Kalletaler Schulversuch endet im Sommer: Leiter Dr. Eike Stiller zieht Bilanz

Kalletal-Hohenhausen. Nach neun Jahren hört die Kalletaler Gemeinschaftsschule auf, Gemeinschaftsschule zu sein – um als Sekundarschule weiterzuexistieren. Was das bedeutet, erläutert Schulleiter Dr. Eike Stiller im LZ-Interview. Er hat die Schule selbst mit aufgebaut, spricht über die Situation in der Coronakrise, die Anmeldezahlen und die Zukunft der Jacobischule, wie sie seit 2018 heißt.

Wie arbeitet es sich in einer leeren Schule?

Dr. Eike Stiller: Die Kinder fehlen. Ich bin ja nicht Lehrer geworden, um im engsten Kreise Dienstgeschäfte zu erledigen. Die Kollegen verschicken digital Aufgaben an die Schüler zu Hause und erhalten die Lösungen auch auf digitalem Weg.

Welche Probleme gibt es dabei?

Stiller: Den digitalen Unterricht in dieser Form haben wir bislang noch nicht praktiziert. Das läuft natürlich noch nicht routiniert, aber schon ganz gut. Ich bin stolz auf mein Kollegium, dass es das alles hinbekommt. Denn wir haben natürlich weiter die Verantwortung, Kinder auf Abschlüsse vorzubereiten. Hier fragen uns Schüler, wie sie jetzt ihren Abschluss bekommen.

"Wegen Corona wird niemandem ein Schuljahr gestrichen" Was sagen Sie denen?

Stiller: Die Kulturminister stellen derzeit die Weichen, was mit den Abschlussprüfungen wird. Wir sind eine Schule der Sekundarstufe I, bei uns beenden die jungen Leute ihre Schullaufbahn mit einem mittleren Abschluss. Aktuell ist geplant, die zentralen Abschlussprüfungen am 12. Mai beginnen zu lassen. Klar ist, dass niemandem ein Schuljahr gestrichen wird oder jemand wegen der Coronakrise um die Versetzung bangen muss. Es wird Lösungen geben, die nicht auf Kosten der Kinder gehen.

Ausnahmesituation in anderer Form kennen Sie ja schon, schließlich waren Sie als 2011 gegründete Gemeinschaftsschule Pionier in NRW ...

Stiller: Ausnahmesituation im konstruktiven Sinne, das ist aber nicht vergleichbar. Die Schulgründung war ja von uns allen damals gewollt.

Wie viele eigene Wege mussten Sie gehen?

Stiller: Unser Schulkonzept wurde mit geringen Ergänzungen unser Gründungsauftrag. Nach fast neun Jahren Aufbauzeit ist es an unserer kleinen Gesamtschule ergänzt und pädagogisch weiterentwickelt worden.

"Vom Aufbau und Angebot sind wir eine Gesamtschule" So sehen Sie sich, als kleine Gesamtschule?

Stiller: Ja, selbstverständlich! Vom Aufbau und Angebot sind wir eine Gesamtschule, nur ohne eigene Oberstufe. Für diese kooperieren wir mit einer Reihe von Schulen in Lemgo und Rinteln, mit den Gymnasien, den Berufskollegs, zu denen viele wechseln, und der Gesamtschule in Lemgo.

Hat sich die Idee des integrierten, also des längeren gemeinsamen Lernens bewährt?

Stiller: Zum Glück mussten wir diesen Beweis ja gar nicht antreten. Dass das gemeinsame Unterrichten von Kindern mit Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialbefähigung nach der 4. Klasse zum Wohle aller Lernenden funktioniert, haben die Gesamtschulen in den vergangenen 50 Jahren überzeugend bewiesen. Ausschlaggebend für die Gründung war, dass wir als Reaktion auf den demografischen Wandel ein standortnahes Bildungsangebot haben wollten, weil sich in ländlichen Gebieten nicht mehr alle Schulformen vorhalten lassen. Einer unserer Aufträge war es, dass die Jugendlichen Berufsausbildungen antreten oder studieren und erfolgreich ins Leben gehen können. Ich denke, das haben wir erfüllt. Noch hat kein Regelschüler unsere Schule ohne Abschluss verlassen müssen.

Sie mussten aber auch Herausforderungen stemmen. Welche war die größte?

Stiller: Eine Schule komplett neu aufzubauen und Lehrpläne integriert neu zu erstellen, war sehr spannend, aber auch eine Menge Arbeit. Eine ganze Reihe von Kollegen kam von Real- und Hauptschulen, einige von Gymnasien, nur wenige von der Gesamtschule. Daraus sich eine harmonierende pädagogische Einheit bilden zu lassen, die auch noch inklusiv arbeitet, war ein anspruchsvoller Lernprozess im Kollegium. Wir haben frühzeitig auf kommunikative Teamstrukturen gesetzt.

Aber Ihre Anmeldezahlen sind nicht so wie erhofft...

Stiller: Die sind immer eine neue Herausforderung. Wir sind aber auch seit 2017 eine riesige Baustelle nach dem PCB-Fund im Hauptgebäude und dem Umzug in Nachbargebäude. Ich kann mir vorstellen, dass Eltern sich bessere bauliche Rahmenbedingungen wünschen. Der schmerzliche Einbruch unserer Schülerzahlen kam mit diesem Ereignis.

Ist es nur das PCB?

Stiller: Nein, es ist auch eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz der Inklusion. Vielleicht haben manche Eltern noch Sorgen, dass Kinder zu wenig lernen, wenn sie in Kontakt mit Menschen mit Einschränkungen kommen. Wir müssen zeigen, dass Kinder nicht weniger, sondern mehr lernen, zum Beispiel im Sozialen.

Im Sommer legen Sie den Namen Gemeinschaftsschule ab und werden Sekundarschule – ein ganz normaler Vorgang?

Stiller: Seit 2018 heißen wir Jacobischule. Den Prozess der Namensfindung fand ich viel spannender als die Tatsache, dass der Schulversuch ausläuft und wir ab dem 1. August 2020 Sekundarschule sind. Das ist eher eine Formsache.

Wie geht es weiter?

Stiller: Im Jahr 2021 werden wir umziehen, und dann sind wir eine Schule mit einem supermodernen Standort und bestmöglicher technischer Ausstattung in einem integrierten System in einer Landgemeinde. Und dann bin ich nicht bange, auch in Konkurrenz mit anderen Schulen die gewünschten Anmeldezahlen zu erreichen.

Bei einer externen Qualitätsanalyse hat Ihre Schule gut abgeschnitten.

Stiller: Wir haben ohne Frage ein sensationelles Ergebnis erzielt. Diese Überprüfung hat uns gezeigt, dass wir nicht falsch lagen damit, wie wir diese Schule aufgebaut haben.

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