Als in Bösingfeld in jedem Haus ein Geschäft war

Extertal-Bösingfeld. Eine Schraube kaufen? Genau eine? Kein Problem. Was heute vielfach unmöglich ist, weil es die Schrauben nur in der 15er-Box gibt – in den 80er Jahren ging das noch. Und zwar im Ortskern von Bösingfeld im Laden von Heinrich Vehmeier, wegen seiner geringen Körpergröße auch Pindopp genannt. Das Geschäft befand sich an dem Ort, wo heute im Nahkauf am Rathausplatz Lebensmittel zu kaufen sind. Lebensmittel gab es damals dort ebenfalls. &bdquo;Und auch viel anderes. Es war ein Laden für alles. Man konnte für zwei Pfennig Schrauben kaufen“, erinnert sich Hans Böhm (75). Damals war der Ortskern noch das Zentrum Bösingfelds, mit vielen Geschäften und Gastronomiebetrieben. An diese Zeit erinnert Böhm am Mittwoch, 10. Dezember, in seinem Vortrag &bdquo;Bösingfeld vor 40 Jahren“ – mit vielen Fotos.

&bdquo;Damals war in jedem Haus ein Geschäft“, erzählt Böhm. &bdquo;Selbst von kleinen Tabak- und Zeitschriftenläden konnte man leben.“ Wie es einst im Ort war, weiß Böhm, Bösingfelder aus Überzeugung, aus eigener Anschauung. Schuh- und Bekleidungsgeschäfte, drei Bäckereien, drei Fleischereien, Drogerie, mehrere Lebensmittelläden – und als Besonderheit die Milchhalle. &bdquo;Das war ein Häuschen, vielleicht drei mal fünf Meter groß, das unterhalb der Kirche stand.“ Es gab ausschließlich Milch und Milchprodukte. &bdquo;Die Menschen gingen mit einem Kännchen hin, um einen Viertelliter Milch zu zapfen“, erinnert sich Böhm. Alles Vergangenheit. Die Milchhalle wurde Böhm zufolge 1981 abgerissen.

Aber ein Foto von 1980 in Böhms Sammlung zeigt, wie das Häuschen aussah, eine gelbe Telefonzelle stand daneben. Böhm hat vor, bei dem Vortrag 180 bis 200 Bilder zu zeigen. Der frühere Redakteur des Nordlippischen Anzeigers hat ein umfangreiches Fotoarchiv mit mehreren 1000 Bildern.

Die Menschen erinnern sich Die Menschen verbänden Erinnerungen mit den Fotos. &bdquo;Das kommt supergut an.“ Nicht umsonst ist es die achte, neunte oder zehnte Auflage des Vortrags, so genau weiß Hans Böhm das gar nicht. Klar ist jedenfalls: Der Vortrag ist ein Dauerbrenner. Er lebt davon, dass die Zuhörer – beim vorigen Mal waren es etwa 100 – sich ebenfalls erinnern. &bdquo;Sie tragen viele Informationen bei“, sagt Böhm. Es entwickele sich regelmäßig eine Eigendynamik.

Zurück zum Ortskern: Deutliche Unterschiede gab es auch im Gastgewerbe. &bdquo;Es gab drei große Gastronomien mit Sälen“, sagt Böhm. Da war zum einen der Timpenkrug. Das Gebäude an der Ecke von Mittel- und Nordstraße gibt es nach wie vor – wie in mehreren Fällen die Häuser heute noch stehen. Dann die Gaststätte Kreitz, bekannt als &bdquo;Stadt Hannover“. Die gibt es zwar nach wie vor, allerdings ohne Saal. Und zu guter Letzt das Gasthaus &bdquo;Unter den Linden“ alias Schwabedissen. Heute steht dort das neue Rathaus.

Viel übrig geblieben ist von der regen Kneipen-Landschaft also nicht. Zwar gibt es noch Restaurants und Imbisse, doch in Bösingfeld selbst gibt es keine Gastronomie mehr mit einem Saal. &bdquo;In meiner Jugend war es jeden Abend voll in den Kneipen“, erinnert sich Böhm. Es gab kein Handy, noch längst nicht alle hatten Telefon. &bdquo;Wer etwas Neues erfahren wollte, ging in die Kneipe.“ Die großen drei Gaststätten und viele kleinere seien der &bdquo; Kristallisationspunkt des öffentlichen Lebens“ gewesen.

Weniger Geselligkeit Das ist Vergangenheit. Dass es heute weniger gesellig zugeht, habe als Folge die Probleme mit Vereinsamung. War auch sonst früher alles besser? Wahrscheinlich nicht. Klar ist aber, dass die Veränderungen nicht innerhalb von zwei, drei Jahren gekommen sind. Das Einkaufszentrum am Bruchweg, wo 1980 der Extermarkt als erstes eröffnete, hat die Funktion der vielen kleinen Geschäfte übernommen und ist wohl auch mitverantwortlich für den Niedergang.

Doch auch heute noch gibt es im Zentrum mit dem Nahkauf einen kleinen Lebensmittelladen, um den andere Orte Bösingfeld vermutlich beneiden. Hinzu kommen Fleischer, Banken, andere Geschäfte. Diese Strukturen vor der Haustür, fußläufig erreichbar, gilt es nach Böhms Überzeugung zu erhalten. &bdquo;Viele haben die Zeichen der Zeit erkannt und kaufen dort ein, auch ich.“

Ortsbildprägende Gebäude Vielleicht zeigt Böhm ein Foto der alten Post in der Mittelstraße. Das sei ein ortsbildprägendes Gebäude aus der Gründerzeit gewesen. Es habe Diskussionen gegeben, ob man es nicht erhalten könne. Doch die Post habe seinerzeit keine Kompromisse gemacht und das Gebäude Anfang der 80er Jahre abgerissen. An seiner Stelle steht die Bäckerei Dreimann.

Das sei immer die Frage: Wie umgehen mit der alten Bausubstanz? Zum Glück gebe es viele Privatleute, die alte Gebäude renovieren und erhalten. Sanieren, Geschäfts- in Wohnraum umwandeln: Das ist nach Böhms Überzeugung notwendig im Ortskern. &bdquo;Schrottimmobilien kann man nicht vermieten.“ Auch wenn dafür Abrisse notwendig waren: Er hofft, dass das Neubauprojekt am Marktplatz eine Initialzündung war – und auf den Rest des Ortskerns ausstrahlt.

Beginn des Vortrags ist am Mittwoch, 10. Dezember, um 18.30 Uhr im Bürgersaal des Rathauses. Der Eintritt von fünf Euro kommt dem Patensteigteam zugute, in dem sich Böhm ebenfalls engagiert.

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