Brandt beheimatet. Damit ist ein Leerstand von 4800 Quadratmetern in Bösingfeld beseitigt. Ab Sommer soll dort produziert werden.

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