Cajus Caesar: „Wald ist der effektivste Klimaschutz“

Kalletal-Westorf. Die Hiobsbotschaften aus dem Wald schienen 2019 gar nicht mehr aufzuhören. Nach zwei extrem trockenen Jahren sind viele Bäume abgestorben. Andere sind so geschwächt, dass der Borkenkäfer leichtes Spiel hat. Überall sind deshalb gerodete Waldflächen zu sehen. Wald-Fachmann Cajus Caesar weiß, dass die Schäden auch bundesweit groß sind. Er zeigt sich aber zuversichtlich, dass sich die vom Klimawandel verursachten Probleme im Wald in den Griff bekommen lassen.

Reihenweise schlagen in Lippe die Förster Alarm. Erleben Sie das Gleiche auf Bundesebene?

Cajus Caesar : Als Waldbeauftragter des Bundeslandwirtschaftsministeriums komme ich natürlich deutschlandweit und auch über die Grenzen hinaus herum. Wir haben einzelne Regionen, die besonders stark von der Dürre betroffen sind. Dazu gehören auch Nordrhein-Westfalen und Lippe. Wir hatten in den beiden vergangenen Jahren tatsächlich extrem wenig Niederschlag. Weil wir metertief Trockenheit im Boden haben, sind einige Bäume tatsächlich vertrocknet. Damit werden die Bäume zudem anfälliger gegen Schädlinge wie den Borkenkäfer und gegen Pilze. Betroffen sind besonders Fichte und Buche. In der Tat sind größere Flächen dadurch abgestorben.

Wie groß ist der Schaden?

Caesar : Deutschlandweit haben wir Totalschäden auf etwa 200.000 Hektar Fläche. Das klingt angesichts von 11 Millionen Hektar Wald wenig, aber in den Beständen sind ja auch noch Bäume betroffen. Es sind auch nicht alle Bäume ganz abgestorben, sondern haben Schäden und müssen in den kommenden Jahren gefällt werden. Sprich: Der Schaden ist gewaltig. Wir haben mehr Holz nutzen müssen als vom normalen Einschlag vorgesehen. In Lippe sind es nach meinen Schätzungen 2000 bis 3000 Hektar an Privatwald und Wald des Landesverbands. Das ist schon ein Wort.

Und jetzt?

Caesar : Die Schäden bei Baumarten wie der Eiche sind nicht so gravierend. Und es gibt klimaresistentere Baumarten wie Douglasie, Küstentanne oder Trauben- und Roteiche. Es gibt Hilfen des Bundes, die großen Flächen wieder aufzuforsten. Das soll strukturreich und vielfältig sein. Das Wichtigste ist zu gucken, welche Bäume für welchen Standort geeignet sind. Wir stellen jetzt fest: Wo Bäume und Standort zusammenpassen, haben sie die Trockenheit meist deutlich besser überstanden. Deshalb müssen wir uns zuerst mal den Boden anschauen und untersuchen, wie hoch beispielsweise der Kalkgehalt ist. Eiche wächst ungern auf kalkhaltigem Boden, Buche dagegen besonders gerne. Wenn ich also in auf den Kalkboden in Hohenhausen überall Eichen pflanze, komme ich auch nicht weiter. Deshalb kann man nicht als Motto vorgeben: Wir pflanzen überall Eichen oder Küstentannen und sind auf der sicheren Seite. Deshalb sollte eine Mischung verschiedener Baumarten gepflanzt werden, und diese Mischung muss auf den jeweiligen Standort abgestimmt sein.

Wie sieht es mit exotischeren Baumarten aus?

Caesar : Wir wollen keine invasiven Arten, die hier nicht heimisch sind und mit denen wir keine Erfahrungen haben. Wir haben ja Baumarten wie die Küstentanne, die Douglasie oder die Roteiche mit Beständen, die über 100 Jahre alt sind.

Die sind aber noch nicht so verbreitet.

Caesar : Genau. Die drei könnten Arten sein, auf die wir demnächst stärker setzen. Wir in Ostwestfalen-Lippe haben Küstentannen, die 120 Jahre alt sind, genug Holz liefern, mit weniger Niederschlag auskommen und vom Borkenkäfer nicht befallen werden. Also alles, was wir uns wünschen. Grundsätzlich sollte man mit diesen klimaresistenteren Baumarten mischen. Und eine gute Mischung aus Laub- und Nadelholz ist wichtig.

Mischwald ist also der Wald der Zukunft?

Caesar : Ja. Er ist baumarten- und strukturreicher.

Welche Fehler haben die Waldbesitzer in der Vergangenheit gemacht?

