Varenholz: Ein Dorf zwischen Fähre, Schloss und Weserfreizeitzentrum

Kalletal-Varenholz. Die Binnenwasserstraße Weser entsteht in Hannoversch Münden aus Werra und Fulda. Bis zur Mündung in die Nordsee ist sie 452 Kilometer lang. Mittendrin liegt Varenholz an der Weser. 81 Meter über Null und weniger als 900 Einwohner stark. Schon die Telefonnummer verrät, dass die Varenholzer nicht sonderlich eng mit Lippe verbunden sind: die Vorwahl kommt aus dem Rintelner Netz. Wer Varenholz besucht, kommt um die großen Wahrzeichen des Dorfes trotzdem nicht herum: der Fluss und das Schloss.

1924 wurde die Hochseilfähre Veltheim-Varenholz eingerichtet. Und schon ein Jahr später ereilte den Ort ein Fährunglück mit 81 Toten - alles passiert bei einer Reichswehrübung zur Überquerung der Weser. Soldaten sollten damals übersetzen. Die letzten Vermissten wurden vor fast 100 Jahren (das Unglück jährt sich kommendes Jahr) nach Porta und Petershagen getrieben; unter den Toten auch der Kaufmann Wilhelm Brand aus Varenholz.

Jugendhilfe seit 1949 Womit wir zum Schloss wechseln: 1188 wurde es erstmals als Besitz der Herren Vornholte genannt, im 14. Jahrhundert Eigentum des Landesherrn Simon I. zur Lippe und - ein Zeitsprung - im Zweiten Weltkrieg diente es als Ausbildungsort des Bundes Deutscher Mädel, danach war in Varenholz sogar mal die UFA-Filmgesellschaft im Schloss untergebracht. 1949 schließlich legte die Pädagogin Elisabeth Engels den Grundstein für die heutige Jugendhilfeeinrichtung und Schule. Auf dem Gelände ist zudem die Kirche für die Weserdörfer Stemmen, Varenholz und Erder untergebracht.

Wer die Gegenwart verstehen möchte, muss möglicherweise die Vergangenheit halbwegs kennen. Einer, der seine Kindheit in einer &bdquo;maßgeblichen Gastwirtschaft“ des Ortes verbrachte, ist Karl Gerd Striepecke, heute Mitte 60 und von Haus aus Designer, Cartoonist und Hobby-Musiker. Er lebt mit seiner Frau Kerstin oberhalb der Weser mitten im Ort. Die eigenen Kinder sind aus dem Haus. Seine Oma Minna betrieb in den prägenden 60er und 70er Jahren den Gasthof Dohm.

Eigene Gemeinde? Das Gebäude an der Varenholzer Straße, quasi zwischen den beiden natürlichen Grenzen &bdquo;Beutebrink“ und &bdquo;Kirchberg“, gehört heute dem Unternehmer Michael Eggersmann (Kiesabbau an der Weser), der gleichzeitig Vorsitzender des Heimat- und Verkehrsvereins in Varenholz ist. Striepecke kann die Kindheit in Varenholz recht schnell wieder aufleben lassen, wenn er rückblickend festhält: &bdquo;Als Kinder sind wir zu Fuß oder mit dem Rad den Beutebrink runter zur Weser gefahren. Damals gab es noch keine geordnete Müllabfuhr. Der erste Wohlstandsmüll wurde in den 60er Jahren noch in der Pottecke verbrannt, ein Platz in den Weserauen.“

Aber nicht nur die Kindheit war spannend. Später, so Striepecke, hätte es noch vor der großen Gemeindereform Anfang der 70er Jahre Versuche im Ort gegeben, aus den Wesergemeinden Stemmen, Erder und Varenholz eine eigene Gemeinde zu machen. Die Fusion, an der beispielsweise Ortsbürgermeister Günter Hesse interessiert war, fand aber keine Mehrheit. Und so wurden die Weserdörfer ebenso ein Teil von dem &bdquo;Kunstgriff“ Kalletal.

&bdquo;Nerviger“ Verkehr Denkt Striepecke als Ur-Varenholzer an sein Dorf, bleibt er recht zügig wieder an der Weser hängen. Allerdings in einem ganz anderen Kontext. &bdquo;Damals wurde das Weserfreizeitzentrum gebaut und auf einmal lagen Erweiterungspläne auf dem Tisch. Es bildete sich eine Bürgerinitiative, die Leute kamen bei uns in der Kneipe zusammen. Erste Graffiti - Stop WFZ - wurden versprüht. Alles, um zu verhindern, dass an der Weser noch mehr Fläche zugebaut wird. Der Kampf gegen die Pläne begann, als man am Herrengraben Eintritt zahlen sollte, um an die Weser zu kommen.“ Fazit: Die Erweiterungspläne wurden irgendwann zu den Akten gelegt. Wenngleich neben dem Campingplatz auch eine Wasserskianlage entstand.

Mindestens genauso &bdquo;nervig“ war für die Varenholzer übrigens der Verkehr im Ort - immer mehr Kieslaster fuhren zwischen Rinteln und Vlotho und konnten nicht anders, als mitten durch Varenholz zu &bdquo;brettern“. Vor 50 Jahren gab es noch sechs Gaststätten, heute ist nicht eine einzige mehr übrig. Die Laster sind geblieben, viele andere Ortsspezifika verschwunden: vom Friseur, über das Altenheim bis zur Sparkasse reicht die Liste.

Immerhin: eine Ärztin und eine Apotheke konnten sich zwischen Varenholz und Stemmen etablieren. Und wie erledigen die Varenholzer ihren täglichen Einkauf? Striepecke: &bdquo;Es gibt einen kleinen Edeka in Stemmen, ansonsten fahren die Leute gerne nach Rinteln. Das sieht im Nachbardorf Erder schon wieder anders aus, von dort fährt man eher nach Vlotho.“

Die Weser-Fähre Der Preis für eine einfache Fahrt mit der Fähre Varenholz-Veltheim beträgt für Erwachsene 1 Euro, für Kinder bis zwölf Jahre 50 Cent. Bei Mitnahme eines Fahrrads verdoppelt sich der Betrag. Der Betrag für die Überfahrt ist möglichst passend abgezählt beim Fährmann zu entrichten. Die regulären Fährzeiten sind samstags und sonntags sowie an Feier- und Brückentagen jeweils von 10 bis 17.45 Uhr. Ob die Fähre tatsächlich fährt, kann auf der Fähr-App unter www.kalletal.de/weserfaehre-app gecheckt werden.

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