Oerlinghausen/Horn-Bad Meinberg. Es ist 9.54 Uhr, als Andreas Hillebrand am 5. Mai in die Luft katapultiert wird. Mehr als zehn Stunden im Segelflugzeug liegen vor ihm – ohne Zwischenlandung, ohne Pause. Als er am Abend auf die Wiese des Flugplatzes in Oerlinghausen gleitet, ist ihm klar: Er hat es geschafft. Etwas, das vor ihm in Lippe kaum jemand von sich behaupten kann. „Ich habe die magische Marke geknackt“, verkündet der Pilot. „Mehr als 1000 Kilometer in der Luft.“ Andreas Hillebrand ist in Horn-Bad Meinberg aufgewachsen. Saß mit 14 Jahren das erste Mal in einer Segelmaschine – beim Luftsportverein Egge (LSV) in Vinsebeck. Dort teilt er sich mit seinem Flugkollegen Josef Meyer aus Steinheim eine Maschine. Der hat es eine Woche nach Andreas Hillebrand ebenfalls geschafft, sich über 1000 Kilometer in der Luft zu halten. „Die ersten Flüge mit dieser Kilometerzahl, die jemals vom Flugplatz Oerlinghausen aus geflogen wurden“, betont Hans-Rainer Finke vom Luftsportverein. „Ich habe viele Jahre auf diesen Tag hingearbeitet“ Normalerweise fliegt der gebürtige Horn-Bad Meinberger die großen Maschinen. Er ist Berufspilot bei Condor, wohnt in Hamburg und steuerte schon die ein oder andere Boeing durch die Lüfte. Der LSV zieht ihn immer wieder in die lippische Heimat. Und dieses Mal hat es sich besonders gelohnt. „Ich habe viele Jahre auf diesen Tag hingearbeitet“, sagt der Pilot. Die 1000er-Marke habe er schon lange ins Auge gefasst. Doch sich morgens einfach ins Flugzeug zu setzen und los, so einfach sei das nicht. Die Thermik müsse stimmen. Dazu müsse die Sonne scheinen und den Boden erwärmen, damit sich ein Segelflieger überhaupt in der Luft halten könne. Die Tage müssen also lang sein, weder Regen noch dicken Wolken in Sicht sein. „Viele Wetterkomponenten kommen zusammen, damit so ein langer Segelflug gelingt“, betont Andreas Hillebrand. „Das sind drei bis vier Tage im Jahr, an denen das rein theoretisch von der Thermik her überhaupt möglich ist.“ In dem 600 Kilo schweren Segler zu sitzen, sei etwas ganz anderes, als Airlines zu fliegen. „Es gibt kaum Ablenkung und ich kann meinen Platz nicht verlassen“, stellt der Pilot fest. „Das führt zu einer angenehmen Konzentration. Man gewinnt ganz andere Eindrücke, kann abschalten.“ Tüten für Männer, Windeln für Frauen Eine bequeme Sitzposition, im Segelflugzeug eher halb liegend, sei bei einem langen Flug unerlässlich. Thrombosespritzen brauche er nicht, viel zu Trinken aber sei wichtig, um die Leistungsfähigkeit zu halten. Und wenn man mal muss? Dafür gebe es Urinale oder spezielle Tüten. Bei Frauen würden sogar Windeln eingesetzt. Wichtig sei es auch, sich warm einzupacken. „In 2000 Metern Höhe kann es bis zu minus sieben Grad kalt sein“, erläutert Andreas Hillebrand. „Besonders die Füße werden schnell kalt, weil da die Sonne nicht hinkommt.“ Hillebrand fällt auf unter 950 Meter Diese versteckte sich während des Rekordfluges im Mai zwischenzeitlich sogar komplett. Es gab einen Schneeschauer, für Segelflieger alles andere als optimal. „Der Regen oder der Schnee ziehen das Flugzeug nach unten“, erklärt er. Zudem schatten dunkle Wolken den Boden großflächig ab. Die Luftmasse erwärme sich mangels Sonneneinstrahlung nicht, hebe nicht ab und es gebe keinen Auftrieb. Deshalb habe er seine Streckenwahl abbrechen und ein neues Ziel setzen müssen. „Gegen 17 Uhr bin ich über Oerlinghausen unter 950 Meter gefallen“, erinnert sich der Pilot. Doch über der Bergstadt kam noch einmal Aufwind. Er schaffte es bis nach Paderborn und zurück, um die restlichen Kilometer zu sammeln. „Das Quäntchen Glück blieb mir an dem Tag nicht verwehrt“, freut sich Hillebrand. Die 1000 Kilometer sind also geknackt, das persönliche Ziel erreicht. Und als nächstes? Den Weltrekord von mehr als 3000 km brechen? „Allein eine Wiederholung dieses Fluges wäre super“, macht Andreas Hillebrand deutlich. Es könne nämlich gut sein, dass das die nächsten drei bis vier Jahre nicht klappt. „Das liegt dann nicht an mir, sondern am Wetter.“ Auf die Thermik kommt es an Der Wind spielt beim Segelfliegen, wie manch ein Laie denken mag, gar keine entscheidende Rolle. Auf die Thermik kommt es an. Die Sonne erwärmt den Boden und dieser die Luft darüber. Ist die Luftmasse leicht geworden, steigt sie auf. Tonnenweise Luft bewegt sich gen Himmel. In diesem Aufzug, der Thermik, von den Piloten auch liebevoll „Bart“ genannt, können die Flugzeuge aufsteigen. „Das nutzen Vögel, Adler, Bussarde und andere Tiere auch, um zu steigen“, erklärt Pilot Andreas Hillebrand. Die Segelflieger hätten sich das von der Natur abgeguckt. Die bekannten Schäfchenwolken markieren die obere Etage des „Bartes“. So seien die Aufzüge für die Piloten leichter zu finden.