Ein tiefer Stich in die Brust - 17-Jähriger hat 1959 keine Chance

Bad Salzuflen. Ein furchtbares Gerücht machte im Jahr 1959 die Runde in Bad Salzuflen. Ein 17-Jähriger soll erstochen worden sein. Im Treppenhaus vor der heimischen Wohnung. Die Nachricht "pflanzte sich schon nach kurzer Zeit auf das gesamte westlippische Gebiet fort" , heißt es im LZ-Bericht vom 27. Oktober 1959.

Bald war klar, dass es sich nicht nur um ein Gerücht handelt, sondern die Nachricht wahren Tatsachen entsprach. Bei dem Opfer handelte es sich um den 17-jährigen Adalbert C. (alle Namen von der Redaktion geändert). Zwar konnte er noch in ein Krankenhaus eingeliefert werden, aber alle Bemühungen der Ärzte blieben erfolglos - C. hat es nicht geschafft.

Ein Familienstreit eskaliert Besonders brisant: C. wurde von seinem eigenen Onkel, Rolf G., im Streit erstochen. G. wohnte zusammen mit seiner Mutter auf der selben Etage eines Mehrfamilienhauses wie sein Bruder und seiner Schwester. Bei seiner Schwester lebten zudem noch die 18-jährige Nichte und sein Neffe Adalbert C. Die Beziehung zwischen G. und seinen Geschwistern sei zerüttet gewesen. Am 26. Oktober 1959 eskalierte die Situation schließlich.

Der Tag startete schon schlecht. Bereits nach dem Frühstück soll G. über den Hausflur zur gegenüberliegenden Wohnung gegangen sein und seine Schwester duch die geschlossene Tür wüst beschimpft haben, als diese ihren Bruder nicht in die Wohnung lassen wollte.

"Nunmehr ging er in sein Zimmer zurück, steckte ein feststehendes Messer [ein] und fuhr mit dem Fahrrad in die Stadt. Gegen 13 Uhr kam er zurück. Er trat in sein Zimmer, in dem die Mutter wartete. Als er sah, dass der Türschlüssel fehlte, erkundigte er sich nach dem Verbleib. 'Den hat deine Schwester weggenommen', war die Antwort. Daraufhin schlug er erneut an deren Zimmertür, beschimpfte sie in gemeinster Weise und verlangte den Schlüssel zurück. Das Schicksal wollte, dass der 17jährige Adalbert die Tür öffnete und heraustrat", heißt es im damaligen im LZ-Bericht.

Ein böses Wort gab das andere und der Streit zwischen beiden eskalierte schließlich so sehr, dass Adalbert C. zu einem abgebrochenen Besenstiel griff und seinen Onkel am Kopf verletzte. Zudem soll er ihm auch einen schmerzhaften Tritt in den Unterleib verpasst haben, bei dem er eine Operationsnarbe von G. getroffen haben soll. "'Da', so sagte der Angeklagte wörtlich, 'wurde mir ganz heiß. Ich nahm das Messer und habe ihn abgestochen'" , wird G. im LZ-Gerichtsbericht vom 24. August 1960 zitiert.

Das Messer bohrte sich tief in die Brust des Jugendlichen. Danach zog Rolf G. die Waffe wieder hinaus. Adalbert C. konnte sich zwar noch zum Hausmeister retten und in ein Krankenhaus eingeliefert werden, doch es war zu spät. G. stellte ich im Anschluss sofort der Polizei.

Zwei Prozesse Am 30. Mai stand Rolf G. schließlich vor dem Amtsgericht. Dieses verfügte, dass er in eine Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen wird. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Drei Monate später hob die Große Ferienstrafkammer des Landgerichts Detmold das Urteil auf. Die Straftat musste erneut verhandelt werden und auch ein medizinischer Gutachter wurde angehört.

Er stellte fest, "dass es sich bei dem Angeschuldigten um einen einfachen Menschen handelt, den man nicht als ausgesprochen schwachsinnig bezeichnen kann, der sich aber auf Grund seiner eigenartigen Wesensart nie im Leben durchsetzen konnte. Er entwickelte sich mehr und mehr zu einer verschrobenen Persönlichkeit und zu einem Querulanten, der stets andere für sein Versagen verantwortlich machte und mit allen in Streit lebte", heißt es im Bericht vom 24. August 1960.

Er war also nicht schwachsinnig und für sein Verhalten verantwortlich. Dennoch konnte die Staatsanwaltschaft nicht abschließend klären, ob der Angeklagte nicht doch aus Notwehr gehandelt hat, auch wenn er den Streit angezettelt hatte. Am Ende wurde er deshalb vom Gericht freigesprochen.

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