Die Fichte muss runter vom Rießen

Kalletal-Talle. Das Plateau des Rießen zwischen dem Kalletaler Bergdorf Talle und Lemgo-Kirchheide präsentiert sich momentan fast nackt. An exponierter Stelle hat der Landesverband hier massenhaft Fichten gefällt. Die Gründe sind bekannt: der Borkenkäfer. Die Trockenheit. Besorgt blicken Einwohner aus beiden Richtungen auf den Hügel, der zwischen ihren Dörfern liegt. Bei Joggern und Spaziergängern ist der Rießen gleichermaßen geschätzt. Und er soll es bleiben, versichert Christopher Kroos vom zuständigen Forstrevier Sternberg.

Der Förster betont: &bdquo;Bis in den Sommer 2019 war ich der Meinung, ich könnte Talle halten." Da stand das Gros der Fichten noch. Dann aber Dürre ... bis in den Spätsommer. Zumal hier in Kuppenlage. Außerdem bietet der Rießen aus Richtung Süd-Westen, vom Kirchheider Becken her, die perfekte Angriffsfläche für den Wind. &bdquo;Und die Wetterextreme kommen häufiger", weiß Christopher Kroos.

Von &bdquo;Talle halten" ist nun nicht mehr die Rede. Aufforstung ist das Geschäft, dem sich der Landesverband – Lippes größer Waldbesitzer – zwischen dem Kanzlerdorf und Kirchheide jetzt verschrieben hat. Beispielhaft für viele andere Flächen im Kreis Lippe, die unter Trockenheit und Sturmschäden zu leiden hatten. Dabei steht das Revier Sternberg, zu dem Talle gehört, noch vergleichsweise gut da, was die Fichten angeht, sagt Christopher Kroos.

Nichts desto trotz: Die Fichten müssen weitestgehend raus. Raus aus dem Wald. Runter vom Rießen. Unter der Rinde setzt der Borkenkäfer zum Abflug an. Bereit, mehr Bäume zu befallen. Zwar schmerzt der Preisverfall beim Holz von 95 auf 35 Euro, gibt Christopher Kroos zu. Doch seine Hauptsorge ist jetzt vielmehr, dass der asiatische Fracht-Markt hält. Palettenholz, Spanplatten haben den Fichten-Verkauf zuletzt gerettet ... ob das in der Corona-Krise weiterhin gilt? Außerhalb der Wälder zwischenlagern, um dem Borkenkäfer Einhalt zu gebieten, geht nicht. Die Kapazitäten dafür fehlen.

Die Fichte ist in weiten Teilen Lippes erledigt Innerhalb weniger Jahre ist der Baum, der ein Baustein des Wirtschaftswunders im Nachkriegs-Deutschland war, in weiten Teilen Lippes erledigt. Stattdessen wird beispielsweise der Rießen zur großen &bdquo;Experimentierfläche", wie Kroos sagt. &bdquo;Mein Nachfolger kann hier in 30 Jahren nachschauen, ob funktioniert hat, was wir momentan ausprobieren."

Die Antwort auf die Wetterextreme und den Klimawandel lautet in erster Linie Vielfalt. Einfach mal ausprobieren, ob Bäume aus südlicheren Gefilden – etwa dem Rheingraben, Südtirol oder Kalifornien – nicht auch etwas für Talle & Co. sein könnten. Hier ein Küstenmammutbau, dort eine Esskastanie. Und dazwischen immer wieder hohe Reisigwälle: die Überreste der abgeholzten Kronen.

Wenn sie eines Tages verrottet sind, werden sie für die Generationen nach Revierförster Kroos bei der Waldbewirtschaftung die Fahrspur darstellen. &bdquo;Im Forst ist gerade Umbruchzeit – was richtig ist für die Zukunft, kann niemand sagen", meint der Landesverbands-Mitarbeiter.

Daher lassen die Arbeitertrupps auf dem Rießen zwischen den Neuanpflanzungen auch immer wieder Flächen frei. Guter Mineralboden, der &bdquo;Flugware" eine Chance lässt. Sprich: Hier wird sich am Ende der Samen durchsetzen, der, vom Wind verweht, auf ideale Bedingungen trifft.

Traubeneiche kommt gut mit Trockenheit klar Grundsätzlich geht der Landesverband auf den gerodeten Flächen am Rießen weg von den Nadelgehölzen. Stattdessen spielt die Traubeneiche eine große Rolle. Sie kommt vergleichsweise gut mit Trockenheit klar, passend für die Kuppe des Höhenzugs.

Stehen jetzt noch die zarten Pflänzchen, die aus Eicheln aus dem Beller und Bextener Wald gezogen wurden, dicht an dicht, wird sich am Ende nur alle 15 Meter eines durchsetzen und zum stattlichen Baum heranwachsen. Natürliche Auslese, bei der der Stärkste überlebt. Und wenn es am Ende die wild ausgesamte Birke oder Wildkirsche ist ... auch gut.

Vielfalt statt Mono-Kultur: Wer das sehen will, kann auf dem südlichen Plateau-Teil des Rießen angesprühte Holzlatten in Augenschein nehmen. Jede Farbe steht für eine andere Baumart: bunt wie die Natur. Bunt wie das Leben.

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