Wie die Biostation Lippe im Extertal ein echtes Kleinod rettet

Kreis Lippe. Auf ihre Buchenwälder sind die Lipper stolz. Dabei haben die lippischen Wälder noch vor einem Jahrhundert ganz anders ausgesehen: Das Fürstentum war anno dazumal von Niederwäldern geprägt. Da wuchsen nicht etwa gerade, schöne Baumstämme in den Himmel, um erst nach diversen Jahrzehnten gefällt zu werden, weiß Fabian Fester von der Biologischen Station Lippe in Schieder: &bdquo;Die Bäume wurden allerorten regelmäßig kurz über dem Boden abgeholzt, so dass sie wieder austreiben konnten.“ Nur noch ein vergleichsweise kleines Fitzelchen Niederwald hat bis heute überlebt. Und die Biologische Station Lippe pflegt dieses Kleinod, weil hier eine ganz besondere Pflanzengesellschaft lebt.

&bdquo;Wir treffen uns am Trafohäuschen in Extertal-Bremke“, hat Fabian der LZ-Redakteurin noch auf den Weg zum Treffen am Rinnenberg mitgegeben. &bdquo;Das ist nämlich gar nicht so leicht zu finden. Und ziehen Sie am besten Wanderschuhe an, denn wir sprechen hier von bis zu 60 Prozent Steigung.“ Wer hat eigentlich gesagt, dass so eine Ortsbesichtigung gleich in Sport ausarten muss?

Doch erst mal geht es einen in der Tat etwas versteckt liegenden Pfad am Ortsausgang von Bremke entlang. Er gehört zu einem Wanderweg rund um den Rinnenberg und führt an Hecken und einer Wiese vorbei zur Infotafel, die der Naturschutzbund in Zusammenarbeit mit der Biologischen Station und der NRW-Stiftung hier aufgestellt hat. Denn auch die Pflege dieses ganz besonderen Naturschutzgebietes ist ein Gemeinschaftsprojekt dieser drei Träger. Auf der Tafel ist bereits das Wesentliche erklärt, und von hier lässt sich auch erahnen, welche Auswirkungen diese Niederwald-Bewirtschaftung auf die Bäume gehabt hat.

Ein Baum mit vielen Stämmen

An dem steilen Hang, der sich neben der Infotafel erhebt, reckt eine offensichtlich sehr betagte Eiche ihre Stämme in den Himmel. Sie haben richtig gelesen: Es wirkt, als seien hier mehrere Bäume ineinander gewachsen. Tatsächlich aber ist es ein einziger Baum, den man in seinen frühen Jahren immer wieder auf den Stock gesetzt hat. &bdquo;Eigentlich ist das dasselbe Prinzip wie bei den Kopfweiden, nur dass die eben deutlich höher auf den Stock gesetzt werden“, erklärt Fabian Fester. &bdquo;Das hat man in Abständen von zehn bis 20 Jahren gemacht.“

Nicht gerade für den Möbelbau, aber sicherlich als Brennholz oder zur Holzkohlegewinnung diente dieses Holz den Lippern in den vergangenen Jahrhunderten. Nachdem die Niederwaldwirtschaft auch hier aufgegeben wurde, durfte die Eiche, deren Rinde ebenfalls geerntet worden ist, um die Gerbsäure für die Lederbearbeitung zu nutzen, in dem Naturschutzgebiet am Rinnenberg einfach weiterwachsen, bis die Triebe sich zu Baumstämmen gemausert haben. Doch genau das will die Biologische Station ein paar 100 Meter weiter künftig verhindern. Hier hat sie bereits 1998 begonnen, zumindest auf einem 0,6 Hektar großen Teilstück die historische Waldbewirtschaftung wieder aufzunehmen.

Seltene Elsbeeren bleiben

Fabian Fester steigt hinter dem Infoschild über den Zaun einer Weide im Naturschutzgebiet, wo Schafe und ein paar Esel neugierig herüberschauen. &bdquo;Dies ist die einzige Möglichkeit, mal von unten einen ungehinderten Blick auf den Schlag zu werfen“, sagt er, während es durch das nasse Gras geht. &bdquo;Und man muss sich keine Sorgen machen, die Tiere sind friedlich.“

Nach wenigen Minuten stehen die Besucher vor einem Haufen Holz am Fuß des Berges, darüber erhebt sich ein Stück kahlen Hanges, auf dem sich Baumstümpfe von dem Graubraun des Waldbodens abheben. Hier ist das passiert, was die Biologische Station bereits um die Jahrtausendwende begonnen hat: Von 1999 bis 2002 ließ sie zeitversetzt auf vier benachbarten Schlägen am Südwesthang die in 70 Ruhejahren durchgewachsenen älteren Bäume fällen, damit sie wieder austreiben können. &bdquo;Wir haben nur einige Eichen stehen lassen, weil sie für die Naturverjüngung wichtig sind“, erzählt der Biologe. &bdquo;Und alle Elsbeeren.“

Denn dass die Biostation sich überhaupt so bemüht, die alte Waldbewirtschaftung zumindest auf einer kleinen Fläche wiederzubeleben, hat mit der besonderen Pflanzengesellschaft zu tun, die sich dort über Jahrhunderte gebildet hat. Auf den lichten, mageren Böden am sonnenbeschienenen und entsprechend warmen Steilhang fühlen sich nicht nur Wald-Labkraut, Pfirsichblättrige Glockenblume, Lungenkraut, Sanikel, Mannsknabenkraut, Schwarze Teufelskralle und Duftende Schlüsselblume wohl, sondern eben auch die Elsbeeren, eine hierzulande seltene Baumart, die es warm und hell liebt. &bdquo;Wenn wir die Elsbeeren freistellen, bekommen sie wieder genug Licht zum Wachsen und zur Samenbildung.“

&bdquo;Es lohnt sich“

Die schwere Arbeit am steilen Hang hat Mirco Hundertmark übernommen. Der Lügder Forstunternehmer und sein Mitarbeiter sind auf dem steilen Hang des Rinnenbergs herumgekraxelt und haben mit der Motorsäge alle nicht als geschützt markierten Bäume auf den Stock gesetzt, das Holz in Stücke geschnitten und den Berg heruntergerollt. &bdquo;Das ging ganz gut wegen der Rinne“, sagt er. Diese Vertiefungen, die sich den Berg hinunterziehen, hat er bei den ersten Arbeiten vor Jahren entdeckt, als er seinen Zivildienst bei der Biologischen Station ableistete, und denen verdankt der Rinnenberg wohl seinen Namen.

Der erste von den vier Schlägen am Berg wurde bereits 17 Jahre nach dem ersten 2016 ein zweites Mal auf den Stock gesetzt. Gerade hat sich Mirco Hundertmark Schlag Nummer zwei vorgenommen. &bdquo;Wenn wir das regelmäßig alle paar Jahre machen, können wir den Niederwald und die besonderen Pflanzen hier erhalten“, erläutert Fabian Fester. Billig ist das nicht, die Biostation bekommt Zuschüsse für das Projekt. &bdquo;Aber es lohnt sich auf alle Fälle.“

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