Caesar : Sie bauen den Wald schon seit vielen Jahrzehnten um zu mehr Baumarten und zu mehr Struktur. Aber nach dem Krieg haben im Wesentlichen die Engländer viel Holz geschlagen, etwa in der Senne. Da ging es darum, schnell wieder aufzuforsten. Da ist vielleicht auch Nadelwald auf Standorten entstanden, wo er nicht hingehört, in erster Linie Fichten. Und was zum Beispiel die Buche angeht: Da haben sich die Verhältnisse gewandelt. Manche Standorte sind heute nicht mehr geeignet, weil es für die Baumart dort zu wenig Niederschlag und zu hohe Temperaturen gibt.

Mischwald macht die Bewirtschaftung aber schwieriger.

Caesar : Ja, sie wird aufwendiger. Dem müssen wir uns aber stellen, und deshalb brauchen wir möglichst gut ausgebildetes Forstpersonal.

Macht Ihnen die Entwicklung im Hinblick auf das Klima Sorge?

Caesar : Zunächst ist festzuhalten: Die Bundesregierung hat gehandelt. Es gibt Förderung dafür, Mischwald wiederaufzuforsten, auch für das Räumen der Flächen. Da gibt es mehr als 500 Millionen Euro vom Bund. Das Geld ist dafür gedacht, einen klimaresistenteren Wald aufzubauen. Das hilft den Waldbesitzern, die im Moment sowieso kaum Ertrag haben, Vielfalt auf die Fläche zu bringen. Unterm Strich glaube ich, dass wir die Situation meistern werden und dass der Wald erhalten bleibt. Wir müssen uns nur darauf einstellen.

Aber was kommt da noch auf uns zu? Beispielsweise müssen wir doch auch mit mehr Waldbränden rechnen.

Caesar : Auch da gibt es vom Bund Fördermöglichkeiten, dass Waldbesitzer Löschwasserteiche anlegen können, dass sie Hauptwege befestigen können, damit Löschfahrzeuge überhaupt in den Wald kommen. Da entwerfen die Forstbehörden Strukturen, zu denen auch Brandschneisen gehören. Und es ist natürlich auch der Waldbesucher gefragt. Wenn ich in meinem Wald bin, erlebe ich häufig, dass Leute sich überhaupt keine Gedanken machen und ihre brennenden Zigarettenkippen einfach wegwerfen. Genauso ähnlich wie der Unrat. Der Waldbesitzer muss regelmäßig wild entsorgten Abfall wegräumen. Ganze Hänger voll... Darüber hinaus wünsche ich mir, dass Waldbesitzer stärker bei den Kosten entlastet werden.

Wald speichert auch CO2.

Caesar : Der Weltklimarat hat festgestellt, dass der Wald den effektivsten Klimaschutz bietet. Da geht es darum, Waldvernichtung zu stoppen, Aufforstungen vorzunehmen und den Wald nachhaltig zu bewirtschaften. Deshalb haben EU und Bundesregierung gesagt: Wir wollen mehr aufforsten. Das ist eine gute Sache. Und es geht darum, Waldvernichtung zu verhindern. Das ist mit Ländern wie Brasilien nicht ganz einfach, aber wir dürfen nicht noch zusätzlich Anreize schaffen.

Welche Anreize meinen Sie?

Caesar : Wir dürfen nicht immer mehr Holz importieren. Weltweit geht jährlich Wald in der Größe der halben Waldfläche Deutschlands verloren und wird zu Wüste oder unfruchtbarem Boden. Genauso viel Wald geht verloren, indem die Flächen dann zum Beispiel für Palmöl-Plantagen genutzt werden. Da ist es aus meiner Sicht nicht sinnvoll, in Deutschland Wald nicht für die Forstwirtschaft zu nutzen und stattdessen Holz aus Ländern einzuführen, in denen riesige Kahlschläge gemacht werden. Da ist auch Russland nicht ganz ohne. Wir haben schließlich die weltweit vorbildlichste Forstwirtschaft, weil sie nachhaltig ist – es wird nicht mehr geschlagen, als nachwächst.

Das ist ein Plädoyer für heimisches Holz...

Caesar : Für mehr Holzverwendung, ja. Fangen wir mit meiner Armbanduhr an, die ist aus Bergahorn. Zugegeben, eine Kleinigkeit. Wenn es darum geht, den Flächenverbrauch zu reduzieren, ist es zum Beispiel statisch relativ leicht möglich, weitere Stockwerke in Holzbauweise aufzusetzen. Und ich plädiere für die großflächige Bewirtschaftung von Wald. Biotope sollten wir dort erhalten und dem Naturschutz den Vorrang geben, wo es fachlich begründet ist.

Was also tun?

Caesar : Wir müssen die Bedeutung des Waldes und des Holzes stärker in die Gesellschaft hineintragen. Das ist auch meine Aufgabe als Waldbeauftragter. Deshalb machen wir deutschlandweit Dialogveranstaltungen, bei denen Ideen entwickelt werden, wie der Wald 2050 aussehen soll.

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