Mit Tempo 300 durch die Weserauen?

Kalletal/Vlotho/ Kreis Lippe. In 31 Minuten mit dem Zug von Bielefeld nach Hannover – so sieht es der Deutschlandtakt vor. Mit diesem will die Bundesregierung eine schnelle Bahnverbindung schaffen, und die könnte auch über lippisches beziehungsweise Kalletaler Gebiet führen. Mit Geschwindigkeiten von 300 km/h. In Kalletals Nachbar-Kommune Vlotho regt sich bereits Widerstand.

Mehrere Bürgerinformationsveranstaltungen gab es in Vlotho bereits, die Gründung einer Bürgerinitiative ist im Gespräch. Mobilitätswende ja, aber Stichworte wie Ressourcenverbrauch und Steuergelder werden gegen das Vorhaben ins Feld geführt. Denn die Strecke soll den Fernverkehr zwischen Bielefeld und Hannover verbinden – in 31 Minuten, derzeit braucht der ICE etwa 18 Minuten länger. Zusätzlich sehe der Zielfahrplan Deutschlandtakt laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) auch eine Anbindung von Minden und Bad Oeynhausen vor. Allerdings: Eine genaue Planung zum Streckenverlauf gibt es derzeit noch nicht, wie das BMVI erklärt.

Thematisiert werde eine Streckenführung derzeit über die Gebiete von Bad Salzuflen, Vlotho und Kalletal, wie Kalletals Bürgermeister Mario Hecker auf Nachfrage erklärt. Auch gebe es Spekulationen, dass die Neubaustrecke nur bis Bad Oeynhausen statt bis nach Bielefeld führen könnte. &bdquo;Grundsätzlich kann ich aber feststellen, dass eine mögliche Investition von 10 Milliarden Euro für eine Zeitersparnis von 18 Minuten, die im Raum stehen, bei mir keine Verhältnismäßigkeit erkennen lassen", so Hecker.

Neubau der Strecke - Verlauf unklar Denn glaubt man dem dritten Gutachterentwurf für den Deutschland-Takt, soll für die Hochgeschwindigkeitsstrecke ein neuer Trassenbau her: Denn dort steht in deutlichen Lettern &bdquo;NBS Bielefeld-Seelze" – und NBS steht für Neubaustrecke. Die soll zweigleisig verlaufen, auf 80 bis 90 Metern Länge. Und müsste für Tempo 300 möglichst kurvenfrei (Kurvenradius mindestens sechs Kilometer) und ohne große Steigungen verlaufen.

&bdquo;Sofern eine Trassenführung auf dem Gebiet der Gemeinde Kalletal verortet würde, wäre diese sicherlich im Bereich der Weserauen, um dann von Bielefeld aus kommend über die Weser in Richtung Hannover zu führen", vermutet Hecker. &bdquo;Vor einigen Wochen haben wir über einen Lückenschluss des alternativen Weserradradweges in der Aue auf Vlothoer Stadtgebiet im Kreishaus Herford diskutiert und mussten, insbesondere aus Naturschutzgründen, zur Kenntnis nehmen, dass das nicht möglich sei. Wenn aber eine etwa 60 Meter breite Bahntrasse stattdessen möglich wäre, sollten wir uns in Deutschland Gedanken machen."

Das BMVI erklärt dazu, dass beabsichtigt werde, &bdquo;die Planung des Vorhabens mit der DB Netz AG als Vorhabenträgerin noch in diesem Jahr vertraglich zu vereinbaren". Alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen sollen dabei berücksichtigt werden im Hinblick auf ihre Eignung zur Umsetzung wie auch den möglichen Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt. Wo genau die Trasse verlaufe soll, ob Tunnel oder Brücken gebaut werden und wo, dazu könnten derzeit keine Angaben gemacht werden.

Das bestätigt auch eine Sprecherin der Deutschen Bahn: Die Bahn gehe davon aus, dass der Bund sie dazu in Kürze mit den Planungen für den Ausbau der Strecke zwischen Bielefeld und Hannover sowie der Durchführung eines planungsbegleitenden Dialogs mit den Bürgern vor Ort beauftragen wird. &bdquo;Konkrete Planungen oder gar Entscheidungen zum Trassenverlauf und konkreten Bauwerken gibt es bislang nicht." Der strukturierte Planungsdialog werde sicherstellen, dass die Belange der Region in der Planung berücksichtigt werden, erklärte sie weiter. Sprich eine frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligung.

Kommunen müssen gemeinsam agieren Der Fahrgastverband Pro Bahn trete seit zwei Jahrzehnten für das Konzept Deutschlandtakt ein, stehe diesem also positiv gegenüber, erklärt Rainer Engel. Er selbst ist Mitglied der Initiative Deutschlandtakt. Da noch keine konkrete Streckenplanung vorliegt, könne man derzeit &bdquo;also nicht sagen, wer wie betroffen sein wird und was das für die einzelnen Bürger bedeutet".

Schon jetzt zeichne sich aber ab, dass das Projekt an sich nicht mehr politisch verhindert werden könne, &bdquo;wohl aber beeinflusst", so Engel. Aus diesem Grund arbeite er an einer Alternative, die Ostwestfalen-Lippe weitgehend verschont. Auch ohne konkrete Trassenpalnung, hat Dr. Rudolf Hüls, stellvertretender Bezirksvorsitzender von Pro Bahn dazu zumindest ein Denkmodell: &bdquo;Um den nötigen Zeitgewinn zu realisieren, müsste man schon zwischen Bielefeld und Herford die bisherige Trasse verlassen und viel in Tief- und Tunnellagen bis Wunstorf bauen, um Lärmbelästigungen für – dann vergleichsweise wenige – Anlieger möglichst gering zu halten." Ein für die Region OWL vorteilhafter Nebeneffekt könnte dabei sein, dass Minden als IC-Halt auf der alten Trasse erhalten bliebe – sowohl für Züge aus dem Ruhrgebiet als auch aus den Niederlanden in Richtung Hannover und umgekehrt.

Doch was kann die Gemeinde Kalletal tun? Dazu erklärt Mario Hecker, dass zunächst die Gründung der Bürgerinitiative in Vlotho abzuwarten sei, um dann gegebenenfalls als Gemeinde beizutreten. Aber: &bdquo;Persönlich habe ich bereits meine Unterstützung in Richtung Vlotho angeboten, gleiches würde selbstverständlich auch für Bad Salzuflen gelten. Wenn Konsens unter uns besteht, müssen wir als Kommunen zusammen agieren, um schlagkräftig zu sein", betont er.

"Wie ein Schnitt durch die Region" Die Lippische Landtagsabgeordnete Ellen Stock (SPD) kritisiert den geplanten Neubau der ICE-Trasse zwischen Bielefeld und Hannover mit geschätzten Kosten in Höhe von zehn Milliarden Euro. Um die Geschwindigkeit von Tempo 300 zu erreichen, müsste die Strecke Experten zufolge gerade sein, die Folge seien Tunnel und tiefergelegte Eingrabungen. &bdquo;Dadurch würde die neue Strecke nicht nur wie ein Schnitt durch die Region wirken. Auch unter ökologischen Gesichtspunkten ist der Neubau absolut nicht sinnvoll", so Stock. Es sei sicherlich richtig, den Ausbau des Bahnverkehrs zu fördern. Das Geld sollte aber besser in den Ausbau der vorhandenen Trasse oder in andere Verkehrsinfrastrukturprojekte investiert werden – etwa die Elektrifizierung der Strecke Bielefeld/Lemgo oder die Reaktivierung der Begatalbahn.

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