Revolutionsbanner aus Holzhausen-Externsteine wird 170 Jahre alt

Horn-Bad Meinberg/Holzhausen-Externsteine. &bdquo;Eine Flagge ist ein Stück Tuch, dass nach Verschleiß entsorgt und ersetzt werden kann. Eine Fahne ist immer ein Unikat", weiß das Online-Lexikon Wikipedia. Damit ist klar: Das schwarz-rot-goldene Tuch aus Holzhausen-Externsteine ist eine Fahne, denn sie ist definitiv ein Unikat. 170 Jahre ist sie heute alt und unersetzlich, denn sie stammt aus der Zeit der Märzrevolution. Um ihre freiheitliche Gesinnung zu demonstrieren, hatten sich 1848 fürstliche Waldarbeiter aus Holzhausen-Externsteine die Fahne beschafft und sie stolz durchs Dorf getragen. Dann zogen sie das Banner an einem hohen Baum auf.

Doch die Revolution scheiterte, und die Fahne musste versteckt werden. Bis in die 1920er Jahre lag sie unter Schutt und Brettern sorgsam verpackt auf dem Dachboden der alten Schule, wo sie von Holzhausen-Externsteiner Maurern entdeckt wurde, als die das Schuldach renovierten. &bdquo;Die haben gleich gewusst, was sie in den Händen hielten", ist Dieter Stoll überzeugt, der die Geschichte aus Erzählungen seines Vaters Willi Stoll kennt.

1925 ging die Fahne in den Besitz des SPD-Ortsvereins und des parteinahen Wehrverbands &bdquo;Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" über. Aus dieser Zeit stammt auch die aufgenähte Jahreszahl &bdquo;1848", denn die Holzhausen-Externsteiner waren stolz auf ihre Revolutionsfahne. Sie ernannten Fahnenträger – Voraussetzung: ein &bdquo;Gardemaß" von mindestens 1,72 Metern – und nahmen die Fahne mit zu allen großen Demonstrationen in der gesamten Republik zur Verteidigung ihrer freiheitlichen und demokratischen Werte.

&bdquo;Nach der Machtergreifung 1933 waren die Nazis ganz besonders hinter der 1848er-Fahne her. Sie wollten sie verbrennen", schreibt Willi Stoll 1984 in seinen Erinnerungen. Als letzter Fahnenträger stand er unter besonderer Beobachtung. &bdquo;Immer wieder fanden bei uns Hausdurchsuchungen statt", schreibt er. &bdquo;Das haben die Nazis sehr ernst genommen", weiß Dieter Stoll aus den Erzählungen seiner Eltern: &bdquo;,Hausdurchsuchung hieß nicht nur zwei Mann, sondern 100, die bewaffnet das Haus umstellten. Um die Fahne zu verstecken, hat meine Mutter sie dann unter dem Rock getragen. Das ist schon beeindruckend."

Erfolgreich war die pfiffige Idee letztlich nicht, denn die Hilfspolizei nahm Vater Stoll und Willis Bruder in Haft, damit die Familie die Fahne herausgab – was sie schließlich auch tat. Sie übergaben sie an den SA-Sturmbahnführer Fritz Koch, der ein Bekannter von Willi Stolls Vater war und nahmen ihm das Versprechen ab, sie nicht zu verbrennen, sondern dem Landesmuseum Detmold zu übergeben – was er tat.

&bdquo;Nach dem Krieg hat sie Adolf Flake, Bürgermeister von Holzhausen-Externsteine, ins Dorf zurückgeholt", erinnert sich Dieter Stoll. &bdquo;Mein Vater nahm sie wieder in Besitz und hat sie 1970 an mich übergeben, weil sie inzwischen zu einer Familienangelegenheit geworden war." Als letzter Fahnenträger übergab Dieter Stoll das Revolutionsbanner 1991 als Dauerleihgabe ans Burgmuseum. &bdquo;Sie hatte im Laufe der Jahre doch etwas gelitten, so dass wir mit gesammelten Spenden einen Restaurator in Münster bezahlten", erinnert sich Stoll. &bdquo;Einige dachten damals, man könne den Stoff mit neuem Garn wieder auffrischen, aber der Restaurator hat gesagt, dann sei sie nicht mehr original." So wurde die Fahne versteift und kam in den Acrylkasten, der sie seither vor Schäden schützt.

Erst hing sie im Burgmuseum, seit Beginn der dortigen Renovierungsarbeiten hängt sie im Rittersaal. &bdquo;Getreu unserem Motto: Die ganze Burg ist ein Museum", sagt Anne Oelers-Albertin, Vorsitzende des Heimatvereins, die sehr stolz auf die seltene Fahne ist. Wie selten, da scheiden sich die Geister. Für Stoll ist sie die einzige noch existierende Revolutionsfahne in Deutschland. &bdquo;Wir haben uns damals kundig gemacht. Sogar Berlin wollte sie haben!" Ganz so weit möchte sich Dr. Michael Zelle, Leiter des Landesmusems nicht aus dem Fenster lehnen: &bdquo;In Lippe gibt es wohl keine weitere Revolutionsfahne."

Weil sie so sehr Teil seiner Familiengeschichte geworden ist, stimmt Dieter Stoll der Fahnenkult zu jeder Fußball-WM immer nachdenklich. &bdquo;Es ist nicht selbstverständlich, dass wir heute so leben können, wie wir es tun. Ich habe den Eindruck, dass vielen die Bedeutung von Schwarz-Rot-Gold gar nicht mehr klar ist – und wie wichtig es ist, dieses Symbol zu würdigen. Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit sind immer noch erstrebenswerter Ziele."

Auswirkungen der Märzrevolution Auch wenn die als Deutsche Revolution oder auch als Märzrevolution bezeichneten Erhebungen der Jahre 1848/49 letztlich nicht siegreich waren, so konnten doch einige Erfolge der Revolutionsjahre nicht mehr revidiert werden. Endgültig abgeschafft wurde die noch aus dem Mittelalter stammende feudale Gesellschaftsstruktur mit Landesherren, die Lehen vergaben. Für die Bauern besonders wichtig war die Abschaffung der der Leibeneigenschaft ähnlichen Erbuntertänigkeit.

Durch die Abschaffung der geheimen Inquisitionsjustiz wurde die Rechtsprechung öffentlich. Außerdem entstand während der Revolution durch die Lockerung der Zensur eine pluralistische Presselandschaft mit linken und rechten Blättern. Die demokratischen Ideale der Revolution konnten allerdings erst 100 Jahre später mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 komplett verwirklicht werden.

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