Kleine Firma aus Hohenhausen verkauft pharmazeutische Bestseller in den Nahen Osten

Kalletal-Hohenhausen. Ihr Mann, sagt Claudia Aiwas, habe schon im ersten Semester an der Uni gesagt, er werde eines Tages eine Firma gründen und den Nahen Osten mit Medikamenten versorgen. &bdquo;Ich habe ihm das geglaubt." Zu Recht. Denn genau so kam es. Heute ist Saber Aiwas mit seiner Frau Chef der Firma T & D Pharma in Hohenhausen, macht zwischen vier und fünf Millionen Euro Umsatz im Jahr und stellt über externe Produzenten Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel her.

Lactulose gegen Verstopfung zum Beispiel oder Vitamin-Brausetabletten. Viel wird unter dem Markennamen &bdquo;Aiwa" vertrieben. Viel wird ins Ausland verkauft. Die Anfänge aber liegen in der Neuen Apotheke in Hohenhausen – und im Irak nach dem Golfkrieg 2003.

Saber Aiwas ist heute 60 Jahre alt. Als Kurde aus dem Nordirak war er Anfang der 80er Jahre zum Pharmazie-Studium nach Münster gekommen, wo er seine Frau kennenlernte. Er wurde darauf aufmerksam, dass die Neue Apotheke in Hohenhausen zum Verkauf stand. &bdquo;Das war meine Chance", habe er damals gedacht, sagt Saber Aiwas. Er griff zu, übernahm die Apotheke, die 1993 noch an der Rintelner Straße neben dem Lippischen Hof untergebracht war. &bdquo;Sie war vom Umsatz her die kleinste der drei Apotheken in Hohenhausen", erinnert sich der Firmenchef. Das sollte sich ändern.

Aiwas und seine Frau renovierten die Geschäftsräume, stellten das ein oder andere um. &bdquo;In einem Jahr haben wir den Umsatz verdoppelt, dann verdreifacht und so weiter." Viel habe er in Deutschland gelernt und erworben – das Talent als Geschäftsmann habe er mitgebracht. &bdquo;Ich wusste, wie man Leute anspricht." Die Kunden wussten nicht nur den Lieferservice zu schätzen, sondern beispielsweise auch, dass der Apotheker sich ihren Namen gemerkt hatte.

Umzug an die Lemgoer Straße

Weil die benachbarten Ärzte umzogen, folgte ihnen die Neue Apotheke 1999 an die Lemgoer Straße – ins Haus, das die Familie damals neu baute und in dem die Firma heute weiterhin ihren Sitz hat. Trotz aller Diskussionen habe sich gezeigt: In Hohenhausen konnten drei Apotheken direkt nebeneinander existieren, sagt Saber Aiwas. Nach dem Sturz Saddam Husseins und dem dritten Golfkrieg kam 2004 die Gründung des Pharmaunternehmens, das die Familie bis 2010 parallel zur Apotheke betrieb.

&bdquo;Die Situation im Irak war schlecht", sagt Tochter Diana Aiwas, die wie ihr Bruder Dariush inzwischen in die Firma eingestiegen ist. &bdquo;Ich wollte gerne Arzneimittel in den Irak transferieren", erklärt der Vater. Die Medikamente dort hätten damals eine schlechte Qualität gehabt. Auf dem Markt waren auch gefälschte Medikamente. Saber Aiwas berichtet von einem Fall, in dem sich herausstelle, dass von einer ganzen Packung angeblicher Herztabletten keine einzige Pille auch nur ein Milligramm Wirkstoff enthielt.

Das sollte sich nach dem Willen von Saber Aiwas ändern, und er brachte beste Voraussetzungen mit: &bdquo;Ich war selbstständiger Apotheker und kannte mich im Irak aus." Der Erfolg mit Arzneimitteln &bdquo;made in Germany" ließ nicht lange auf sich warten. &bdquo;Er kam durch die gute Qualität", sagt Saber Aiwas. Vor allem Herzmittel, Medikamente gegen hohen Blutdruck und Blutzucker sowie gegen Nierensteine seien im Irak gefragt gewesen. Heute exportiert T & D Pharma (T & D steht für &bdquo;Trade and Development", also Handel und Entwicklung) auch in den Libanon, nach Dubai, in die Vereinigten Arabischen Emirate, in den Kosovo oder nach Myanmar. Im Irak ist T & D nach Aiwas Angaben beim Bekanntheitsgrad unter den Top Ten. Die Vermarktung vor Ort liegt in den Händen von Saber Aiwas Bruder.

Firma kauft das Kochrezept

Die Medikamente selbst fertigen größtenteils externe Firmen im Auftrag von T & D Pharma. In Emmerthal bei Hameln haben die Kalletaler eine eigene Produktionsstätte angemietet. Die Herstellung von Medikamenten gehört zwar zur Kompetenz des Apotheker-Ehepaars, doch um tatsächlich eigene Arzneimittel zu entwickeln, ist die Firma zu klein. Das ist eher Sache von Weltkonzernen. T & D kaufe die Zulassung für Arzneimittel, sagt Diana Aiwas. &bdquo;Sozusagen das Kochrezept." Für die Produktion bei Lohnherstellern in Deutschland, zum geringen Teil auch im EU-Ausland, gälten strenge Auflagen. Und die Behörden, betont Saber Aiwas, verlangten von der Kalletaler Firma mit ihren 15 Beschäftigten die gleichen Standards wie von Pharma-Riesen.

In Kalletal war es der Familie mit der Zeit nicht mehr möglich, Apotheke und Pharmaunternehmen parallel zu betreiben. 2011 übernahm die Apotheke wieder Jürgen Bachor – von ihm hatte das Ehepaar Aiwas sie 1993 übernommen. &bdquo;Das war ein Glück. Es hat großen Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten", sagt Saber Aiwas über den inzwischen verstorbenen Kollegen. Nach dessen Tod 2017 schloss die Neue Apotheke – T & D Pharma als expandierendes Unternehmen brauchte den Platz. So soll es weitergehen: &bdquo;Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung", sagen Saber und Claudia Aiwas. Übrigens: Dass die Firma ein Familienunternehmen ist, belegen die Fotos von Kindern, die einst die Verpackung von Vitamintropfen aus der elterlichen Firma zierten: Zu sehen sind Diana Aiwas und ihr Bruder ...

Calcium-Tabletten als Verkaufsschlager

Viele der 120 Produkte im Sortiment vertreibt T & D Pharma in Deutschland über den Apothekengroßhandel, oft unter der Marke &bdquo;Aiwa". Einer der Verkaufsschlager ist das Eisenpräparat &bdquo;Ferro Aiwa", das nach Angaben von Firmenchef Saber Aiwas dank eines Vertrages NRW-weit an Menschen bei der Blutspende ausgegeben wird. Sohn Dariush Aiwas kümmert sich um den Internet-Vertrieb bei Amazon. Dort habe die Firma die Nische entdeckt, die Brausetabletten – mit Namen wie &bdquo;German Calcium" – direkt an Endkunden zu verkaufen. Weil der persönliche Service den Erfolg der Firma begründet habe, lege er jeder Bestellung einen handgeschriebenen Zettel inklusive seiner Handynummer bei. Das komme an, sagt Dariush Aiwas. Die &bdquo;kleine Firma aus Kalletal" habe es geschafft, mit &bdquo;German Calcium" bis Juni bei Amazon Bestseller zu werden.

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