So hilft Hündin Jule Kindern der Grundschule Bösingfeld beim Lesen

Extertal-Bösingfeld. Mittwochnachmittag in der Offenen Ganztagsschule (OGS) der Grundschule Bösingfeld: Es herrscht buntes Treiben in den Räumen im Untergeschoss des großen Gebäudes. Hier wird gespielt, gelernt und sich kreativ betätigt. Vorbei an tobenden Grundschulkindern geht es die Treppen hinauf in Richtung Bücherei, wo einmal die Woche drei Kinder ein besonderes Angebot wahrnehmen. Als OGS-Leiterin Nicole Schäfer die Tür öffnet, stürmt eine kleine Hündin auf die Besucherinnen zu. Neugierig beschnuppert sie diese und lässt sich streicheln. An einem kleinen Regal steht Schüler Florian (8), der sich gerade ein Buch aussucht. Denn einmal die Woche ist Anne Junker mit Hündin Jule zu Gast.

Die Extertalerin bietet seit eineinhalb Jahren ehrenamtlich das Projekt &bdquo;Lesehund“ in der OGS an. Ihre dreijährige Havaneser-Hündin wurde dafür extra ausgebildet - auch zu erkennen an ihrem Halstuch - und hört nun geduldig zu, wenn ihr die Kinder aus einem der Bücher vorlesen. &bdquo;Viele Kinder haben Hemmungen, in der Klasse vorzulesen, wenn sie damit Schwierigkeiten haben“, sagt Anne Junker, die über 40 Jahre lang als Erzieherin gearbeitet hat. Das könne schnell dazu führen, dass sie das Selbstbewusstsein beim Lesen verlieren. &bdquo;Die Hunde helfen, ohne Druck an der Lesefähigkeit zu arbeiten, wieder Spaß daran zu bekommen und Selbstvertrauen aufzubauen.“

Bevor es für Schüler Florian aber ans Lesen geht, darf er noch ein wenig mit Jule spielen und demonstriert stolz, was er in den vergangenen Wochen schon alles mit der Hündin geprobt hat. Die macht fleißig Männchen, rollt sich auf den Rücken und gibt Pfötchen. Dafür darf Florian sie mit kleinen Leckerlies füttern. Zwischendurch muss Anne Junker aber kurze Hinweise geben. Immerhin gibt es auch Dinge, die Hunde nicht mögen.

Jule habe sie bereits als Welpe bekommen, erzählt Anne Junker. Damit sie &bdquo;Lesehund“ werden kann, musste die Hündin zunächst einen Eignungstest machen. Sie selbst habe beim Verein &bdquo;Lesehund im Norden“ einen Workshop absolviert. &bdquo;Jule ist es gewohnt, viele Kinder um sich herum zu haben, meine Enkelkinder sind auch oft zu Besuch“, sagt Anne Junker. Als sie in Rente gegangen sei, habe sie nach neuen Aufgaben gesucht und sei schließlich auf das Projekt &bdquo;Lesehund“ gestoßen. Als sie an der Grundschule Bösingfeld anfragte, sei man sofort begeistert gewesen.

Unterdessen trifft auch Lina (8) in der Bücherei ein. Sie kommt seit gut einem dreiviertel Jahr und ist Jule offenbar bestens bekannt. Schwanzwedelnd und bellend kommt die Hündin auf die Schülerin zugelaufen und begrüßt diese überschwänglich. Auch Lina darf zunächst ein bisschen mit Jule spielen und zeigen, was die Beiden schon alles gelernt haben.

Denn im Projekt geht es nicht nur darum, die Lesefähigkeit zu verbessern, sondern auch darum, den Umgang mit den Vierbeinern zu erlernen, wie Anne Junker erklärt. &bdquo;Also zu erkennen, was der Hund vielleicht auch nicht möchte und wann er genug hat.“ Wer am Projekt teilnimmt, wird übrigens von den Lehrkräften ausgesucht. &bdquo;Wir sprechen mit ihnen und fragen, bei wem Bedarf ist“, erklärt Nicole Schäfer. Wie lange die Schülerinnen und Schüler dann teilnehmen, hänge vom individuellen Lernerfolg ab. &bdquo;Wir bereiten die Kinder natürlich darauf vor, dass irgendwann auch andere dran sind“, sagt Anne Junker. &bdquo;Das ist dann auch okay für sie. Zumal man sich ja auch danach zum Beispiel noch auf dem Schulhof trifft.“

Für Florian und Lina geht es nun ans Lesen. Hündin Jule legt sich derweil in die Mitte und schläft sofort ein. Auch für sie ist das Training aufregend. Aus einer großen Bücherkiste hat Anne Junker ein Buch herausgesucht, aus dem beide nun abwechselnd vorlesen. Florian liest dabei auch gerne mit der &bdquo;Stimme von Jule“, wie er selbst erzählt. Dabei können sie die Hündin streicheln und müssen keine Sorge vor Kritik haben. Immer wenn eine Geschichte abgeschlossen wurde, gibt es einen Stempel in das persönliche Lernbuch.

&bdquo;Die Bücher sind vom ’Lesebaum’-Verlag und wurden vom Förderverein der Grundschule gesponsert“, sagt Anne Junker. Sie seien darauf ausgelegt, dass die Kinder systematisch ihre Fähigkeiten verbessern, und seien alle durch die Hauptfiguren, drei Geschwister und einen Hund, miteinander verbunden. Eigentlich hat jedes Kind nacheinander eine halbe Stunde, um Hündin Jule vorzulesen. Für den Pressebesuch wurde ein wenig umgeplant.

Wer mit seinem Training durch ist, bekommt von Anne Junker übrigens ein kleines Geschenk, darunter ein Foto mit Jule. &bdquo;Kinder liegen mir sehr am Herzen, sie sind unsere Zukunft“, beschreibt sie ihre Motivation.

Wer Lust und Zeit selbst hat, ebenfalls Lesepate - auch für andere lippische Kommunen- zu werden, und einen Hund hat, der stressresistent, freundlich und ausgeglichen ist, darf sich gerne per Mail an ogsboesingfeld@awo-lippe.de melden. Die OGS organisiert dann den Kontakt zu Anne Junker, die sich über Unterstützung freuen würde.

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