Bad Meinberger Norderteich im Wandel: Warum viele Pflanzen verschwunden sind

Kreis Lippe. Sumpfbaldrian und Kuckuckslichtnelke? Stark zurückgegangen. Froschbiss, Schwanenblume, Tannenwedel? Am Norderteich ausgestorben, ebenso wie weitere Pflanzenarten. Es ist schon frappierend, wie hoch der Verlust an Artenvielfalt in den vergangenen mehr als 140 Jahren rund um den Norderteich ist. &bdquo;Und woanders auch“, sagt Fabian Fester. Für das Gebiet rund um das &bdquo;lippische Meer“ allerdings können Biologen wie er exakt nachweisen, um wie viel ärmer die Natur geworden ist, haben Pflanzen- und Naturfreunde das Areal doch seit mindestens 140 Jahren kartiert, Bestände aufgenommen, Beobachtungen notiert. Nun, im Zuge der einjährigen Begutachtung des Norderteiches und dessen Umfeldes nach dem Beinahe-Trockenfall vor zwei Jahren, liegen detaillierte Daten vor.

Klimawandel setzt dem Naturschutzgebiet zu &bdquo;Es ist traurig, solche Veränderungen in unserer Landschaft und den damit verbundenen Artenrückgang zu beobachten“, sagt Fester. Zwar sei der oftmals befürchtete Super-GAU für das lippische Kleinod ausgeblieben. Der Wasserstand des ohnehin sehr flachen Sees hat nach den umfangreichen Reparaturarbeiten des Landesverbandes am Deich und am Mönch - dem Wasserüberlauf - die Zielstauhöhe erreicht.

Aber das mit diesen Arbeiten einhergehende Monitoring des Gebietes über eine ganze Vegetationsperiode zeige noch einmal ganz klar, wie stark zunehmende Trockenheit, Klimawandel und die veränderte Bewirtschaftungsweise des Grünlandes und des Teiches dem Naturschutzgebiet zusetzen. Auf einem kleinen Teilgebiet weiden Schafe. Aber die großflächige Weidetierhaltung auf dem umgebenden Grünland ist verschwunden. Statt der Beweidung wird jetzt gemäht und Heu gemacht. Bis in die Siebzigerjahre grasten Kühe bis zum Ufer, verfallene Unterstände und vermoderte Zaunpfosten zeugen davon.

42 Pflanzenarten sind seit 1880 ausgestorben oder verschollen, zwölf stehen aktuell auf der Roten Liste Weserbergland. Betroffen sind Feuchtbiotope, Röhricht- und Wasserpflanzengesellschaften. Fester sieht den Norderteich da beispielhaft. Den Kiebitz etwa gibt es in ganz Lippe kaum noch, sagt er mit einem Blick in die Tierwelt. Als er vor vier Jahren bei der Biologischen Station begonnen hatte, gab es 40 Brutpaare in Lippe, &bdquo;jetzt können wir die an einer Hand abzählen“.

Gut dokumentiertes Gebiet &bdquo;Sind wir früher mit dem Unimog auf einer Feuchtwiese am Norderteich fast stecken geblieben, reicht heute ein Paar Gummistiefel, um die Wiesen zu queren“, sagt der Wissenschaftliche Mitarbeiter der Biologischen Station, &bdquo;so sehr sind die Wiesen ausgetrocknet“. Es sei dank der langen Datenreihe vermutlich das am besten dokumentierte und untersuchte Gebiet in Lippe. Zwar haben Festers Vorgänger vor mehr als 100 Jahren lautmalerisch ihre Beobachtungen zur ,Goldenen Morgenstund’ am Norderteich beschrieben, die Heuschrecken und Libellen besungen und natürlich weniger wissenschaftlich gearbeitet - aber die Fakten sind klar, und sie sind nicht nur historisch belegt, sondern die Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit auch erschreckend.

Durch die insgesamt veränderten Niederschläge haben sich die Pflanzengesellschaften vor allem auf den Feuchtwiesen verändert. &bdquo;Zeigerarten“ wie die Kuckuckslichtnelke sind selten geworden, wodurch das Erscheinungsbild der Feuchtwiese ein anderes ist. Ehemals rot oder rosa blühende Wiesen blühen im Mai nun &bdquo;nur noch“ gelb (Hahnenfuß). &bdquo;Die Entwicklung steht nicht im Zusammenhang mit dem Austrocknen des Teiches“, sagt Fester.

&bdquo;Zeigerarten“ verschwinden Manche Wiese steht auf der Kippe zu einer geringerwertigen ökologischen Einordnung, weil sogenannte &bdquo;Zeigerarten“ allmählich verschwinden. Für den Biologen ist das keine &bdquo;historische“ Entwicklung, sondern eine neue, aktiv zu beachtende. Da braucht er keine historischen Unterlagen für.

Bei all den Sorgen und negativen Entwicklungen: Das Gebiet weist nach wie vor ein hohes Lebensraum- und Artenpotential auf. Von dem 70 Hektar umfassenden Untersuchungsgebiet sind noch immer rund die Hälfte wertvolle, besonders geschützte Biotope gemäß Landesnaturschutzgesetz. Die Erlenbruchwälder sind in ihrer Ausprägung einmalig für Lippe, auch wenn so manche Pflanze dort nicht mehr wächst. Nirgendwo sonst im Kreisgebiet gibt es noch so stark stauwasserbeeinflusste Waldbestände. &bdquo;Eine gewisse Qualität ist trotz der Verluste nach wie vor da. Wir hatten uns ja auf einen Wandel eingestellt, aber es ist ja interessant zu belegen und schön, was alles noch da ist.“ Aber, sagt Fester: &bdquo;Wir können nur das nutzen, was vom Himmel fällt. Die Feuchtwiesen werden weiter drastische Probleme bekommen, weniger Wasser zur Verfügung haben.“ Und dass es deutlich weniger Orchideen gibt, liegt an der geringeren Bodenfeuchte. Hinzu kommen Nährstoffeinträge aus der Luft und die wärmeren Frühjahre.

Es gibt nun eine feste Stauhöhe, eine Wasserstandsregulierung wie mit dem alten Mönch ist nicht möglich . Ein hoher Anstau am Ende des Winters wäre wünschenswert, um die angrenzenden Biotope gut mit Wasser versorgen zu können. &bdquo;Gleichwohl müssen wir uns drauf einstellen, dass einige Uferbereiche von Zeit zu Zeit trockenliegen werden, auch wenn das Loch gestopft ist. Aber da sind uns die Hände gebunden. Der Wasserstand wird sich verändern.“

Die alten Karpfen müssten raus Da gebe es eine Dynamik zwischen den einzelnen Jahreszeiten und niederschlagsarmen Zeiten. &bdquo;Wie groß diese ist, kann man nicht voraussagen. Aber wir können mit den zu erwartenden geringeren Niederschlägen effektiver haushalten.“ Spannend werde, wie sich die Schilffläche entwickelt. Es sei zu beobachten, dass Ufergehölze aufgrund des nun wieder höheren Wasserstandes scheinbar teilweise absterben. Die nur um wenige Zentimeter höhere Wasserfläche mache sich enorm bemerkbar. &bdquo;Die Weiden haben nasse Füße bekommen, sind abgängig.“

Nicht nur der Flora, auch der Fauna galt das Augenmerk des Biologen - etwa den Überbleibseln der jahrhundertelangen Bewirtschaftung des Teiches, die vor Jahrzehnten aufgegeben wurde. Doch viele Karpfen der aufgegebenen Teichwirtschaft drehen immer noch ihre Runden im Norderteich. &bdquo;Das ist keine ökologisch gesunde Population: Das Beste wäre, den Altbestand rauszunehmen und einen Mischbestand zu etablieren, wie es das Planungsgutachten empfiehlt.“ Also: ein gesundes Räuber-Beute-System wieder herzustellen. &bdquo;An einen großen, alten Karpfen geht ja keiner dran.“ Die Karpfen bewohnen die Böden der Gewässer, wirbeln Schlamm auf, sodass Licht nicht bis zum Boden dringen kann. In der Folge wachsen weniger Wasserpflanzen, Insekten finden weniger Verstecke, deren Zahl sinkt und Vögel haben weniger Nahrung: Es hängt eben alles zusammen.

Was wir tun können Artensterben betrifft auch unsere Gärten - mit den folgenden Tipps von Fabian Fester, Wissenschaftler der Biologischen Station Lippe, sowie Bernd Milde, Vorsitzender des NABU Lippe, lässt sich die Biodiversität fördern und gefährdeten Arten ein Lebensraum bieten.

1. Igeln einen Unterschlupf bieten: In aufgehäuftem Laub finden Igel einen Unterschlupf.

2. Regional einkaufen : Regionale Produkte von landwirtschaftlichen Betrieben unterstützen den Schutz von Wildpflanzen und -tieren.

3. Obstbäume anpflanzen : Obstbäume fördern die Insektenvielfalt und sind eine Nahrungsquelle nicht nur für Tiere, sondern auch für Menschen.

4. Nisthöhlen bauen : Halbhohe Kästen eignen sich ideal für Fledermäuse und Vögel. Jedoch sollten für Fledermäuse mehrere verteilt sein, während Vögel wenig verteilte Nistkästen bevorzugen.

5. Heimische Sträucher : Vögel profitieren von den Beeren, die heimische Sträucher tragen, wie zum Beispiel die Wildrose oder das Pfaffenhütchen.

6. Gartenteiche anlegen : Ohne Fischbestand nutzen Gartenteiche Libellen, Wasserinsekten und Amphibien. Es genügt ein Folienteich oder eine Teichschale.

7. Hochstauden pflanzen: Vögel nutzen die Samen der Hochstauden, schneiden sollte man sie erst im Frühjahr.

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